Das Wort Nachhaltigkeit ist seit einiger Zeit in aller Munde und meint gemeinhin den langfristig betrachteten verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen. Erstmals wurde es in der Form im Jahr 1713 von Hans Carl von Carlowitz formuliert. Also sogar noch vor dem Anbruch der industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Doch was bedeutet das konkret und wie kommen hier Theorie und Praxis zusammen, vor allem in einer schier grenzenlos globalisierten Welt? Ist eine vollkommen ökologische, sowie ethisch saubere Produktionskette überhaupt möglich?
Deutschland gilt für viele als Aushängeschild einer prosperierenden Gesellschaft, die in einer globalisierten Welt politisch, wirtschaftlich sowie technologisch ganz vorne mitspielt. Besonders für Aussenstehende wirkt Deutschland oft nahezu wie ein wiederauferstandenes Xanadu. Doch während auch hierzulande eine eklatante Kluft zwischen Arm und Reich besteht, fußt der allgemeine Wohlstand weniger auf der eigenen Innovations- und merkantilistischen Schaffenskraft, sondern viel mehr auf dem Umstand, dass Lebensmittel, Kleidung oder Elektronikgüter in anderen Ländern unter prekären Konditionen hergestellt werden oder als Produkt einer prekären Wertschöpfungskette bei uns ankommen.
Prekär sowohl aus ökologischer, ökonomischer und ethisch-moralischer Sicht.
Ein Umstand, der wirklich jeden noch so kleinen Aspekt unseres Konsums betrifft und durchdringt. Das Wissen darum und die Empörung darüber bestehen seit vielen Jahrzehnten, doch erst in der letzten Dekade scheint ein flächendeckendes Verständnis unter Konsumenten und Herstellern entstanden zu sein, das Produktionsstrukturen hinterfragt und als nicht hinnehmbar erachtet. Aus Firmensicht wohl auch aus der puren Notwendigkeit heraus, seine Kunden nicht zu verlieren, welche, zumindest oberflächlich, immer mehr Wert auf nachhaltige Produktion legt und diese Anliegen entsprechend äußert. Dabei sind Unternehmen nicht nur aufgrund des Drucks der Konsumenten gefordert, nachhaltigere und vor allem verantwortungsvollere Lösungen zu finden. „Nachhaltigkeit beinhaltet gleichzeitig auch Effizienz und daran sollte jedem Unternehmer gelegen sein, der langfristig wettbewerbsfähig am Markt sein möchte.“, weiß auch Florian Jacob, Geschäftsführer der Print Royal GmbH mit der Marke Tassendruck.de, der seine Produktionshallen von Grund auf mit Fokus auf Energieeffizienz und Umweltschonung hat bauen lassen. Also gilt es, möglichst ressourcen- und energieeffiziente – und damit auch langfristig wirtschaftliche – Prozesse umzusetzen. Im Idealfall kommen hier Bedenken zur wirtschaftlichen Effizienz und Verantwortungsbewusstsein gegenüber Mensch und Umwelt zusammen. „Idealfall“ deshalb, weil diese Faktoren in ihrer Essenz einander gar nicht behindern oder gar ausschließen können, viel mehr einander bedingen sollten.
Tiefverwurzelte kapitalistische Strukturen
Doch da sind wir schon am Knackpunkt der Sache und in der leider unschönen Realität angekommen. Denn der Kapitalismus, der Manchester-Kapitalismus, wie wir ihn seit dem 18. Jahrhundert fortführen, funktioniert seit jeher nur unter der Prämisse, dass für die Wohlstandsmehrung weniger eine breite Schicht zur bloßen Arbeitskraft marginalisiert werden muss. Dies geht untrennbar einher mit der Absprechung der Menschlichkeit, denn nur so lässt sich dieser moralische blinde Fleck gesellschaftlich rechtfertigen. Unser Planet als Ressourcengeber rangiert dabei auf einer Ebene mit diesen marginalisierten Arbeitern. Raubbau, Abholzung und Rodung von Wäldern, Verklappung toxischer Abfallstoffe sind das Äquivalent zur Niedriglohnsklaverei, wie sie nicht nur in Drittweltländern, sondern zunehmend auch in großen Wirtschaftsnationen wie den USA oder eben auch Deutschland zur Normalität gehören. Herstellung, Transport und Verkauf bauen direkt auf diesem Grundpfeiler, der Maxime des unaufhörlichen Wachstums auf.
