Vision autofrei: In München herrscht immer noch dicke Luft

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München mieft und das schon lange. Wer sich entscheidet, in München zu leben, zahlt dafür einen hohen Preis und geht ein hohes gesundheitliches Risiko ein. Die Schadstoffbelastung der innerstädtischen Luft ist seit Jahren bereits alarmierend und hat aktuell schon mehr als 4000 Menschen das Leben gekostet, laut Studien.

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Foto: Simone Reitmeier

 

Marsch der Toten in der Münchner Innenstadt

Der Verein Green City bemüht sich bereits seit seiner Entstehung 1990 für ein Umdenken der Stadtpolitik hin zu mehr Aufmerksamkeit für Umweltschutz-Themen in der städtischen Agenda und warnt vor den gravierenden Folgen für Bürgerinnen und Bürger. Im Protest-Marsch „Minga de los Muertos“ am vergangenen Donnerstag, veranstaltet vom „Bündnis für Sauber Luft in München“, ADFC München, den Grünen München und dem Klimaherbst e.V., wurden die zahlreichen Opfer beklagt und die Stadt erneut an den Pranger gestellt. Und es muss endlich etwas passieren.

Green City veranstaltete den Totenumzug bewusst am 29. Juni, da die Regierung von Oberbayern gemeinsam mit der Stadt die aktuellen Stickstoff-Daten der städtischen Messungen offen legen wollte. Dieser Pflicht ist man jedoch nicht nachgekommen und hat die Veröffentlichung der Werte und eines Maßnahmenkataloges auf Mitte Juli vertagt. Genügend Einsatz der Stadt und eine erkennbare Trendwende lassen immer noch auf sich warten.

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Foto: Simone Reiter

 

Diskutiert wird viel, aber zu wenig gehandelt

Seit Jahren sind die vom Bayrischen Landesamt für Umweltschutz erhobenen Zahlen und Statistiken der Luftbelastung in München alarmierend. Ungeachtet dessen haben laufende Diskussionen zwischen Umweltaktivisten wie Green City mit ihrer Kampagne #MucOhneMief oder der Bürerinitiative „Sauba Sog I“ und der Stadt bislang aber nicht das erreichen können, was es für einen nachhaltigen Wandel braucht.

 

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Mittlerer Ring, Landshuter, Allee oder Stachus – sie alle sind tägliche Gefahrenquellen, wenn man sich in der Stadt bewegt. Die hohe Schadstoffbelastung ist eine akute Gefahr für die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System, besonders Kinder und Kranke sind akut gefährdet. Vergleicht man die innerstädtischen Stickstoff-Werte mit denen ländlicheren Stadtrand-Gebieten, werden die Ausmaße des hohen Verkehrsaufkommens in der Innenstadt sichtbar. Für die Stadt sollte die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger an erster Stelle stehen.

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Der Mief der Stadt

Leider sind trotz Baustellendichte und Parkplatznot nur wenige dazu bereit, auf ihre Auto zu verzichten. Da heißt es Statussymbol Auto leider nach wie vor. Um Münchner Bürger zu erreichen und das Problem der hohen innerstädtischen Feinstaubbelastung zu kommunizieren hat Green City e.V. die Kampagne #MucOhneMief ins Leben gerufen. An verschiedenen Stellen in der Stadt wurde vergangenes Jahr mit der Unterstützung der Ludwig-Bölkow-Stiftung und tatkräftigen Münchner Bürgerinnen und Bürger die tägliche Schadstoffbelastung gemessen, ausgewertet und mit den EU-Grenzwerten verglichen. Die Ergebnisse werden in einer interaktiven Karte der Stadt präsentiert.

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Die 2010 beschlossenen Grenzwerte werden jedes Jahr erneut überschritten. Im Jahr 2015 waren die Werte viel befahrener Straßen in München mit 84 Mikrogramm pro Kubikmeter sogar doppelt so hoch wie eigentlich erlaubt. München braucht eine (grüne) Zukunft: Raus mit den PKWs aus der Stadt, um den öffentlichen Raum für die Bevölkerung wieder lebenswert zu machen.
Neue Hoffnung macht Oberbürgermeister Dieter Reiter: Er selbst hat den Anstoß für ein eventuelles Fahrverbot von Dieselmotoren angestoßen. Bei einem Beschluss allein darf es allerdings nicht bleiben. Vorübergehende, direkte Maßnahmen wie Tempolimits oder eingeschränkte Fahrverbote sind erste Ansätze, aber keine Lösung auf Dauer.

 

Infografik Luftverschmutzung München

 

Wie lange will man noch warten?

Die im Januar beschlossene Verkehrswende bis 2025 ist zwar ein erster Erfolg und bekräftigendes Zeichen dafür, dass sich Druck und Hartnäckigkeit für die richtige Sache auszahlen, doch kann ein Versprechen allein die Aktivisten nicht beruhigen.
Für das zukünftige Ziel 80 Prozent der Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus, Bahn oder Ressourcen schonenden Elektroautos zurückzulegen, wünscht man sich nun auch konkrete Maßnahmen und Beschlüsse. Die Aktivisten werden des Einsatzes nicht müde, wieder und wieder Ideen und Impulse zu liefern. Von der Vision einer autofreien Stadt kann man bislang allerdings nur träumen.

Fotos: Green City e.V., BR, Flo Karr via Unsplash

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