ARTgerecht: Tollwood für ein Ende der Massentierhaltung

Festivalansicht Wi 12©Bernd Wackerbauer

Das Winterfestival hat mehr zu bieten als bunte Lichter und Glühwein, bunte Stände und Würstchen: Ein Café im beengenden Stahlgittercontainer, ein Besuch vom Erfinder der mobilen Schlachtbox und die Unterschriftensammlung für ein neues Tierschutzgesetz – das Thema ARTgerecht zieht sich konsequent durch das Tollwood-Programm wie Christiane Stenzel und ihre Kollegen auf der Pressekonferenz erläuterten.

Nicht nur der Ort ist derselbe: Wie die Wiesn im Herbst sehen die meisten Münchner auch das  Tollwood im Winter als eine Pflichtveranstaltung. Vom 26. November bis zum 31. Dezember verwandelt das Winterfestival 30.000 Quadratmeter Theresienwiese in eine Zeltstadt. Für ein Ende der industriellen Intensivtierhaltung setzt sich das Tollwood in einer Gemeinschaftsaktion mit dem Deutschen Tierschutzbund ein. „Ein Tier ist ein Mitgeschöpf, das es verdient hat, bis zum Tod respektvoll behandelt zu werden“, mahnt Thomas Schröder, der Präsident des Tierschutzbundes. Mit Schwein, Rind und Huhn geht die Industrie jedoch um wie mit reinen Wirtschaftsgütern.

Physical Sculpture macht Massentierhaltung physisch und psychisch erlebbar

„Ich war selbst schon in der Irrenanstalt und im Gefängnis, zwangseingewiesen wegen meiner Kunst. Ich weiß, was es heißt, beengt zu sein.“ Der Aktionskünstler, Musiker und Professor Wolfgang Flatz überträgt seine persönlichen Erfahrungen auf die Massentierhaltung und macht sie mit einer dreistöckigen Stahlgitterkonstruktion für alle nachvollziehbar – physisch und psychisch. Die Besucher des  Café Bad Connections werden erleben, wie sich die Enge anfühlt, die die Tiere ständig erleben müssen. Wie es sich anfühlt hinter kaltem Stahl, hinter Gittern. So wie früher im Gefängnis gibt es dort nur Brot und Wasser.

Legehennen © Deutscher Tierschutzbund e

Unterschriften sammeln für Frau Merkel, Ideen finden für die Zukunft

„Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin“, beginnt die Aktion ARTgerecht ihren Brief an Berlin. Ein Brief, der die Lebensbedingungen in der Intensivtierhaltung anprangert und eine Änderung des Tierschutzgesetzes fordert. Ein Brief, den die Tollwood-Besucher im Stall auf dem Gelände oder online unterzeichnen sollen.

Masthühner haben gerade mal 35 Tage zu leben – und das auf 0,05 Quadratmetern ohne Freiluft und Tageslicht. Um die Schweine steht’s nicht viel besser: Wenn sie mit 110 Kilo ihre Schlachtreife erreichen, sind sie so fett, dass sie sich selbstständig nicht mehr auf ihren Beinen halten könnten. Psychische Schäden belegen die gegenseitigen Verletzungen, die sich die Artgenossen hinzufügen – Langeweile und Beengung können bis hin zum Kannibalismus führen. Deswegen werden ohne Betäubung Zähne abgeschliffen, Schnäbel gekürzt, Schwänze und Hörner entfernt. Weil diese Bedingungen unter aller Sau sind, sollen bis zum 23. Dezember möglichst viele Unterschriften zusammenkommen.

Schweine © Eurogroup for Animal Welfare

Welche Fähigkeiten und Bedürfnisse haben Nutztiere? Und wie könnte eine artgerechte, ökologisch verträgliche Nutzung aussehen? Antworten zur Intensivtierhaltung liefert das ARTgerecht-Gespräch. Auf dem Podium stehen Professor Josef Troxler, Leiter des Instituts für Tierhaltung und Tierschutz, Jochen Dettmer, Bundesgeschäftsführer NEULAND e.V. und der Erfinder der Mobilen Schlachtbox. Dieser Name mag skurril klingen, aber der Bio-Bauer Ernst Hermann hat mit seinem Konzept einen kleinen Meilenstein für die tierschonende Schlachtung gelegt.

Neben all den ernsten – und wichtigen – ARTgerecht Themen: Nicht vergessen den ein oder anderen Glühwein zu trinken und einen Blick ins Kulturprogramm des Festivals zu werfen. Von Mozarts Zauberflöte mit südafrikanischen Stammestänzen bis hin zur etwas anderen Oper mit integriertem Handyklingeln warten große Vorstellungen zum Thema Klassik Anders im Grand Chapiteau. Podiumsgespräche mit beeindruckenden Luftbildern und eine Videoinstallation, die zeigt, was 7 Milliarden andere Menschen auf der Welt bewegt, warten in der Zeltstadt. Am besten einfach einen Blick ins vollständige Programm werfen. Und: Dran denken für artgerechte Tierhaltung zu unterschreiben…

Bild 1: Bernd Wackerbauer

Bild 2: Deutscher Tierschutzbund e.V.

Bild 3: Eurogroup for Animal Welfare

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