Das dickste Energiesparschwein

Nur wenn die Häuser in Deutschland Wärme effizient verbrauchen, ist die Energiewende zu schaffen. In den nächsten Jahrzehnten muss also millionenfach in neue Heizungen, neue Fenster und mehr Dämmung investiert werden. Die Kosten der energetischen Sanierung werden dabei oft als unrealistisch hoch dargestellt. Doch schon heute sanieren Hausbesitzer freiwillig mehr, als sie müssten. Selbst nach den Zahlen der Sanierungs-Kritiker lohnt sich das.

Ein Standpunkt von Klaus Franz,
Vorstandsvorsitzender des Gesamtverbandes Dämmstoffindustrie

Die Studie „Energetische Gebäudesanierung in Deutschland“ hat es mit angstmachenden Prognosen in die Schlagzeilen geschafft. Sollte Deutschland die Energiewende im Gebäudesektor tatsächlich anpacken und alle Häuser bis 2050 energetisch sanieren, würden die Kosten sich auf mindestens 1,7 Billionen Euro summieren. Armut und Hartz-IV-Empfänger seien die Folge, so Studienautor Professor Andreas Pfnür, denn irgendwo müsse das Geld ja herkommen. Mieter und Hausbesitzer seien quasi gleichermaßen überlastet.

Pfnür macht solche Aussagen nicht ganz ohne Eigeninteresse. Der Wissenschaftler arbeitet am Forschungszentrum Betriebliche Immobilienwirtschaft der TU Darmstadt. Diese Branche hat Probleme. In jüngster Zeit für ansteigende Mieten immer wieder kritisiert, fühlt sich die Immobilienwirtschaft von der Politik gegängelt und von den Medien verfolgt. Das Verbot von Luxussanierungen und Mietkappungsgrenzen sind nur zwei Stichworte.

Interessanter Zusammenhang zwischen Studienaussage und Auftraggeber

Und dann sind da ja noch Kosten der energetischen Gebäudesanierung, von denen die Gebäudebesitzer möglichst viel an die Mieter weitergeben wollen. Es stellt sich also die Frage: Soll der Schwarze Peter für hohe Mieten einfach der Energiewende zugeschoben werden? Damit die Mieter sich gegen die energetische Sanierung wenden, gegen die Energiewende ganz allgemein?

Auftraggeber für die Studie ist das Institut für Wärme und Oeltechnik. Dieses wiederum wird von den großen Mineralölunternehmen finanziert. Energetische Gebäudesanierung führt zur Einsparung von Heizkosten, weil weniger Heizöl oder -gas gebraucht wird. Die Energiewende im Gebäudesektor wird deshalb zu sinkenden Profitmargen bei den großen Mineralölunternehmen führen.

Ein Schelm, der jetzt einen Zusammenhang zwischen Studienaussage und Auftraggeber herstellt.

Manche heizen immer noch zum Fenster hinaus. Oder auch durch die Wände. (Foto: Handwerkskammer Leipzig)

Fehler Nummer eins der Studie: Es gibt in Deutschland keinen Zwang zur energetischen Gebäudesanierung. Die Vorstellung einer flächendeckenden Gebäudesanierung bis 2050 – koste es, was es wolle – ist also gar nicht zulässig. Ursprünglich wollte die Bundesregierung die Sanierungsrate verdoppeln, auf zwei Prozent des bundesdeutschen Gebäudebestandes pro Jahr. Wegen ihrer verfehlten Politik ist die Sanierungsrate aber zuletzt unter ein Prozent gesunken.

Fehler Nummer zwei: Die Kosten der energetischen Sanierung sind unrealistisch hoch dargestellt. Die regierungsnahe Deutsche Energie-Agentur (dena) bescheinigt der Studie, nur über die unter ungünstigsten Bedingungen berechneten Maximalkosten zu sprechen. Dabei verschweigt die Studie erstens, welche Kosten in den nächsten 40 Jahren ohnehin für Instandhaltung und Modernisierung anfallen werden. Zweitens findet sich keine Aussage, welche gravierenden Kostensteigerungen auf Mieter zukommen, falls nicht oder nur wenig saniert wird. Energiepreise steigen seit Jahren – dass sie irgendwann einmal fallen, ist unwahrscheinlich.

