Das Tagebuch

Die Gletscher schmelzen, Städte versinken und Eisbären ertrinken. Während in Medien mit Schreckensbildern vor den Folgen des Klimawandels gewarnt wird, werden Kinder mit  ihren Ängsten meist allein gelassen. Im Rahmen des Klimaherbstes hat der Bund Naturschutz Kinder aufgefordert, ihre Ideen und Gedanken zum Thema Klimawandel auf Papier zu bringen. An sieben Münchner Schulen wurden Schreibwerkstätten eingerichtet, in denen mehr als 80 Geschichten und Illustrationen entstanden.

Den Text von Martyna gibt es hier.

Montag, 1. April 1896

Diesen Winter werde ich nie vergessen! Es war der schlimmste in meinem Leben. Na ja, mit 13 Jahren ist mein Leben ja noch nicht so lang. Das sagte mein Vater zumindest immer. Weißt du, er ist in diesem Winter gestorben. Ohne ihn gibt es nicht mal einen Menschen in unserer armen Familie, der arbeitet. Eine große Familie, die niemand versorgen kann. Das Schlimmste ist aber, dass unser Haus am Einstürzen ist und um wegzuziehen, bräuchten wir natürlich Geld. Mama kann aber keines verdienen, weil sie ja, was eine zusätzliche Last ist, im Rollstuhl lebt.

Dienstag, 22. April 1896

Mama tut mir immer so leid. Sie sagt die ganze Zeit, dass alles ihre Schuld ist und dass wir ohne sie bessere Chancen hätten. Also auf ein besseres Leben. Papa hat immer gesagt, dass wir schon irgendwie an Geld kommen werden, aber Mama wollte nicht, dass er uns Hoffnungen macht. Ich glaube, es sollte sich nur nicht so anhören, als ob wir auf einmal Millionäre werden könnten.

Mittwoch, 23. April 1896

Mama will unbedingt, dass wir zu Oma aufs Land fahren. Sie meint, wir sollen einen Neuanfang machen. Und sie einfach hinter uns lassen. In den Ferien sollen wir schon los. Das ist in einer Woche! Aber ich lasse mir noch etwas einfallen, keine Sorge.

Donnerstag, 24. April 1896

Ich hab eine Idee. Hör zu, wir wohnen doch neben einem Schrottplatz. Und die Sonne scheint sehr oft, ich könnte doch ein Gerät bauen, das durch die Sonne Strom erzeugt. Ich meine, der Schrottplatz ist schon eine Ewigkeit verlassen. Da reinzukommen ist ein Klacks. Hoffentlich wird das etwas. Ich könnte den Sonnenstrom verkaufen, wenn der Bürgermeister es erlaubt. Und wir könnten bei Mama bleiben. Dann bezahlen wir auch endlich ihre Operation.

Freitag, 25. April 1896

Heute in der Schule habe ich die Lehrer gefragt, ob ich die Laborräume auch am Wochenende und in den Ferien benutzen darf. Ich hatte Glück. Herr Jon will mir sogar helfen. Er ist mein Lieblingslehrer. Er hat meinen Namen ganz groß auf den Samstag geschrieben.

Samstag, 26. April 1896

Weißt du was? Es hat schon fast geklappt. In der Früh kam ich mit ganz viel Zeug vom Schrottplatz ins Labor. Dort waren viele Bücher auf dem Tisch. Zuerst war ich natürlich erschrocken, weil ich sie auf keinen Fall lesen wollte. Dann kam mein Lehrer mit noch mehr Büchern herein und grinste mich an. Ich sollte ihm ganz genau erklären, was ich bauen wollte. Dann fragte er mich, was schnell von der Sonne erhitzt wird. Ich sagte sofort: „Metall!“ Tja, am Ende kam eine kleine Maschine dabei heraus. Oben ist eine Metallplatte, die von der Sonne erhitzt wird. Die Energie daraus wird umgewandelt und in lange Drähte geleitet. Man kann sie an den Stromkasten oder auch an andere Dinge hängen.

Sonntag, 27. April 1896

Ich war heute beim Bürgermeister. Er wollte mich zuerst nicht sprechen. Er hatte keine Zeit und glaubte natürlich nicht, dass ein Kind etwas Ordentliches zustande bringen kann. Ich hab ihm dann aber gezeigt, was ich gebaut habe und ihm versichert, dass es funktioniert. Hat es auch. Ich darf die Maschine benutzen und soll ihm auch eine bauen. So sind alle unsere Schulden vergessen und wir bekommen ein neues Haus. Das Beste ist, Mama erlaubt uns nun doch, bei ihr zu bleiben.

Montag, 28. April 1896

Ich habe heute dem Bürgermeister seine Maschine gebracht. Er will sogar Mamas Operation bezahlen. Ich glaube, ich fange jetzt ein neues Tagebuch an. Eins in meinem neuen, besseren Leben. Aber dich hebe ich für immer auf.

Martyna Hoffmann, 5. Klasse

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