Wie alles begann: Ein Interview mit Nico Döring

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Ohne den Kies auf seinem Radlweg, wäre der Stein vielleicht nie ins Rollen gekommen für ein Projekt, mit dem München heute weltweit Vorreiter ist: die Isarrenaturierung. Jetzt wurden Nico Dörings Leistungen bei der Umwelt-Akademie zum Thema Gewässerschutz als Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet. Das haben wir zum Anlass genommen, um uns mit dem Zoologen und Botaniker zusammenzusetzen – ein Gespräch über 20 Jahre  intensives Auseinandersetzen mit der Münchner Lebensader und aktuelle Isarthemen.

 

Die Umwelt-Akademie wurde als Projekt der UN-Dekade ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch! Das macht uns neugierig: Welche Potenziale kann München nutzen?

Die Münchner nutzen schon intensiv die neue Isar, so wie sie seit den letzten Jahren als wiederbelebte Lebensader pulsiert und zugänglich ist. An nächtlichen Hinterlassenschaften wie Müll und Glasscherben erkenne ich, daß manche Nutzer noch nicht gelernt haben, sich selbst, Ihre Umwelt und damit die neue Isar wert zu schätzen.

Bis 1900 war die Isar die Münchner Lebensader und im Zentrum vieler städtischen Aktivitäten des täglichen Lebens, des Handels und des Handwerks. Danach bis Ende der 1990 er Jahre war sie nahezu völlig unzugänglich – Ausnahmen am Flaucher, Kabelsteg – und regelrecht abgeschnitten durch Kanalisierung, Steine, gefährliche Böschungen runter zum reißenden Kanal, mit Blocksteinschüttungen und dichtem Buschsaum, der zusätzlich an den Kanalböschungen aufwuchs. So unzugänglich, wie sie es noch heute in vielen Bereichen zum Beispiel zur Kleinen Isar am Vater-Rhein-Brunnen ist. Die Leute sind gar nicht hingekommen bis zur Isar und haben sie gar nicht mehr als echten Fluss gesehen und erlebt. Nur wenige hatten eine Vision und noch weniger konnten sich vorstellen, wie das zu ändern wäre, wenn sie dafür einstehen. Ja, so hatten die Münchner nach 1900 auch ihre emotionale Verbindung zu ihrer Münchner Lebensader verloren, die Isar war wie verzaubert im Dornröschenschlaf und die Menschen mit ihr. Jetzt können die Menschen wieder an einigen Bereichen hin – ein bißchen führe ich gleich aus – und man sagt: „Wow, toll München blüht auf, super.“ Jetzt entdeckten sie wieder, wie sich am und im Fluß sein anfühlt . Es ist auch richtig; alle Anerkennung für das, was bisher auf den Weg gebracht wurde. Die Isar als Kanal hatte vor der Renaturierung in München eine Qualität von vielleicht 4 %, ich meine den Fluss selbst mit dem Leben im Wasser und den damals gar nicht vorhandenen Kiesinseln, Nebenarmen, Gumpen, Altwässern, und Kiesufern . Die Isar war nahezu durchgehend kanalisiert, und alle paar hundert Meter durch eine Sohlschwelle, ein kleines Wehr in einzelne Becken unterteilt. sie hatte kaum Wasser, da nahezu alles im Kanal durch die Turbinen floss. Die Fische waren nicht ganz auf dem Trockenen aber auf das Restgerinne beengt und regelrecht eingesperrt. Sie hatten weder Flachwasserzonen noch Einstände, noch konnten sie beispielsweise bei Hochwasser in beruhigte Zonen wie die Einläufe der Stadtbäche ausweichen.

