Gar nicht goldig

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„Alle einsteigen bitte!“ Zwei junge Herren mit goldenen Helmen auf dem Kopf und einem äußerst breiten Grinsen im Gesicht fordern die letzten Fahrgäste dazu auf, einzusteigen und Platz zu nehmen. Kurz darauf rollt der Bus auch schon los. Ein klassischer Doppeldecker, der sonst durch die bayerische Metropole fährt und für Touristen Münchens größten Sehenswürdigkeiten ansteuert. Bei dieser Stadtrundfahrt sind allerdings ausschließlich Immobilienmakler an Bord. So begrüßt zumindest einer der jungen, adretten Herren mit Goldhelm, die Fahrgäste. Und so geht es auch nicht wie üblich zum Königsplatz, Siegestor oder Hofbräuhaus. Es geht um ganz andere Objekte.

Die Objekte der Begierde heißen hier „The Seven“, Frauengefängnis Neudeck, Glockenbach-Suiten, Zacherl-Gebäude oder Lehel-Höfe – allesamt millionenschwere Spekulations- und Bauobjekte von Investoren, die die „Goldgrund Immobilien Organisation“ hier auf ihrer Verkaufstour durch die Landeshauptstadt präsentiert. Dirk von Staligk und Marc Bench, so lauten die Namen der beiden Herren mit Goldhelm, stellen die Filetstücke und preiswerten Leckerbissen des Münchner Immobilienmarktes vor. „Wir nehmen Sie mit auf eine Fahrt durch feinste Areale aber auch entlang der Resterampe – es ist für jeden etwas dabei“, sagt von Staligk und grinst erneut. „Unser Motto lautet: Die Zukunft Münchens – Wir können nur spekulieren.“

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Doch David von Staligk und Marc Bench sind keine echten „CEO“ des internationalen Investorenteams von Goldgrund. Genauso wenig wie Goldgrund keine echte Immobilienfirma ist. Es handelt sich hier um das Werk von Till Hoffmann (unter anderem Chef des Lustspielhauses sowie der Lach- und Schießgesellschaft in München), Alex Rühle (Journalist) und Christian Ganzer (Filmemacher und Galerist), die bereits mit einem fiktiven Bauprojekt auf der Münchner Freiheit für finanzielle Highperformer, der Guerilla-Sanierung einer Wohnung in einem angeblich abbruchreifen Haus in der Müllerstraße und der Rettung des Bolzplatzes neben der Glockenbach-Werkstatt für großes Aufsehen über Münchens Stadtgrenzen hinaus gesorgt haben.

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Nun folgt eine Stadtrundfahrt, die zeigt, wie München immer mehr in die schmierigen Finger von undurchsichtigen Investoren gerät und zu einem reinen Spekulationsobjekt verkommt – Hauptsache das Geld stimmt! Erster Tourstop ist „The Seven“ – das alte Heizkraftwerk in der Müllerstraße beim Gärtnerplatz. „Hier sehen sie eines unserer absoluten Highlights – The Seven“, sagt Bench. „Hier gibt es internationales Flair auf allerkleinsten Raum – Weihnachten für jeden Makler.“

Der Bus fährt weiter. Ziel: Das Zacherl-Gebäude der Paulaner Brauerei und direkt gegenüber das über 100 Jahre alte Frauengefängnis Neudeck in Untergiesing. Auch hier hat das millionenschwere Scheckbuch von Investoren die Stadt München überzeugt. So erfährt man von den Initiatoren des Hotel-BISS (Bürger in sozialen Schwierigkeiten), dass das denkmalgeschützte Neudeck für 16 Millionen Euro plötzlich an einen großen Investor verkauft wurde. 1,6 Millionen Euro hatte die kleine „Münchner Investorengruppe“ geboten, um aus dem Knast ein Sternehotel entstehen zu lassen, bei dem schwer vermittelbare Auszubildende eine Chance bekommen sollten. Doch erfolglos! Trotz jahrelangen Verhandlungen mit der Stadt München.

Die Glockenbach-Suiten in der Fraunhoferstraße, das „Schwabinger Tor“ auf dem alten Metrogelände (Leopoldstraße), die Paul-Heyse-Villa neben dem Königsplatz oder die Lehel-Höfe – die Stadtrundfahrt hat einiges zu bieten. Allerdings nicht an Sehenswürdigkeiten, sondern an Spekulationsobjekten, bei denen sich alles nur um abgehobene Luxusobjekte, urbane Verdichtung und ganz am Rande um sozialen Wohnungsbaut dreht. Marc Bench fragt: „Was kann Architektur sozial erreichen?“ Und gibt selbst die Antwort darauf: „Wir haben es gezeigt: Wohnungen an die Stadt zurückverkaufen, und zwar zum Marktpreis.“ Und er sagt: „In einem alten Miethaus befindet sich oft Ärger in Form von alten Mietverträgen und Mietern– doch darum kümmern wir uns.“

Nach zwei Stunden ist die Stadtrundfahrt beendet – sie führte vorbei an großen Baustelle, tiefen Baugruben und finsteren Investoren. Menschen spielten kaum eine Rolle. Was bleibt, ist ein bitterer Geschmack. Doch dann kommen auch schon wieder die adretten Herren David von Staligk und Marc Bench mit ihren Goldhelmen auf dem Kopf. Sie schütteln Hände, streicheln Kindern die Köpfe. „Wir haben nichts gelernt. Wir können nur spekulieren“, sagen sie und grinsen…

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Fotos: Sebastian Schulke

 

1 Kommentar zu “Gar nicht goldig”

  1. Sehr tolle und kreative Aktion! Man muss auf die Strasse gehen!!!! Unsere Stadt gehört auch uns und nicht nur den Konzernen, die hier investieren!!!

    Danke Grün&Gloria – wieder mal – ein toller Bericht!

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