Unternehmen, die andere, nämlich nachhaltigere und menschen- und naturwürdigere Wege beschreiten möchten, sei es um die Wünsche ihrer Kunden zu bedienen oder aus eigener Überzeugung heraus, sehen sich einer Infrastruktur gegenüber, die ihren Ansätzen nahezu kaum Raum und Erfolg bietet. Vor allem die Rohstoffgewinnung als Ausgangspunkt jedweder Verarbeitungs- und Herstellungsprozesse gestaltet sich schwierig. Denn hier, mehr noch als bei jedem anderen Wertschöpfungsaspekt, ist die Lage mit Sicht auf die humanen sowie ökologischen Bedingungen katastrophal. Der Umstand, dass Ressourcen knapp bemessen sind, macht sie umso umkämpfter. Idealer Nährboden für Skrupellosigkeit und Brutalität, welche von der Unternehmensspitze sukzessiv hierarchisch nach unten weitergegeben werden. Umso mehr, wenn man sich bewusst macht, dass hier Subunternehmen hinter Subunternehmen agiert. Als verantwortungsbewusstes Unternehmen hier einen Fuß in die Tür zu bekommen und gleichzeitig die Einhaltung von Menschenrechten, von Arbeitnehmerrechten, Tariflohnzahlungen und ökologischer Standards zu gewährleisten, ist nahezu ein unmögliches Unterfangen. Besonders dann, wenn hier selbst staatliche Kontrollinstanzen nicht mehr greifen.
Das Smartphone als Epitom der Problematik
Als Beispiel kann man hier die Mobilfunkbranche nehmen. Unsere Smartphones sind wahre Rohhstofflager, mit knapp 60 verschiedenen Rohstoffen, davon allein etwa 30 unterschiedlichen Metallen wie Gold und Coltan. Den ungefähren Materialwert beispielsweise eines iPhone 7 bezifferten unabhängige Marktforscher mit 220 US-Dollar. Einen Großteil der Materialkosten entfallen auf die sogenannten seltenen Erden. Metalle, deren Gewinnung aufgrund der geringen Konzentration in den Erdschichten besonders aufwendig und kostenintensiv ist. Nicht umsonst gelten sie als das „Öl der Zukunft“. Der Abbau, beispielsweise in China oder Zentralafrika, ist ein Riesengeschäft mit katastrophalen Folgen für Mensch und Natur. Unternehmen wie FairPhone, die sich der ganzheitlich verantwortungsvollen Handyproduktion verschrieben haben, müssen sich die Kritik gefallen lassen, bei der Rohstoffgewinnung ebenso wie die Big Player der Branche Menschen- und Völkerrechtsverstöße in Kauf zu nehmen. Zwar werden hier vermehrt Kontrolleure in die Minen und Abbaugebiete geschickt, aber auch diese haben nur begrenzte Möglichkeiten, einzugreifen und sehen sich oftmals Bedrohungen und Repressionen seitens der Minenbetreiber ausgesetzt.
Angenommen, man würde hier praktikable Lösungen finden, bliebe die Transportfrage aber weiterhin bestehen. Denn ein Produkt kann noch so vorbildlich hergestellt sein: in dem Moment, wo dessen Komponenten zur Fertigung in die Fabriken und später das Endprodukt in die Läden und an den Kunden gebracht werden sollen, sind lange Transportwege mit entsprechenden Schadstoffemissionen unvermeidbar. Spätestens an diesem Punkt in der Wertschöpfungskette kann bisher maximal Schadensbegrenzung betrieben werden. Dem können Produzenten eigentlich nur mit dem Konzept der Regionalität begegnen, was unserem Verständnis von einer globalisierten Welt natürlich konträr läuft. Wie es sich heute darstellt, ist die komplett nachhaltige Produktion eines hehres Ziel, dem wir uns immer nur asymptotisch nähern können, das wir aber wohl in Gänze nie erreichen können.
Bild: Pixabay
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