Die ersten Schritte sind die aller mühsamsten, da ein Richtungswechsel nicht von alleine geht: Und wir brauchten an der Isar einen Schritt gleichzeitig an verschiedenen Baustellen mit verschiedenen Zuständigkeiten und verschiedenen Aufgabenstellungen : mehr Wasser, natürliche Uferstrukturen bessere Hochwassersicherheit und bessere Wasserqualität. Das waren besondere Herausforderungen, die im Gegenzug eine besondere Chance bargen. Und das bei einem übermächtigen Gegenspieler, den Stromkonzernen, die im Hintergrund vieles und das auch erfolgreich unternahmen, um die ganze Bewegung im Keim zu ersticken und abzuwürgen.

Die Herausforderung liegt in der Interdisziplinarität, der Dialogbereitschaft und der Teamfähigkeit der Beteiligten und in der abgestimmten Zusammenarbeit möglichst aller Seiten. Dafür gründeten wir die Isar-Allianz.

Da hieß es alte eingefahrene Pfade zu verlassen Vision und Pioniergeist zulassen, miteinander reden, alte so „eingefahrene“ Dauerzwistigkeiten wie zwischen Vogelschützern Jägern und Fischern zurückzustellen, Menschen für das neue gewinnen und Neuland betreten. Und es war toll, wie viele gerne mitmachten, sich meldeten und ihre Möglichkeiten mitzumachen, anboten. Und dies war wie ein neugeboren werden. Alle Kräfte erfordernd aber wunderbar es miterleben zu dürfen. Jetzt hat die Isar hier in München eine Flussqualität von schätzungsweise 30 bis 40 % ( der möglichen Isar typischen Natur in München) Es ist großartig, es war ein Pionierprojekt von Interesse für die Welt. Dabei sind wir sowohl in, als auch südlich und nördlich von München eben erst ei 40 % des Machbaren und damit bei weitem nicht am Ende der Möglichkeiten. Stellen sie sich vor, die Isar  kommt mit einer Wasserqualität von 1 aus dem Gebirge, in München haben wir schon Wasserqualität 2. Also ich habe innerhalb von fünfzig Kilometern eine Qualitätsstufe verloren. Und nach München wird es mit den Münchner Einleitungen wieder schlechter. Also: warum verlieren wir auf wenigen Kilometern zwischen den Bergen und München eine Qualitätsstufe? Wo sind wir denn? Ist das schon vorbildlich, wie können wir die Isar für uns selbst und die vielen Unterlieger und für die Natur weiter verbessern? Wo ist unsere Verantwortlichkeit für das, was wir lieben?

Und warum verlieren wir sie?

Wir verlieren sie, weil die Kläranlagen nach 99-prozentiger Reinigung – und das ist spitze – eine Wasserqualität einleiten, die dem Fluss nach wie vor zu dreckig ist; weil andere diffuse Einleitungen kommen, die dem Fluss auch verschmutzen. Jeder kann es an den glitschigen braunen Steinen verursacht durch Algenwachstum im Wasser erkennen. . In den Bergen bleiben die Steine nahezu hell und weiß. Anstatt das weitestgehend gereinigte Abwasser direkt einzuleiten, könnte es in seitlichen Auwäldern mit ihrem großen Wurzelkörper oder an den Dämmen nachgereinigt werden. Die Vegetation würde danken und die Stoffe, welche die Kläranlagen nicht abbauen können, wie auch Bakterien und den restlichen Dünger rausfiltern. Und die Isar würde belebtes Wasser in Trinkwasserqualität zurückbekommen. Und wir verlieren die Wasserqualität, weil auch außerhalb von München noch viel zu viel Isar und Seitenbäche noch immer kanalisiert sind und so die natürlichen Lebensräume, nach welchen sich auch die Menschen mittlerweile so sehr sehnen, Mangelware sind.

War die Isarplanung eigentlich anders vorgesehen?

