München Transparent – Informationsplattform für Bürger

Will eine Kommune nicht als autoritärer Obrigkeitsstaat auftreten, gilt es, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt frühzeitig in die Entscheidungen einzubeziehen. Das funktioniert nur – und das klingt erst einmal trivial –, wenn alle betroffenen Personen auch rechtzeitig wissen, was angedacht oder auch schon geplant wird, wie der jeweilige Planungsstand ist, was die Rahmenbedingungen sind und welche Handlungsmöglichkeiten es gerade gibt. Gerade bei Themen größerer Bedeutung spielt dabei die Tagespresse eine wichtige Rolle, flankiert von sozialen Medien. Doch je lokaler ein Thema ist, desto mehr stößt das Prinzip an seine Grenzen: ob die Straße vor der eigenen Haustüre zu einer 30 km-Zone umgewandelt wird, mag für einen selbst sowie die Sicherheit der eigenen Kinder eine große Rolle spielen – für die Tagespresse wird es aber möglicherweise doch zu kleinteilig sein.

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Für Bürgerinnen und Bürger sind dabei zwei Aspekte besonders wichtig: will man etwas an den bestehenden Umständen ändern – im Beispiel oben also die Höchstgeschwindigkeit herabsetzen lassen – muss es klar kommunizierte Stellen geben, an die man sich wenden kann. Soll man sich also an die Polizei wenden oder an den Stadtrat, an das Kreisverwaltungsreferat (KVR) oder den Bezirksausschuss? Sollte ein solches Vorhaben dann tatsächlich geprüft werden, muss einerseits angesichts der oft recht langen Bearbeitungszeiten immer klar sein, was der aktuelle Stand ist und wie es weitergeht. Andererseits müssen aber auch die restlichen Betroffenen informiert werden – im Beispiel oben also unter anderem die Anwohnerinnen und Anwohner der fraglichen Straße. Das nämlich ist der zweite Aspekt: die Stadt muss proaktiv in angemessener Form über Planungen informieren.
Nur was heißt hier angemessen? Im Münchner Stadtrat und den Bezirksausschüssen alleine kursieren monatlich zigtausende Seiten an Dokumenten. Wäre den Bürgerinnen und Bürgern geholfen, ihnen all das einfach zuzuschicken oder es einfach unkommentiert online zu stellen? Nun sicher, besser als gar nichts wäre das Onlinestellen. Und man muss der Stadt München zugute halten, dies in Form des Ratsinformationssystems“ (RIS) auch teilweise zu tun (bei den Stadtratsdokumenten umfassend, bei den Bezirksausschüssen noch ausbaufähig): über 150.000 Dokumente sind darüber bereits abzurufen. Im Vergleich zu vielen anderen Kommunen ist das schon vorbildlich. Doch davon auszugehen, dass Interessierte täglich auf der Suche nach für sie relevanten Informationen das Archiv durchstöbern, ist schlicht unrealistisch – zumal das Münchner Ratsinformationssystem selbst von Stadträtinnen und Stadträten mitunter als zu kompliziert und unpraktisch empfunden wird.
Die private Online-Plattform „München Transparent“, betrieben von der Open Knowledge Foundation, zeigt hier einen Lösungsansatz. Sie greift auf die Daten des öffentlich zugänglichen Ratsinformationssystems zu, bereitet denselben Datenbestand aber deutlich anschaulicher auf und ergänzt ihn um bessere Recherchemöglichkeiten und vor allem personalisierbare Benachrichtigungen. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können sich dadurch automatisch per E-Mail benachrichtigen lassen, sobald neue Dokumente veröffentlicht werden, die entweder bestimmte Stichworte enthalten oder aber eine Adresse, die in der Nähe des eigenen Wohnorts liegt. Auf diese Weise erfährt man einerseits von Planungen in der unmittelbaren Umgebung, die vielleicht zu klein sind, um es in die lokalen Zeitungen zu schaffen, und von Themen, die einen besonders interessieren – ohne von der großen Flut aller Dokumente erschlagen zu werden.
Darüber hinaus bereitet München Transparent auch viele der Informationen des Ratsinformationssystems einfacher auf und bietet eine Einführung in die Funktionsweise der Kommunalpolitik. Der größte Mehrwert liegt aber in der aktiven Benachrichtigung.
Bemerkenswert ist „München Transparent“ vor allem auch deshalb, weil es sich um eine rein ehrenamtliche Initiative handelt, die im Wesentlichen von drei Programmierern und Journalisten entwickelt wurde: Tobias Hößl, Konstantin Schütze und Bernd Oswald. Auf 500 bis 600 Stunden Programmierarbeit schätzt Tobias Hößl dabei die Arbeit, die er im Zeitraum von drei bis vier Jahren in das Projekt gesteckt hat – vom Aufbereiten des städtischen Datenbestands (der mit Abstand komplizierteste Teil) über die E-Mail-Benachrichtigungs-Funktion bis hin zur rechtlichen Klärung mit der Stadtverwaltung. Die Münchner Stadtverwaltung zeigte sich dabei immerhin recht aufgeschlossen, auch wenn es zu konkreter technischer Unterstützung dann doch nicht gereicht hat.

Perfekt läuft es dabei an vielen Stellen noch nicht: gerade die Auswertung, auf welche Orte in München sich ein Dokument genau bezieht, ist noch recht fehleranfällig, da sie nur auf Ähnlichkeit einzelner Wörter zu Straßennamen basiert. Und einige Hürden bleiben natürlich und lassen sich auch nicht direkt technisch lösen: zum einen kann auch „München Transparent“ nur über Dokumente informieren, die von der Stadt auch aktiv veröffentlicht werden – es ist weder eine Leaking-Plattform noch eine Plattform für aktive Anfragen an die Stadt nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Und schließlich erreicht auch „München Transparent“ nur Bürgerinnen und Bürger, die auch von der Plattform wissen, sich aktiv angemeldet haben und ihre Interessen hinreichend genau in Form von Suchbegriffen und -orten angegeben haben.
Das Ideal wäre, dass ein vergleichbarer Dienst von der Stadt selbst angeboten würde – mit redaktionell betreuten Daten und nicht zuletzt natürlich auch der Möglichkeit, Menschen zu erreichen, die keine Online-Dienste verwenden. Aber das ist wohl noch Zukunftsmusik.

Aus: Standpunkte, Dezember 2015/Januar 2016


Fotocredit: Nagy / Presseamt München

 



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