Die Politik hat keine Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels. Jetzt müssen andere Akteure ran. Was sagt die Wirtschaft? Der Münchner Klimaherbst hat den Siemens-Vorstandschef der Geschäftseinheit Wind Power, Andreas Nauen, über die Zukunft der Erneuerbaren Energien befragt.
Die Offshore-Windfarm Lillgrund in Dänemark
Münchner Klimaherbst: Der Weltmarkt für Windenergie hat ein Volumen von 30 Milliarden Euro im Jahr. Wenn man ehrlich ist, sind das Peanuts. Weshalb sieht Siemens vor allem in der Windkraft so viel Potential? Warum geben Sie persönlich der Windkraft gegenüber der Wasser- und Solarenergie den Vorzug?
Andreas Nauen: Der Anteil der Erneuerbaren Energien außer Wasserkraft an der weltweiten Energieerzeugung wird von heute 3 Prozent auf 17 Prozent im Jahr 2030 steigen. Davon werden auf die Windenergie knapp über 50 Prozent entfallen, gefolgt von der Solarenergie mit 29 Prozent. Wertmäßig wird der Windenergiemarkt weltweit von heute 30 Milliarden Euro pro Jahr auf 86 Milliarden Euro jährlich im Zeitraum von 2015 bis 2019 und bis zu 216 Milliarden Euro pro Jahr im Zeitraum 2025 bis 2030 wachsen. Einen besonders starken Zuwachs erwarten wir in der Region Asien/Pazifik. Aber auch in Nordamerika und Europa wird der Markt deutlich zulegen. Für den Onshore-Markt erwarten wir im Zeitraum 2015 bis 2019 ein Marktpotenzial von durchschnittlich 56 Gigawatt pro Jahr, Offshore rechnen wir für denselben Zeitraum mit einem Markt von 5,1 Gigawatt pro Jahr. Der gesamte Windenergiemarkt weltweit wächst jährlich mit einer Rate von 12 Prozent. Und Siemens Wind Power wird deutlich schneller wachsen als der Markt. Unser Ziel ist es, bis 2012 einer der Top 3 Anbieter weltweit zu werden.
M.K.: Wie wichtig sind für Ihre Planungen und Investitionen gesetzlichen Vorgaben wie zum Beispiel das Erneuerbare-Energien-Gesetz?
A.N.: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich staatliche Förderprogramme positiv auf die Entwicklung der Industrie auswirken. Die Windenergie ist in den letzten Jahren deutlich wettbewerbsfähiger geworden. Vor 20 Jahren kostet 1 Megawatt an Windleistung an Land 3 Mio. Euro, jetzt belaufen sich die Kosten nur noch auf rund 1 Mio. Euro. Und diese Entwicklung wird sich weiter fortsetzen. Teilweise geht es jetzt schon ohne Unterstützung: Für einen Windpark in Neuseeland hat Siemens die Windturbinen geliefert, der seit Mai ohne Subventionen Strom erzeugt. Und Projekte in anderen Ländern sind auf dem besten Weg dahin, wie etwa in Brasilien und Mexiko.
M.K.: Gibt es Länder, in denen die Investitionsvoraussetzungen noch besser sind als in Deutschland?
A.N.:Grundsätzlich sind Investitionen in Erneuerbare Energien abhängig von der Wirtschaftlichkeit. Im Falle von Windparks sind die Windbedingungen am Standort entscheidend. Siemens hat beispielsweise eine Windturbine entwickelt, die auch an Standorten mit schwachen bis mittleren Windgeschwindigkeiten gute Erträge erzielen kann. Bereits wenige Monate nach der Produkteinführung im März 2009 hat sich die Windturbine bereits zum Bestseller entwickelt. Insgesamt konnten wir bereits mehr als 240 Maschinen an Kunden in den USA, Kanada, Neuseeland, in der Türkei und in Mexiko verkaufen.
Der Onshore-Windpark Farr in Schottland
M.K.: Sehen Sie technische Möglichkeiten, die Effizienz der Geräte in den nächsten Jahren zu erhöhen?
A.N.:Wir setzen auf technische Innovationen und wollen unsere technische Vorreiterrolle weiter ausbauen. Wir haben im vergangenen Geschäftsjahr neue Produkte in den Markt eingeführt, wie etwa eine neue Windturbine der 2,3-Megawatt-Klasse. Im Vergleich zur Variante mit einem Rotordurchmesser von 93 Metern kann die neue Maschine an Standorten mit moderaten Windverhältnissen den Ertrag um bis zu 10 Prozent erhöhen. Auch für Offshore-Windparks können wir nun eine Windturbine mit einer Leistung von 3,6 Megawatt und einem Rotordurchmesser von 120 Metern anbieten, die an einem typischen Offshore-Standort bis zu zehn Prozent mehr Strom im Vergleich zu unserer bisherigen 3,6-MW-Maschine produziert. Und wir arbeiten auch an neuen Konzepten wie etwa an einer getriebelosen Windturbine, deren Prototyp wir Anfang Dezember in Dänemark errichtet haben, oder auch unsere schwimmende Windturbine, die wir in Kooperation mit StatoilHydro entwickelt haben.
M.K.: Wie viel Geld muss man heute in die Hand nehmen, um ein Windrad wie den „Stern des Südens“ zu errichten?
A.N: Wie bereits vorher gesagt, haben sich die Kosten für Windenergie enorm reduziert: Vor 20 Jahren kostet 1 Megawatt an Windleistung an Land 3 Mio. Euro, jetzt belaufen sich die Kosten nur noch auf rund 1 Mio. Euro.
M.K.:Die Windstromerzeugung, gemessen in Terawattstunden, ist von 2007 bis 2008 mit 39,5 zu 40,4 nur marginal gewachsen. Wie stellt sich die Situation bei Siemens in diesem Zeitraum dar?
A.N: Unser Windgeschäft hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Seit der Übernahme der dänischen Bonus Energy im Jahr 2004 hat sich die Zahl der Mitarbeiter annähernd versiebenfacht, die Leistung der von uns ausgelieferten Windturbinen in Megawatt hat sich mehr als versechsfacht und den Umsatz konnten wir mehr als verzehnfachen! Wir können auf einen Rekordauftragsbestand von 6 Milliarden Euro bauen und wir sind zudem sehr profitabel unterwegs.
M.K.: In Ihrer Pressemitteilung heißt es: „ Die Aufgabe vor der wir stehen, ist Wachstum und Wohlstand in Einklang zu bringen, mit den Erfordernissen einer intakten Umwelt.“ Eine Frage an Sie persönlich: Glauben Sie, das Wachstum möglich ist, ohne Ressourcen zu verbrauchen?
A.N.: Umweltschutz ist eine Frage von Technologie, Innovation und wirtschaftlichem Erfolg. Das ist gutes, zukunftsweisendes Geschäft. Studien sagen voraus, dass der Umweltmarkt im Jahr 2020 weltweit 3000 Milliarden Euro groß sein wird. Siemens hierfür bietet Lösungen an. Jetzt schon vermeiden unsere Kunden dank unserer Technik 210 Millionen Tonnen CO2 im Jahr, das ist so viel wie der gesamte Ausstoß von New York, London, Tokio und Berlin zusammen.
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