Ja,. Man 1995 sollte die Isar eigentlich gar nicht renaturiert werden, sondern München über Erhöhung der Dämme hochwassersicher werden  und alles so bleiben, wie es war. 1992 hatte das Landesamt für Wasserwirtschaft eine Studie zur Hochwassersicherheit in München angefertigt, mit dem Ergebnis: Entweder Dämme bauen oder das Flußbett mit den Wiesen abzusenken um das Hochwaser durch zu bekommen oder beides. München wollte seine Hochwasserwiesen erhalten, so daß eine Aufweitung am Fluß, wie sie im zweiten Anlauf doch erfolgte, erst einmal vom Tisch war. „Okay, hieß es beim QWasserwirtschaftsamt: wenn Stadt München als Hausherrin keine Renaturierung will, dann können wir nur die Dämme höher bauen und so blieb dem staatlichen Wasserwirtschaftsamt eben nur die Variante mit höheren Dämmen und über besonders gefährdete Strecken mit zusätzlichen Mauern oben drauf. Das Wasserwirtschaftsamt machte die Pläne fertig, um alle Dämme auf ein neues Hochwasserniveau zu erhöhen, und die Arbeiten begannen.

Das habe das zufällig gesehen, 1995 haben sie schon damit angefangen die Radlwege entlang der Wittelsbacherstraße  um 30 cm als neue Dammkrone zu erhöhen. Ich bin dort täglich geradelt, von Zuhause in die Arbeit. Und das war natürlich seltsam: Die reißen den Radweg ab und dann machen sie ein bisschen Kies hin und teeren sie wieder etwas höher drüber. Das habe ich nicht verstanden, so hatte ich die Arbeiter angesprochen: „Könnt ihr mir erklären, was ihr da macht?“ Da haben sie nur rumgedruckst, und gesagt: „Na, gehen sie mal zum Chef vom Wirtschaftswasseramt, der kann das vielleicht erklären.“

Damals war ich Koordinator der bewährten Isarallianz. Der erste Bescheid zur Renaturierung der Isar im Mühltal südlich von München mit mehr Restwasser im Fluss neben dem Kraftwerkskanal  war soeben nach heftigem Tauziehen durch. Die Isar Allianz  war damals eine hochmotivierte interdisziplinäre Truppe, wir standen im ständigen Austausch für gemeinsame Aktionen und waren verbunden durch eine gemeinsame Vision. Zusammen mit dem Franz Maier (Bauspezialist) vom Bund Naturschutz Tölz und Fritz Huber, dem Vizepräsident vom Landesfischereiverband, gingen wir zu Herrn Haffner, dem damals neuen Chef vom Wasserwirtschaftsamt mit der Frage: „Erklären Sie uns doch mal, warum Sie das machen?“

Und so legte er uns die fertigen Plane für die neuen Dämme auf den Tisch. Warum nicht mehr Natur statt höherer Dämme war dazu unsere Frage. Die Antwort: „Ohne Stadt München können wir es nur so machen. Aber wenn Sie es erreichen, dass die Stadt einer naturnahen Lösung zustimmt, soll es an uns nicht scheitern.“ So haben wir uns ein Termin beim OB Ude geben lassen, das ging auch schnell. Und dann haben wir ganz höflich gebeten, ob man es nicht prüfen könnte, die Isar mit mehr Naturnähe Hochwasser sicher zu machen. . Es hat nachvollziehbare Gründe, warum die Stadt entgegen dem Stadtratsbeschluß aus den achtziger Jahren an der kanalisierten Isar im Innenstadtbereich festhielt. Doch das wäre eine weitere Geschichte. Und so kam ein zweiter Anlauf, eine neue Prüfung und der Schwenk zum neuen Isarplan;mit großer Unsicherheit der Verantwortlichen, dass der Stadtrat der neuen Beschlußvorlage – so allgemein sie auch gehalten war doch nicht zustimmen könnte. Ganz sacht formuliert und vage gehalten war die Beschlußvorlage. Die Zeit war damals erst an der Kippe dafür. Deswegen haben die Behörden gemeinsam bis 1998 also 3 Jahre den neuen Stadtratsbeschluß auf den Weg gebracht und vorbereitet. So ist die Beschlussvorlage Gott sei es gedankt durchgegangen und erst dann fingen Wasserwirtschaftsamt und Landeshauptstadt  mit dem neuen Isarplan wieder an –noch völlig unsicher: Wie kommt er denn bei der Öffentlichkeit überhaupt an? Wie weit trauen wir uns überhaupt?

