„Das Auto ist kein Statussymbol mehr“

EIN INTERVIEW MIT CHRISTIAN STUPKA VON DER WOGENO.

Noch bestimmen Autos das Antlitz der Städte. Doch das wird sich ändern. Genossenschaften wie die WOGENO wagen mit „Wohnen ohne Auto“ schon heute eine Expedition in die Zukunft unserer Mobilität.

In dem Wogeno-Haus Johann-Fichte-Straße 12 läuft das Pilotprojekt „Mobilität aus einer Hand“, das verschiedene nachhaltige Vekrehrsangebote unter einem Dach vereint, um den Teilnehmern Mobilität ohne eigenen Pkw in ganz München zu garantieren. Car-Sharing, Fahrradausleih und Tickets für die öffentlichen Verkehrsmittel werden über ein einheitliches Buchungssystem angeboten. Hinter dem Projekt stehen das Kreisverwaltungsreferat und die Wohnungsgenossenschaft WOGENO gemeinsam mit STATTAUTO, MVG, Fideliio und der Elektrofahrrad-Zentrale.

Herr Stupka, der Stau auf dem mittleren Ring ist so normal wie die Maß im Biergarten. Hat München ein Verkehrsproblem?

München hat zuviel störenden Verkehr. Die Stadtbevölkerung wächst, man kann aber nicht mehr Straßen bauen. Die Einwohnerdichte pro Quadratmeter ist sehr hoch und der ruhende Verkehr ein Ärgernis ohne Ende. Früher hat man versucht mehr Verkehr zu ermöglichen, wir sagen jetzt: Wir müssen störenden Verkehr vermeiden. Dieser Ansatz ist unserer Ansicht nach alternativlos.

Wie könnte das umgesetzt werden?

Menschen setzen heute eher auf einen Mobilitätsmix. Ein konkreter Ansatzpunkt ist bei uns in der Wohngenossenschaft der Stellplatzschlüssel. Bislang mussten wir pro Wohneinheit einen Parkplatz errichten. Aber für viele ist das eigene Auto gar nicht mehr Voraussetzung dafür, um sich adäquat fortzubewegen. Wir bieten in unseren Neubauten Car-Sharing, E-Bikes, das klassische Nahverkehrssystem und weitere Mobilitätsangebote. Dann kann man den Stellplatzschüssel leicht halbieren. Auf 0,5 Plätze pro Wohneinheit.

Wollen Menschen nicht ein eigenes Auto besitzen?

 Das kommt auf die Lebenssituation an. Bei den jüngeren Singles ist eher die Frage, ob sie überhaupt noch den Führerschein machen. Ob ein Auto angeschafft wird, ist bei der städtischen Jugend stark in den Hintergrund getreten. Die orientiert sich eher an den verfügbaren Mobilitätssystemen und greift auf das zu, was gerade verfügbar ist.

Und bei älteren Menschen? Gilt das Auto da nicht noch als Statussymbol? 

 Nein, das beobachten wir nicht. Auch für die Generation ab dem 60. Lebensjahr ist das Auto jetzt nicht mehr das Statussymbol. Wenn die sich auf Car-Sharing umstellen wollen und können gibt es eine hohe Bereitschaft. Unserer Erfahrung nach gibt es bei Familien mit Kindern noch das stärkste Bedürfnis nach einem PKW. Weil die viel Tranport zu bewältigen haben, wird das Umsteigen auf Car-Sharing eher als Zusatzbelastung empfunden.

Glauben sie, der Verzicht auf den eigenen PKW wird mit steigenden Benzinpreisen weiter zunehmen.

Ich weiß gar nicht, ob es so sehr die Benzinpreise sind. Ich glaube, beim Auto sind es eher die Anschaffungs- und Unterhaltskosten. Ein Stellplatz beispielsweise kostet ja real 120 Euro im Monat. Das kann man den Mietern kaum abverlangen. Wenn ich es durchrechne komme ich schnell drauf, dass Car-Sharing in vielen Fällen einfach günstiger und bequemer ist.

In New York boomt gerade Rad-Sharing. Könnte das auch ein Modell für München sein?

Das ist ein Erfolgsmodell in Städten und das wird in München auch kommen, klar.

Bei welchen konkreten Wohnprojekten setzen sie auf  neue Mobilitätskonzepte. Wie äußern die sich konkret?

Wir bauen gerade zwei Mehrgenerationenwohnprojekte mit 75 und 120 Wohneinheiten, letzteres in Kooperation mit der GEWOFAG. in beiden Projekten ist eine Mobilitätsstation als Drehscheibe für gemeinsam nutzbare Fahrzeuge und die Organisation von Mitfahrmöglichkeiten integraler Bestandteil. Auf dem Gebiet der ehemaligen Funkkaserne soll diese Konzept für ein Wohngebiet mit 1600 Wohnungen realisiert werden. Dafür wurde ein Konsortium aus Genossenschaften, Baugemeinschaften und der städtischen Wohnungsgesellschaft GEWOFAG gebildet.

Ist das neue Mobilitätskonzept bei Wohngenossenschaften eher eins, das auf mittlere bis untere Einkommen abzielt?

Also bei uns sind die Häuser eher durchgemixt. Sozial und altersmäßig. Natürlich, bei eher geringen Einkommen verzichtet man sowieso – gerade in München – auf einen PKW. Aber wir machen die Erfahrung, dass die Frage: Hab ich jetzt ein Auto oder nicht, eher eine Frage der Einstellung und des Rechnens ist. Die cleveren Leute nutzen Car-Sharing. Und die Cleverness zieht sich ja durch alle sozialen Schichten.

Abseits von Car-Sharing, welche Konzepte werden in Zukunft immer wichtiger werden?

Organisationskonzepte, die möglichst alle Angebote miteinander vernetzen. Man will nicht x-Fahrpläne und diverse Internetseiten von Mobilitätsanbietern durchblättern, um jeweils das schnellste und günstigste Mobilitätsangebot zu ermitteln. Gefragt ist „Mobilität aus einer Hand“.

Interview: Laura Hertreiter, Martin Schneider

Fotos: Wogeno München eG

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