Der dritte Fehler: Kosten, die der Mieter spart, werden einfach weggelassen. Denn natürlich schlägt sich eingespartes Heizöl positiv auf der Kostenrechnung des Mieters nieder. Sprich, in der Studie wird ein Zukunftsszenario entworfen, dass so ganz gewiss nicht eintritt.

Angebot und Nachfrage bestimmen die Miethöhe
Die größte Ungenauigkeit der Studie ist jedoch die: Ausschlaggebend für die Mietpreisfindung ist nicht die Energiewende, sondern das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Der Markt bestimmt die Miethöhe. Dort, wo eine hohe Nachfrage, aber wenig Angebot herrscht, wie etwa in städtischen Ballungszentren, kann die Miete tatsächlich überdurchschnittlich hoch werden. Es werden sich immer wieder neue Mieter finden, die finanziell in der Lage sind, Wucherpreise zu zahlen. Im ländlichen Raum, bei geringer Nachfrage und großem Angebot, müssen die Mieten dagegen eher niedrig bleiben, damit überhaupt ein Mieter gefunden wird.

Und da kann eine gut gedämmte Wohnung ein Vermietungs-Vorteil sein. Ein großer Teil der Bauherren dämmt schon heute freiwillig mehr, als die Energieeinsparverordnung von 2009 vorschreibt, um Fördermittel zu bekommen. So sind zwei Drittel aller Neubauten und etwa die Hälfte aller Sanierungen derzeit besser als der gesetzlich geforderte Standard. Nutznießer sind die Mieter, die mehr im Portemonnaie haben.

Ein Gutes hat die Studie aber dennoch: Sie analysiert die durchschnittliche Eigenkapitalrendite von Vermietern bis ins Jahr 2050. Bei allen untersuchten Beispielgebäuden liegt sie zwischen 3,35 und 4,75 Prozent. Nicht Armut und Hartz-IV-Empfänger sind also die Folge, sondern „Reichtum durch Haussanierung“. Kein Sparkonto und keine Lebensversicherung werfen solche hohen Renditen ab. Eine sicherere Geldanlageform für die nächsten 40 Jahre als ein saniertes Haus gibt es demzufolge nicht. Das sanierte Haus wird zur profitabelsten Wertanlage. Zum dicksten Energiesparschwein.

Dieses Vorzeigeprojekt der Deutschen Energie-Agentur im Allgäu verbraucht nach der Sanierung 90 Prozent weniger Energie – dank neuer Dämmung, Verglasung, effizienter Heizung und Lüftung. (Foto: Dena)

Die Auswertung von rund 1,2 Millionen Gebäudedaten hat gezeigt: Im Vergleich zu unsanierten Altbauten sank der Heizenergieverbrauch bei voll sanierten Gebäuden um durchschnittlich 52 Prozent. Deshalb muss die nächste Bundesregierung endlich ran an geeignete Hebel. Wir brauchen eine energetische Gebäudesanierungs-Offensive. Erstens, um den Mietern die explodierenden Heizkosten zu halbieren. Zweitens, um den Eigentürmern der rund 15 Millionen Ein- und Mehrfamilienhäuser ihre Anlagenwerte zu erhalten.

Vor allem aber drittens, um kostengünstig das regierungsamtliche Ziel zu erreichen, bis zum Jahr 2050 insgesamt 80 Prozent der heute benutzten Energie für die Raumheizung einzusparen – und das Klima dadurch zu stabilisieren.


Klaus Franz ist Vorstandsvorsitzender des Gesamtverbandes Dämmstoffindustrie (GDI) und Senior Vice President beim Dämmstoffhersteller Rockwool.

photo credit Titelbild: Petra Bork / pixelio.de

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