Viele hielten das Ganze für gschpinnad (abwegig) Da haben alle Beteiligten gute Beiträge und Überzeugungsarbeit geleistet und die Leute mitgenommen. Im ersten Jahr gab es noch viele Proteste:  „Wie jetzt spinnts Ihr ja komplett“ und  „Ihr schmeißts des Geld zum Fenster naus.“ Das kann man sich jetzt gar nicht mehr vorstellen. Wir waren viel am Fluss, um die Menschen dorthin mitzunehmen und insbesondere mit Skeptikern zu reden, damit die Stimmung gegen eine Renaturierung nicht umkippt. Die ersten Arbeiten erfolgten nun ganz draußen an der Großhesseloher Brücke, quasi ein Testlauf der Akzeptanz.

Wenn man jetzt noch mal die Punkte an einer Hand abzählt… Wo sind Sie nicht so weit gekommen, wie Sie gerne wären?

An einer Hand? (überlegt)

  • Die Isar darf in keinem Bereich selbst innerhalb der Hochwasserdämme machen was sie natürlicher Weise würde und ist enger fixiert als nötig.
  • Die großen Auwälder ostseitig unterhalb vom Tierpark sind nicht zum Isar-plan abgetrennt geblieben, obwohl dort noch historische Flutrinnen vorhanden sind und die Dämme außen am Auwald richtiger liegen würden.
  • Im Stadtinnenbereich zwischen Brudermühlbrücke und Deutschen Museum ist die ganze Westseite ein einseitiger starrer versteinter, unzugänglicher Kanal geblieben. Sie ist dort noch nicht naturnah gestaltet worden etwas abgerückt von dem bestehenden alten Blocksteinufer mit dem Baumsaum zur Wittelsbacher- und Erhardstraße. Halb Kanal und halb Fluß ist die Isar weder Fisch noch Fleisch. So  kann sie nicht schwingen, wie es ihr und jedem natürlichem Wasser entspricht. Und diese Ufer fehlen nun den Menschen auf der Westseite. Sie wollen natürlich auch zur Isar vor ihrer Haustüre.

Jetzt steht man wieder am Scheideweg: man diskutiert darüber eine neue Fußgängerbrücke zu bauen anstatt die Isar auch altstadtseitig natürlicher fließen zu lassen, so wie es gemeinsam mit dem Mediator Dr. Frank Schmidt bei dem großen Mediationsverfahren zum Isarplan abgestimmt und beschlossen wurde. Und damit entwertet man die einzige neue Insel , die Weideninsel wieder. damit zerstört man beidseitig ein Stück Flussufer und die Weideninsel, ein kleines innerstädtisches Paradies, ein Sehnsuchtsort. Ob das der neue richtige Weg und Zugang zur Natur ist? Zerstören um dort hinzukommen wo man eigentlich die Isar erleben möchte?

Im Mediationsverfahren wurde beschlossen an der Westseite kleine Maßnahmen auf der ganzen Strecke durchzuführen; beginnend unterhalb der Braunauer Eisenbahnbrücke nach dem Rücklauf des Isarkanals, dort wo die Isar wieder nach dem Isarkraftwerk III sich vereinigt mit einer Kiesbank, so wie es dem natürlichen Fluß entspricht. Die Isar möchte und könnte das von selbst machen, wenn man ihr auf der gegenüber liegenden Seite etwas mehr Raum läßt. Der Raum hierfür ist da. So gelingt es am besten und am billigsten. Esentspricht dem natürlichen Fluß der Isar und sind somit nahezu pflegefrei weil sie sich mit jedem Hochwasser neu gestaltet. Planskizzen hierzu liegen der Stadt schon seit zehn Jahren vor undwarten auf ihre Umsetzung. Es fehlt noch die gemeinsame Schubkraft. Auf der Ostseite, dort wo die künftige Uferlinie wäre, steht als Markierung eine Steinskulptur mit den Wellen der Isar von dem Münchner Künstler Eike Salberg.

