Illustration: Tobias Mittmann/www.jugendfotos.de, CC-License(by-nc)
Die 4. Frage: Wer verhandelt in Kopenhagen? Was die Umbrella-Group zusammen schweist, wer die deutsche Delegation leitet, wie die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen nach Auswegen suchen und warum noch eine Menge Arbeit vor den Klimadiplomaten liegt.
Was ist eine Klimakonferenz? Seit wann gibt es sie? Wieso eigentlich? Und wie funktioniert diese? In zehn Folgen beantworten wir in Kooperation mit dem Online-Magazin “Wir Klimaretter” die 10 wichtigsten Fragen vor der große UNO-Klimakonferenz in Kopenhagen. Bei der Beantwortung haben wir auch an Lehrer gedacht, die unser Material hoffentlich für ihren Unterricht gebrauchen können.
4.000 Klimadiplomaten müssen die Drecksarbeit machen.
Üblicherweise reisen zu den jährlichen Klimagipfeln die Staatsoberhäupter und Fachminister erst in der zweiten Woche an. Die ersten Verhandlungstage gehören den Beamten. Für Deutschland sind das ein Ministerialdirigent und eine Abteilungsleiterin aus dem Bundesumweltministerium: Carsten Sach und Nicole Wilke. Sach ist 50 Jahre alt, Kopenhagen wird bereits seine zehnte Weltklimakonferenz sein.
„Ein Top-Diplomat, der in der Lage ist, auch schwere Brocken vom Verhandlungstisch zu bewegen“, beschreibt ein Schweizer Kollege den deutschen Chef-Verhandler. Ihm zur Seite steht Nicole Wilke, 46. eine studierte Ökonomin. Beide werden in Kopenhagen einen Stab von gut zwei Dutzend Juristen und Experten zur Verfügung haben, viel mehr als die meisten armen Länder. Insgesamt werden in den verschiedenen Arbeitsgruppen der Konferenz etwa 4.000 Klimadiplomaten versuchen, Unmengen von Detailfragen zu klären.
100 Seiten zu viel Text
Im Vorfeld waren im UN-Klimasekretariat in Bonn aus aller Welt Vorschläge und Wünsche für das neue Klimaabkommen eingelaufen. Bei der Vorbereitungskonferenz in Bangkok im Oktober gelang es immerhin, den Entwurfstext von mehr als 200 auf etwa 120 Seiten zu kürzen. Doch auch das ist noch viel zu viel: Die deutsche Übersetzung des Kyoto-Protokolls ist – inklusive Deckblatt und Präambel – gerade einmal 27 Seiten stark (hinzu kommen aber noch 13 Seiten Anhang).
Es bleibt also noch viel zu tun für Kopenhagen. Wenn die Arbeiten am Schlusstext ins Stocken geraten, werden die Vorsitzenden der jeweiligen Arbeitsgruppen, sogenannte „informals“, einberufen: Im ganz kleinen Kreis, also ohne Berater und Beobachter, wird dann hinter verschlossenen Türen ausgelotet, welche Formulierung preisgegeben oder in den Text eingefügt werden muss, um die Zustimmung eines Staates oder einer Staatengruppe zu gewinnen.
Gruppenbildung unterm Regenschirm
Zu diesen informellen Verhandlungen entsendet nicht mehr jeder Staat Delegierte, stattdessen haben sich die einzelnen Nationen zu Interessengruppen zusammengetan: Eine solche bilden die kleinen Inselstaaten, die als erste von einem Steigen der Meeresspiegel bedroht sind. Innerhalb der Entwicklungsländer (der Gruppe G 77) bilden die Afrikaner einen eigenen Block. In der sogenannten „Regenschirm-Gruppe“ (Umbrella Group) organisieren sich traditionelle Bremser-Länder wie Kanada, Australien, Russland, die Ukraine oder die USA. Eine Gruppe, die sich als unparteiischer Vermittler versteht, nennt sich „Ehrlichkeit“: Südkorea, Mexiko oder die Schweiz. Neben der EU bildeten die asiatische APEC-Staaten einen Block, Südamerika schließt sich im Mercosur zusammen. Und wenn es notwendig wird, finden sich kurzerhand neue Koalitionen: die USA und die Staaten der OPEC, wenn es um die Zukunft der Ölförderung geht. Brasilien, Indonesien, Papua-Neuguinea oder Peru, wenn der Schutz der tropischen Regenwälder verhandelt wird.
Wenn zu Beginn der heißen Phase in der zweiten Woche die Umweltminister – oder aus manchen Staaten die Energieminister – einfliegen, bekommen sie von ihren jeweiligen Beamten den bis dahin erreichten Verhandlungsstand vorgelegt. Nur sie oder noch höherrangige Politiker können das Abkommen letztlich auch unterzeichnen, denn nur sie sind legitimiert, für ihre Staaten zu sprechen (wobei dies bei einer Reihe von diktatorischen Staaten durchaus problematisch ist).
Nicole Wilke, die Verhandlungsführerin aus dem Bundesumweltministerium, sagt, sie könne gut verstehen, dass es in den Augen der Öffentlichkeit auf Klimakonferenzen viel zu langsam vorwärts gehe. „Nur leider kann ich nicht das Tempo der anderen Verhandlungspartner bestimmen.“ Und immer wieder, sagt sie, beobachte sie bei anderen Delegationen eine Position, die so klingt: „Ist schon dramatisch, was uns die Wissenschaft zur Zukunft des Weltklimas sagt, aber mein Land trifft es ja vielleicht doch nicht ganz so hart.“
FACEBOOK
TWITTER