Oh du fröhliche Weihnachtsfeierei

Ein Interview zur nachhaltigen Veranstaltungsorganisation, geführt von Mirja Kaupmann

2,97 Millionen Veranstaltungen mit 362 Millionen Teilnehmern fanden im Jahr 2012 allein in Deutschland statt. Diese Veranstaltungen ökonomisch, ökologisch und sozial verträglich gestalten – geht das? Annette Rülicke und Ulla Hassler von der Agentur greenplaza für nachhaltige Unternehmensevents meinen: Ja!

Annette Rülicke und Ulla Hassler: Die Geschäftsführerinnen der Agentur greenplaza planen und organisieren nachhaltige Veranstaltungen u.a. für Kunden aus der nachhaltigen Finanzbranche.

Frau Rülicke, Frau Hassler – alles soll heute nachhaltig sein. Auch Weihnachtsfeiern?
Rülicke: Nachhaltige Events schließen kein Eventformat aus, auch kein anlassbezogenes Event. Bei Firmenevents wird der Zugzwang immer größer: Die breite Öffentlichkeit, Analysten und Investoren, Meinungsbildner, Kunden fragen danach. Als Unternehmen kann man sich dem nur schwer entziehen. Wenn ein Unternehmen bereits nachhaltig ausgerichtet ist, rennen Sie mit dem Vorschlag nachhaltiger Events offene Türen ein. Aber es muss nichtsdestotrotz noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden: Wenn sich z.B. Veranstaltungen bereits über Jahre hinweg etabliert haben, müssen wir zuerst zum Umdenken bewegen, beispielsweise wenn es darum geht zu überlegen, ob die Veranstaltung aus Gründen der besseren Erreichbarkeit woanders stattfinden sollte als in den letzten Jahren.

Wie bekommen Sie bei den Skeptikern einen Fuß in die Tür?
Rülicke: Das ist natürlich nicht leicht. Wir setzen deshalb bei Firmen an, bei denen Nachhaltigkeit bereits ein Thema im Hause ist oder wie in der  Gesundheitsbranche oder im Bankensektor aufgrund der Branche nicht mehr unumgänglich ist.

Wie definieren Sie nachhaltige Events?
Hassler: Nachhaltige Events werden häufig auch als Green Events bezeichnet. Green bedient natürlich sehr stark die ökologische Schiene, eigentlich müsste es aber sustainable Events heißen, also die drei Säulen der Nachhaltigkeit integriert.  Bei dieser Art der Eventplanung kommen die Prinzipien Vermeiden, Reduzieren, Kompensieren zum Tragen, um nicht nur möglichst klimafreundlich und Ressourcen schonend vorzugehen, sondern beispielsweise Dienstleister und Beschaffungsmanagement bevorzugt regional abzudecken.  Dennoch bedeuten „nachhaltige Events“ nicht grundsätzlich Verzicht. Hier geht es vielmehr um die Chance etablierte Eventformate aus einem modernen Blickwinkel zu betrachten und auf der Basis bestehender Gegebenheiten kreative und zeitgemäße Lösungen dem Kunden anzubieten.

Kann das bedeuten: Nur noch ein Rohkost statt Fünf-Gänge-Menü?
Rülicke: Die Weihnachtszeit ist mit bestimmten Dingen verbunden, die man nicht missen möchte.  Aber auch da geht es darum umzudenken:  Was ist machbar, was ist umsetzbar? Statt des Erdbeerbechers können Spätäpfel oder eingelegtes Obst auf den Tisch kommen. Bionudeln und Kartoffeln sind immer verfügbar. Es gibt immer Alternativen.

Reduzieren lassen sich CO2-Emissionen auch stark im Bereich Mobilität. Mobilität ist der Anker, wo es das Prinzip der kurzen Wege umzusetzen gilt um die CO2-Emissionen möglichst gering zu halten und kompensieren zu können. Die Veranstaltung für alle Teilnehmer gut erreichbar zu machen und die Distanz zwischen Hotel und Veranstaltungsort möglichst gering zu halten ist das A&O in der Eventplanung.