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Fortlaufend sind seitens Stadt und Wasserwirtschaftsamt an mehreren weiteren Stellen Buhnen in den Fluß zugesichert und noch ausstehend. Zur Zeit sind nachBaumaßnahmen Stellenweise nur rauhe Blocksteinschüttungen als Ufer und Böschung zur Wittelsbacherstraße und zur Erhardstraße. Da wäre es möglich ohne jeglichen Verlust am Baumbestand mit wenig Aufwand und schon vor der kommenden Saison etwas zu machen.

Zurück zur Gegenwart: Wie stehen Sie eigentlich dem neuen Isarlust Verein gegenüber?

Das ist eine starke Kraft mit dem Münchner Forum im Hintergrund. Ich bin überzeugt, es gibt mehr als genug Potenziale, für den Isarlust Verein, für Kioske, Cafés, die niemandem schaden. Und mit geeigneten Konzepten für Isarnutzung und Isarschutz könnten alle Nutzerparteien und auch die Isar wesentlich gewinnen. Es ist so viel Potential noch in Beton gegossen und frei für alle Aspekte, daß wir die Lebensqualität, die Isar entsprechende Natürlichkeit, die wir erreichen könnten noch bei weitem nicht erreicht haben. Ob, wann und wie das Münchner Forum beginnt alle „Bedürfnisse“ am Fluß an einen Tisch zu bekommen und den Weg in eine gemeinsame Zukunft mit einem lebendigen Fluß zu moderieren und ein Mediator für den Fluß zu werden?

Und wie bewerten sie die Stadtstrände, wie zum Beispiel der Isarstrand der Urbanauten – Fluch oder Segen?

Ich sehe das Thema Isarstrand grundsätzlich als Gewinn dort wo jetzt nur Beton und Steine sind und alles für alle besser wird. Ein Beispiel: Eine Brücke oberhalb vom Deutschen Museum ist ja der Isarstrand immer wieder auf dem Brückenbalkon gewesen. Ich sehe keinen ökologischen oder sozialen Schaden den der Isarstrand an dieser Stelle verursacht. Egal ob für Fluß, , Tier, Pflanze oder Anwohner… Wenn es schon keinen Schaden bereitet, dann freue ich mich, wenn Menschen sich dort wohlfühlen und auf ihre Weise die Natur erleben.

links

rechts

Links: Ungenutzter Seitenarm zum Isarkanal – kein geeigneter Lebensraum für Fisch und Mensch.

Rechts: Kanalauslauf – auf der anderen Seite der Isar steht die Steinskulptur von Eike Salberg.

 

Jetzt gehe ich noch mal eine Brücke weiter südlich. Dort wurden im Zuge des Isarplans die Fundamente des Brückenpfeilers mit einem großzügigen betonierten Steinwurf neu befestigt. Wie ein U-Boot, das halb aus der Isar rausragt, schaut es aus. Beton und Stein… Warum gestalte  ich also nicht auch dort einen Isarstrand, so dass die Menschen sein können, so dass keine wesentlichen Gefahren bestehen und dass wenn jemand reinfallen sollte, er wieder leicht raus kommt und nichts passiert. (lacht) Das ist ein Bereich, wo jetzt eh nur Beton und Stein ist, weder gefährdete Isar Heuschrecken noch kiesliebende Vögel noch zarte Pflänzlein sind dort auf dem U-Boot. Man hat genug Abstand von der Wohnbebauung,und es wäre ein super Platz für Menschen mitten drin, umströmt von der Isar. Also warum nicht?

