Von Jägern, Sammlern und Teigwäschern: Seitan selbstgemacht


Einst waren da die Jäger, und die Sammler. Oder sollte ich doch sagen, die Sammlerinnen? Denn irgendwo in meinem Urgedächtnis spricht eine kleine Stimme dafür, dass es doch wohl eher die „Er’s“ gewesen sein müssen , die als allererste das Fleisch auf unsere Tische gebracht haben müssen.

Und während genau diese Herren der Schöpfung tagelang auf Jagdzug waren, haben sich doch wohl die weiblichen Neandertalerinnen mit dem Sammeln und Abnagen von Wurzeln, Kraut und Blättchen zufrieden geben müssen – so lange zumindest, bis die letzte, schon ageknabberte Mammutkeule dann doch den Weg zurück zum Lager fand und auch die Damen am Schmaus teilhaben konnten.

Wieso ich da – ganz unwissenschaftlich- so überzeugt davon bin? Weil die Geschichte doch heute auch nicht viel anders aussieht: sobald wir den Fuß in den Supermarkt setzen, hat sich mein Er nämlich schon längst in Richtung Fleischtheke gestürzt, um dort in einem einzigen Raubzug und mit bloßen Händen das Kühlregal auszuplündern. Und wenn er dann wieder auftaucht, einen halben toten Bauerhof in den Armen haltend, bin ich noch längst nicht damit fertig, zwischen den Obst- und Gemüsesorten die allerhübschesten auszuerwählen und damit liebevoll verträumt mein Körbchen zu befüllen.

Die Versuche, Herrn Neandertal vom Fleisch abzulenken waren endlose: Nudel- und Risottogerichte ohne Ende, liebevoll selbstgemachter Käse, sogar ein Schnitzel, in seinem Unwissen aus Selleriescheiben zubereitet und trickvoll im Burgerbrötchen getarnt.

Mein letzter Versuch war allerdings wirklich eien Heldentat: Seitan heißt der geheimnisvolle Fleischersatz, der für relativ hohe Preise im Bio- und Feinkostladen verkauft wird – letztendlich aber ganz einfach aus Mehl zu machen ist.

Wie das wohl geht? Erzähl‘ ich euch hier!

Ihr braucht ganz normales, weißes Mehl, Wasser, und etwas Zeit. Sonst erstmal nichts.

Aus einem Kilo Mehl werden etwa 250 Gramm Seitan – also rechnet mal aus, wieviel ihr benutzen wollt. Auf jedes Kilo Mehl kommen ungefähr 750 ml Wasser, dann wird fleißig geknetetet, bis ein fester Teig entsteht. Und wo ist da der Seitan, werdet ihr fragen?

Seitan ist genau das, was übrigt bleibt, wenn man Mehl „auswäscht“: die Stärke fließt nach und nach hinaus, zurück bleibt nur das sogenannte „Weizeneiweiß“ – auch bekannt als Seitan.

Also: Teigballen in ein Sieb legen, das Waschbecken mit lauwarmem Wasser füllen, den Teig reinlegen und eine Stunde lang baden lassen.

Nach einer Stunde werdet ihr sehen, dass das Wasser ganz weiß und trüb geworden ist: die erste Stärke ist schon ausgetreten. Jetzt muss man den Rest herauskneten. Das geht ganz einfach, indem man den Teigbatzen im Wasserbad knetet. Genauso wie ein Kleidungsstück, dass ihr gerade wäscht- es fühlt sich nur lustiger und glibbriger an. Dabei das Wasser immer wieder auswechseln, am Besten warmes und kaltes Wasser abwechseln, dann kann sich der Teig immer wieder auseinansder- und zusammenziehen, und immer schön im Sieb bleiben – sonst spült noch alles weg.

Wenn das ausgespülte Wasser klar bleibt (das dauert ungefährt eine halbe Stunde, aber es fühlt sich so lustig an, dass die gleich vorbei ist) den Teig noch ein letzes Mal kräftig audrücken und dann noch einmal eine Stunde lang im Bad lassen – diesmal in kaltem Wasser, so wird er wieder fest.

Nach dieser Stunde wird unser Teig aus dem Wasser geholt. Er ist inzwischen viel kleiner geworden, und fühlt sich ganz knatschig und zäh an, wie eine Art „Riesenkaugummi“.

Diesen Riesenkaugummi rubbelt man so gut wie möglich trocken (Achtung! Anklebgefahr!)…

… und lässt ihn in einem Sieb noch ein paar Stunden lang austropfen. Am Besten einen halben bis ganzen Tag, einfach im Sieb liegen lassen und austropfen lassen.

Dieser Teig ist nun unser roher Seitan. Der schmeckt so wie er ist ziemlich neutral und muss erst mal gekocht werden, um weiterverarbeitet zu werden.

Dazu macht man eine Brühe, die am besten ziemlich würzig sein sollte, um dem Seitan seinen Geschmack zu geben. Ich hab einfach Zwiebeln und Knoblauch kurz in Öl angebraten, dann mit Wasser abgelöscht und dieses mit Gemüsebrühe, Karotten, Sellerie, einem Stück Ingwer, verschiedenen Gewürzen und einem ordentlichen Schuss Sojasoße zur Brühe aufgekocht.

In dieser Brühe lassen wir nun den Seitan kochen – einfach vom Teigbatzen einige Portionen abreissen und in die Brühe legen. Wenn sie oben schwimmen, sind sie gar. Dauert etwa 20 Minuten.

Das, was da jetzt rauskommt, ist unser „Seitanfleisch“, und das behandelt man nun genauso wie ein „normales“ Stück Fleisch, indem man es brät, schnetzelt, aufspießt, paniert oder Bolognesesoße drausmacht.

Bei uns gab’s das als Spieß, in Soyasoße angebraten und mit Salat udn Erdnusssauce serviert.

Ich korrigiere: der Herr am Tisch musste natürlich einen ordentlichen Fleisch-kick simulieren und hat sich seinen Seitankloß der Länge nach aufgeschlitzt, scheibenweise paniert und als Schnitzel im Burgerbrot verspeist – und es war so schnell weg, dass es davon kein Foto gibt.

Fotos: Viviana D’Angelo

 

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