Wie binden Sie denn die Teilnehmer ein?
Hassler: Wir binden die Teilnehmer kommunikativ bereits ab dem Einladungsprocedere ein oder geben in Form einer Event-App Impulse, wie er am besten – sprich mit möglichst geringen CO2-Emissionen – zur Veranstaltung gelangt. Hier arbeiten wir mit Kompensations-unternehmen wie atmosfair oder myclimate zusammen. Zu Beginn einer Veranstaltung erheben wir Angaben, die für die Klimabilanz entscheidend sind. Von wo und wie ist ein Teilnehmer angereist? Übernachtet er in einem Drei-, Vier- oder Fünf-Sterne-Hotel? Fünf-Sterne-Häuser sind im Durchschnitt größere Energie- und Wasserverbraucher sowie CO2 Produzenten. Die aufbereiteten Kompensationsdaten werden den Teilnehmern am Ende der Veranstaltung vorgestellt, um in Erinnerung zu rufen, dass sie Teil des Prozesses sind. Entweder wird die Urkunde mit Zertifikat an das Danksagungsschreiben angehängt oder auf die Homepage gestellt. So wird der Impuls weitergegeben, jeder ist von Anfang bis Ende eingebunden.

Mal am Beispiel Weihnachten – lässt sich der immer 1:1 umsetzen?
Hassler: Es gibt natürlich Grenzen: Wenn Sie privat zuhause Weihnachten feiern, sind bestimmte Dinge bereits gesetzt. Nutzen Sie Ökostrom? Trennen Sie Müll? Wie gehen Sie mit Wasser um? Können Sie mit dem ÖPNV erreicht werden? Viele Dinge sind nicht mehr wählbar. Sie werden für eine einzige Feier nicht auf Ökostrom umstellen –  es handelt sich also um eine persönliche Grundsatzeinstellung. Aber Sie können klein anfangen und Ihre Gäste beispielsweise bitten, zum Fest öffentlich anzureisen. Oder mal ein leckeres, vegetarisches Weihnachtsmenü anbieten. Und dabei gezielter die Mengen planen – „unnötige“ Leftovers vermeiden, die auf den Tisch kommen. Auch eine gemeinsame Kompensation der Weihnachtsfeier mit Freunden in den eigenen vier Wänden wäre eine kreative Alternative zum üblichen Geschenkerausch.

Rülicke: Der Verzicht auf Weihnachtsgeschenke ist ein gutes Beispiel. Auf der Business-Seite kann als Alternative zu Kundenweihnachtsgeschenken und -karten ein Unternehmen für einen guten Zweck spenden. Statt einer klassischen Weihnachtsfeier lässt sich eine gemeinsame Corporate Volunteering-Aktion organisieren, wie zum Beispiel die Teilnahme an Projekten der Stiftung Gute-Tat.de. Da können sich Firmen und Privatpersonen informieren, wie und wo sie helfen können. Ansatzpunkte gibt es wirklich immer.

Haben Sie Beispiele dafür, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sich unterstützen?
Rülicke: Wenn  man die Grundsätze Vermeiden, Reduzieren, Kompensieren immer wieder durchexerziert, ist Nachhaltigkeit kein Kostentreiber, ganz im Gegenteil. Ein Beispiel  ist die Produktion von Broschüren nur für ein einzelnes Event. Allein der Arbeitsprozess, bis eine Broschüre gedruckt ist, verursacht unglaubliche Kosten. Weitere Beispiele, die sich rechnen: Umstellung auf elektronischen Einladungsversand und Registrierung, geringere Reisedistanzen durch gezielte Auswahl des Veranstaltungsortes bzw. Auswahl von Veranstaltungsorten, die über entsprechendes Equipment verfügen und nicht erst noch aufwendig ausgestattet und „aufgehübscht“ werden müssen.  So gibt es viele Punkte, bei denen sich – nachhaltig umgesetzt – Einsparungen ergeben.

Und wo geht die Reise in Zukunft hin?
Hassler: Rechnen wir derzeit, dass ein Eventteilnehmer bei einem klassischen Event im Durchschnitt 3,5 Kilo Müll produziert, dann ist klar, dass die Eventbranche ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten muss. Deshalb ist unsere Vision: In 2020 werden nachhaltig ausgerichtete Veranstaltungen Standard sein. Um das 2020-Ziel erreichen zu können, muss zukünftig noch viel stärker proaktive Kommunikation und Lobbyarbeit betrieben werden von Seiten der Eventwirtschaft, des Event-Ausbildungssektors, von Seiten der Politik oder der führenden Veranstaltungsverbände. Allein im Event-Ausbildungssektor sollte beispielsweise nachhaltige Veranstaltungsorganisation ein Pflichtteil in der Ausbildung von Veranstaltungsmanagern, -technikern, -kaufleuten werden. Wäre das geschafft, würde die klassische Veranstaltung die Ausnahme werde.

Vielen Dank für das Gespräch!

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