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Balkon

Alter Urbanauten Balkon (oben) und neue Balkonstandorte  an südlichen Brücken.

 

Und was ist mit dem Vater-Rhein-Brunnen?

Da muß ich auf den Fluß selbst schauen. Dieser statische Isarkanal, der da zum Praterwehr führt… s ist ein betonierter Kanal. Keiner fühlt sich jetzt da wohl?. Für Fische, ist es schutzlos wie in einer Badewanne,  kein Einstand, kein sicherer Ort für Jungfische, keine Biodiversität. Es ist ökologisch ungenügend und der Mensch kann / darf auch nicht rein. Wem? Es ist eben aus der Zeit in der man Natur und Menschen trennen wollte, alles in Beton gießen und Monostrukturen aufbauen wollte und genügt so wie es ist weder der Natur noch dem Menschen.

Sehen Sie dann eher einen Renaturierungsbedarf anstatt einer Festveranstaltung?

Nein, ich sehe beides und es schließt sich nicht aus. Ich bin begeistert von Festveranstaltungen im passenden Maß zur passenden Zeit und gerade an der Natur zurück gegebenen Orten (lacht). Hiern sehe ich eine super Verknüpfungsmöglichkeit von mehr Natur mit Menschen. Beides hat auf der gleichen Fläche Platz, und entlastet jetzt überbelegte Isarstände. Und ich muß nicht einmal den Denkmalschutz außen vorlassen. Alle drei Sachen lassen sich auf diesem Fluß abschnitt am Vater Rheinbrunnen  für alle Seiten gewinnbringend umsetzen.

Also die Urbanauten am Vater-Rhein-Brunnen – da wären Sie gar nicht grundsätzlich dagegen, sofern sie sich anpassen?

Nein, grundsätzlich nicht. Aber anpassen ist nicht richtig ausgedrückt, weil das ganze System so schief ist. Ich möchte das System Fluss mit den Randflächen so optimieren, dass der Fluss gewinnt, dass die Flächen gewinnen und die Menschen es am Land und im Wasser ungefährdet benutzen können und so auch gewinnen. jetzt ist hier noch alles so schief und für jede Seite nur ungenügend. Wenn ein Auto ohne Räder. Wenn ein Auto keine Räder hat, dann könnten Menschen bequem drinsitzen, sie wären regengeschützt, hätten es warm, aber das Auto erfüllt seinen Zweck des Fahrens nicht. Auch die Isar hat viele Aspekte, die sich alle gleichzeitig zusammenfügen und für Menschen, Tiere und Pflanzen  „dienlich“ sein sollten.

Es gibt hier in München noch viele missgestaltete verkannte Orte und ungenutzte Potentiale, an der Isar und für Biodiversität in der ganzen Stadt. Wenn die Münchner diese als Chance erkennen und zusammen entwickeln, dann entsteht Reichtum und Fülle für alle, für die Münchner, und sogar für die Tier-und Pflanzenwelt, die sich mittlerweile in Städten schon wohler fühlt als in unseren Agrarsteppen.

Ist das nicht alles sehr teuer?

Nein, es ist sogar billiger! ja, billiger!

Aber die Isarrenaturierung war ja schon sehr teuer!?

Nein, Käse. Tut mir leid, dass ich das so direkt sage. Die Isar selbst kostete nur wenige Millionen. Den Löwenanteil verschlang der Neubau komplexer technischer Einrichtungen wie für Fernwärme, für das halte Heizkraftwerk an und insbesondere unter der Isar so wie aufwendige Arbeiten an den Dämmen.

Wieso sind ein paar Millionen Käse?

