Lebensmittelrettung: Zweite Chance für Sushi & krumme Möhre

thomas-gamstaetter-130746

Jedes Jahr landen Tonnen von Lebensmitteln im Müll. Ob im Supermarkt oder auf dem Teller im Restaurant – die Überproduktion von permanent verfügbaren Lebensmitteln fordert global einen hohen Preis. Wie man als Verbraucher im Kleinen dagegen vorgehen kann, haben wir in 4 einfachen Schritten zusammengefasst.

Ein Drittel der gesamten Nahrungsmittelproduktion wird weggeschmissen.

Jedes Jahr landen allein in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel in der Mülltonne. Nicht nur private Haushalte, sondern vor allem Restaurants und Hotels mit All-you-can-eat Buffets zählen zu den größten Wegwerf-Sündern der Nation. Der Ursprung liegt aber schon in der Produktion der verarbeiteten Nahrungsmittel.

Das Problem: Die Lebensmittelindustrie produziert mehr, als überhaupt konsumiert werden kann. Ein Drittel der gesamten Nahrungsmittelproduktion wird weggeschmissen. Das ist fatal. Während wir in einer Konsumgesellschaft leben, der es an nichts mangelt, muss jeder achte Mensch auf der Welt hungern. Vor allem in Ländern der Dritten Welt ist die Situation sehr prekär. Aber auch für uns werden die Auswirkungen von Konsumwahnsinn und verschwenderischer Überproduktion mit Treibhausgasen und Monokulturen zum Verhängnis.

Unser Beitrag gegen die Verschwendung

Eben mal kurz die Welt retten ist zwar nicht drin, doch wir können im Rahmen unserer Möglichkeiten einen kleinen, aber wertvollen Beitrag gegen diese Unvernunft leisten. Zum einen können wir zuhause darauf achten, wie wir und was wir einkaufen und wie wir Reste noch kreativ verwerten oder abgeben können. Zum anderen können wir Initiativen und clevere Ideen, die ein Zeichen gegen die Lebensmittelverschwendung setzen, unterstützen. Läden unserer Stadt haben oftmals nach Ladenschluss noch Ware übrig, die sie aber aus gesetzlichen Gründen am nächsten Tag nicht mehr anbieten können und dürfen. Eins ist jedoch klar, schlecht sind diese Produkte lange noch nicht.

  1. Lebensmittelrettung per App

Die Möglichkeiten in München Essen vor dem Ende in der Tonne zu bewahren, sind vielfältig. Lebensmittelplattformen wie ResQ Club und Toogoodtogo haben sich dem Problem von Restaurants, Bäckereien und Metzgereien angenommen und Apps entwickelt, die Übriggebliebenes vor der Mülltonne bewahren. Das Prinzip ist schnell erklärt: Restaurants bieten gegen Ladenschluss Essensreste günstiger an, die ich in einer Karte einsehen, bestellen und dann im Lokal abholen kann.

ResQ App + takeaway

Tolle Idee trifft gutes Konzept

Eine gelungene Idee für alle, die aufs Budget achten müssen oder einfach mal ein paar Euro sparen wollen, ohne dabei auf das Lieblingsessen vom Laden um die Ecke verzichten zu müssen. Einwandfreie Gerichte sind 50-70 Prozent günstiger zu haben. Mittlerweile sind nach dem Start beider Apps in Deutschland auch immer mehr Münchner Gastronomie-Betriebe dabei. Tendenz steigend. Für die 70 Partnerläden von Toogoodtogo lohnt es sich sowieso. Sie können noch Umsatz mit Produkten machen, die sie sonst im Grunde hätten wegschmeißen müssen. Das Startup blickt stolz auf 2.800 gerettete Mahlzeiten in nur wenigen Monaten. Das Gute: Mit jeder geretteten Mahlzeit wird Co2 eingespart.

ResQ takeaway

Toogoodtogo und ResQ im Grün&Gloria Test

Die Handhabung der Apps ist einfach und bequem, doch für Ersparnis und Genuss müssen auch einige Hürden in Kauf genommen werden. Während beim normalen Kauf frei aus der Karte gewählt wird, muss man sich bei ResQ und Toogoodtogo mit dem zufriedengeben, was nach Ladenschluss noch da ist. Das Angebot variiert stark und ist reine Glückssache. So kann die zu füllende Box oder Tüte mal zehn Sandwiches oder nur zwei umfassen – der Preis bleibt fix. Ausverkauft ist eben ausverkauft.

Ebenfalls aufwendig ist das Abholen im Gegensatz zu beliebten Lieferdiensten. Hier gilt es, flexibel und pünktlich zu sein. Die Boxen sind zu einer festen Zeit abzuholen, oft erst spät am Abend nach Ladenschluss und somit nichts gegen den schnellen und plötzlich auftretenden Hunger. Wer wartet wird jedoch belohnt.

Die Zahlung erfolgt direkt bei der Online-Bestellung per Kreditkarte. Was für den einen von Vorteil ist, wird zum Nachteil für alle, die erstens kein Smartphone und zweitens keine Kreditkarte besitzen. Die Zahlungsmöglichkeiten dürfen also gerne noch ausgebaut und verbessert werden. So auch der Einblick ins Angebot, der bei Toogoodtogo noch nicht wie bei ResQ ohne App online möglich ist.

Unseren ausführlichen Testbericht von ResQ liest du hier.