Da muss ich weiter ausholen. Warum sind selbst ein paar Millionen billig? Für die drei Tunnels am mittleren Ring haben wir eine halbe Milliarde oder mehr ausgegeben. An der Isar, wo am Wochenende bis zu 40.000 Leute ihren Lebensraum und Freizeittraum haben, wo wir Verkehr einsparen, weil die Leute hierbleiben und plötzlich sind ein paar Millionen viel. Das ist eine subjektive Bewertung, diese Zuordnung für viel oder wenig die bei einem Autotunnel ein anderes Maß anlegt als bei der Isar, die nahezu allen Menschen am Herzen liegt…

In Bezug auf die Kosten haben Sie bei der Auszeichnung im Rathaus ja auch gesagt: „Wir können es einfacher machen und wenn wir es einfach machen, dann ist es sogar billiger.“ Was meinten Sie damit?

Das ist ein heißes Thema, Nehmen Sie das konkrete Beispiel der Diskussion zur neuen Isarbrücke, einer Fußgängerbrücke südlich vom Deutschen Museum auf der Höhe der Wittelsbacher – Klenzestraße. Die Brücke kostet Millionen. Warum brauchen wir denn die Brücke? Damit die Leute von Wittelsbacherstraße auf der der Nord-Westseite, wo sie nicht an den Fluss kommen, auf die Süd-Ostseite an die Isar kommen. Wenn wir die Isar stattdessen auf der Nord-Westseite stellenweise zugänglich und erlebbar  machen – auch nur stellenweise und bescheiden, dann ist die neue Brücke überflüssig. mit einem Bruchteil des Geldes wäre die Isar entlang der Wittelsbacher Straße Natur entsprechender gestaltbar, die Fische wären glücklich, die Menschen kämen direkt zur Isar und man hätte ein teures neues technisches Bauwerk, das laufende Unterhaltskosten verschlingt und mit dem wieder ein Stück Fluss zerstört wird , eingespart. Aber noch denkt keiner so herum, die Zeit ist jetzt noch nicht reif.

Nehmen Sie das Beispiel der Brücke: Das ganze Thema Biodiversität verhält sich ebenso  nur wie ein feines Netzwerk über die ganze Stadt ausgebreitet. Zugelassene und kompetent unterstützte Biodiversität ist billiger, als eine nicht Natur entsprechende Pflege. Verkehrte Pflege so wie ich sie vielfach hier in München erlebe, läuft  dem Sinn und einer vielfältigen Nützlichkeit zuwider.

Hierzu auch ein Beispiel: Sehen sie die schmalen Heckenstreifen entlang der Trambahn zum Beispiel an der Linie 17 nördlich vom Hauptbahnhof. Der Erdboden unter den kleinen unglücklichen Heckensträuchern ist nackt, von Hand wird das „Unkraut“ sorgfältig entfernt: teurer und Natur widriger geht es kaum und teuer ist es dazu.

Würden hier heimische Blumen und Stauden wachsen, so wie sie es natürlicher Weise würden, jedes Jahr aufs Neue, in vielfältiger Mischung, an geeigneten Orten zusätzlich mit buntem Gartenblumen-Saatgut vermischt, wäre es bunt und lebendig, Es bräuchte weniger Pflege, wäre eine wunderbare Schmetterlings- und Bienenweide und würde den Straßenstaub besser schlucken. Die Blumenpracht wäre dabei schön für`s Auge und wohltuend fürs Gemüt.

Der Anstoß muss deswegen von Menschen mit Herz dafür kommen. Jeder Mensch hat ein Herz für die Natur, wenn er mehr hinspürt. Das ist der Weg für die Zukunft.

 

Übrigens: Am 18. 02. lädt die Umweltakademie ein zu einem Vortrag zu Biodiversität mit Lebensqualität  in der Stadt mit Lutz Kosak, einem Pionier in diesem Bereich für die Stadt Andernach. Infos folgen hier.

 

Fotos: Nico Döring

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