2. Analog statt digital – Läden in München

Es muss nicht immer digital sein. Das zeigen vor allem zwei bekannte Bäckereien in München. In den Filialen der Hofpfisterei gibt es in der sogenannten „Happy Hour“ eine Stunde vor Ladenschluss 25 Prozent, in der letzten halben Stunde sogar 40 Prozent Preisnachlass auf das noch zur Verfügung stehende Sortiment. Wer so günstig an gutes und hochwertiges Brot kommt, verschmerzt gerne, dass seine geliebte Öko-Breze schon vergriffen ist und sich lange Schlangen vor den Läden bilden.

Auch noch am nächsten Tag kann man in der Hofpfisterei Resteladen in der Blumenstraße das gute Brot kaufen. Dort gibt es Gutes vom Vortag zum halben Preis. Die Öffnungszeiten richten sich nach dem Angebot und schnell sein lohnt sich, denn sonst steht man nicht selten vor bereits verschlossener Tür. Eher nichts für die noch schnell nach Feierabend-Einkäufer, denn eine Garantie, noch etwas abzubekommen, gibt es nicht.

Das Konzept eines eigenen Resteladens hat ebenfalls die Bäckerei Rischart aufgegriffen. Im „Gutes von Gestern“ freuen sich die Münchner über günstige Semmel und leckeren Kuchen, deren Geschmack trotz einem zusätzlichen Tag Aufbewahrung nicht leidet. Kenner wissen, dass manches am zweiten Tag sogar noch besser schmeckt. Ein gut gebackenes Brot bleibt bei richtiger Aufbewahrung ohne Probleme mehrere Tage frisch und verzehrbar.

Auf den wöchentlich stattfindenden Märkten lohnt es sich auch die Augen offen zu halten. Lokale Bauern und Bäcker bieten Vortagsware und äußerlich nicht mehr ansehnliches Gemüse und Obst vergünstigt an. Einfach auch mal nachfragen, ob es beispielsweise runzelige Karotten oder überreife Tomaten zum Einmachen oder Einkochen abzugeben gibt.

3. Im Supermarkt: Es heißt „Mindestens haltbar bis“ und nicht „sicher tödlich ab“

Im Supermarkt deklarieren meist extra angebrachte Etiketten Ware, die günstiger zu haben ist. Denn: Nach Ablauf des aufgedruckten Mindesthaltbarkeitsdatums sind die Märkte verpflichtet (Hygienevorschriften u.a.), die Waren aus den Regalen zu nehmen und zu entsorgen. Damit weniger im Müll landet, wird daher erst einmal gut reduziert. Viele Kunden suchen und greifen sogar ganz bewusst nach vergünstigten Lebensmitteln, oft mit extra angebrachten Etiketten ausgewiesen.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum sollte hier nicht das alles entscheidende Kriterium sein. Es dient lediglich als Empfehlung bzw. Pflichtangabe, die der Hersteller angeben muss. Bei sehr frischen Waren wie Fleisch, Fisch und Eiern sollten Experimente vermieden werden, ansonsten sollte aber der Riech-und Geschmackstest entscheiden. Es heißt „Mindestens haltbar bis“ und nicht „sicher tödlich ab“.

4. Werde auch du Teil der Bewegung – Foodsharing macht’s möglich

Nicht nur bekommen, sondern auch selber abgeben und teilen: Für Privathaushalte bietet sich das Anbieten von Essenskörben über Foodsharing an. Lebensmittel, die sie selbst nicht mehr verwenden weil sie beispielsweise vor einem Urlaub oder Umzug noch den Kühlschrank räumen müssen, sind zu schade für die Tonne. Hier werden Lebensmittel gratis entweder direkt vor der Haustür abgegeben oder in München aufgestellten Fair-Teilern abgelegt, an denen sich jeder frei bedienen darf. Im Eine-Welt-Haus in der Schwanthalerstraße 80 zum Beispiel befindet sich ein solcher Verteiler.

Foodsharing ist vor allem bei Studenten beliebt und wenn man Glück hat, kann man sich den Obst und Gemüse Einkauf eine Woche lang sparen. Sogenannte Foodsharer gehen noch einen Schritt weiter und kooperieren mit Märkten und Filialen in der Stadt, wo sie nach Ladenschluss oder am Folgetag aussortierte Ware abholen und der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Wahrer Aktivismus trifft auf ehrenamtlichen Einsatz für eine gute Sache.

Unser Fazit: Lebensmittel retten und einen kleinen Beitrag gegen das unnötige und voreilige Wegwerfen leisten, kann jeder und dabei noch Geld sparen. Wie bleibt aber jedem selbst überlassen. Ob Sushi-Box zum Sparpreis, Brot vom Vortag für die Hälfte oder ein bisschen runzliges, doch noch verwertbares Gemüse aus dem Fair-Teiler: Zu gut für die Tonne noch einmal auf den Küchentisch. Voller Geldbeutel und voller Magen – besser könnte es gar nicht sein.


Fotos: Too Good To Goo, ResQ, Thomas Gamstätter via unsplash.com

2 Kommentare zu “Lebensmittelrettung: Zweite Chance für Sushi & krumme Möhre”

  1. Ronja Lotz sagt:

    Danke Markus für den Hinweis! Das nehmen wir doch glatt in unserem Eventkalender auf 😉

  2. Markus sagt:

    Schöne Zusammenfassung! Wer in Gesellschaft Lebensmittel retten möchte, kann das bei unseren Schnibbelparties tun. Die nächste am 15.09.2017 in der Glockenbachwerkstatt. Veranstaltet von rehab republic, foodsharing und dem Bürgerhaus Glockenbachwerkstatt.
    Facebook-Event: https://www.facebook.com/events/1455815704496442/

Kommentieren