Nicht erst seit gestern vertrete ich entschieden die These, dass Klimaschutz und ökologische Transformation der Wirtschaft nicht möglich sein werden, wenn wir nicht konsequent vom bisherigen Wachstumsbegriff Abstand nehmen. Auch bei den Grünen haben manche nach wie vor Angst vor einer solchen Debatte, denn eine Wirtschaft ohne Wachstum begrenzt auf den ersten Blick die Verteilungsspielräume massiv. Dies hat auch die eher zurückhaltende Diskussion auf der Bundesversammlung in Kiel im November zum Green New Deal gezeigt. In einem kritischen Redebeitrag habe ich dort aufgezeigt, dass wir Business as Usual mit noch so guten Konzepten ressourcenschonenden Wirtschaftens angesichts von Peak Oil als alleinige Lösungsstrategie schleunigst vergessen sollten. Die bayerischen Grünen hatten zur Ressourcenfrage auf ihrer Landesversammlung in Bad Windsheim einen umfassenden Beschluss gefasst. Nach wie vor sehr zu empfehlen ist hierzu der anschauliche Vortrag von Volker Plass, der auf die unvermeidliche Ressourcenkrise eingeht.
In diesem Zusammenhang störe ich mich seit längerem an der Verwendung des Begriffes “Grünes Wachstum”. Nicht weil ich gegen den Ausbau der Erneuerbaren Energien oder die Schaffung neuer klimafreundlicher Infrastrukturen bei Mobilität und Städtebau wäre. Nach über 200 Unternehmensbesuchen in den letzten drei Jahren habe ich auch ein gutes Verständnis dafür gekriegt, welche Potentiele sich in Mittelstand und Industrie speziell in Bayern vorfinden, um intelligente Lösungen und Produkte für die Energie- und Verkehrswende sowie Ressourcen schonendes Wirtschaften insgesamt auf den Weg zu bringen. Aber global betrachtet ist “grünes” oder “qualitatives” Wachstum unter den Rahmenbedingungen von steigenden CO2-Emissionen, Rebound-Effekt und Ressourcenknappheit im wesentlichen eine Schimäre. Und man muss auch nicht Tim Jacksons fundamentale makroökonomische Wachstumskritik gelesen haben, um einzusehen, dass unsere Probleme grundlegend sind.
Schauen wir nur mal in unser Land: 381 Mrd. Euro Zuwachs beim BIP zwischen 2000 und 2007 in Deutschland entsprechen exakt der Zunahme der Staatsverschuldung im gleichen Raum. Wir leben auf Pump, auf Kosten der Umwelt und der kommenden Generationen – und das seit vielen Jahrzehnten. Der Grundzustand allen heutigen Handelns ist die Nicht-Nachhaltigkeit und eine Kernursache hierfür ist der real existierende Kapitalismus mit seinem Zwang zum immer währenden Wachstum! Und Nicht-Nachhaltigkeit in einem begrenzten System (Planet Erde) kann auf Dauer nicht funktionieren, dazu muss man kein Mathematiker oder Prophet sein. Grüner Konsum stärkt zwar das Bewusstsein bei manchen, aber er ist nicht die Lösung. 10.000 Dinge besitzt laut Statistik ein Konsument aus dem westlichen Kulturkreis. Der Blogger Dave Bruno versucht diesem Konsumismus mit einem interessanten Projekt namens “The 100 Thing Challenge” zu begegnen. Aber die Wirkungen individuellen Handelns sind am Ende doch begrenzt. Grundsätzliches Umsteuern bleibt am Ende eine kollektive, politische Aufgabe.
Immerhin: Die Wachstumsdebatte erreicht mittlerweile immer stärker unsere Qualitätsmedien und rückt auch durch die weltweite Finanzmarkt- und Schuldenkrise “das System” als solches (endlich) stärker in den Fokus der Kritik. So stellt niemand anderes als die konservativ-liberale FAZ die Systemfrage. Der künftige Feuilletonchef Nils Minkmar fordert den endgültigen und überfälligen Bruch der Politik mit der Finanzindustrie. Und er stellt die grundsätzliche Frage, ob Klimaschutz in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem überhaupt erfolgreich sein kann: “Die letzten zehn Jahre waren die wärmsten, die je gemessen wurden, es waren aber auch die profitabelsten für all jene Firmen, die mit fossilen Brennstoffen handeln.”
Über Mich
Endlich: Schluss mit der Wachstumslüge!
Nicht erst seit gestern vertrete ich entschieden die These, dass Klimaschutz und ökologische Transformation der Wirtschaft nicht möglich sein werden, wenn wir nicht konsequent vom bisherigen Wachstumsbegriff Abstand nehmen. Auch bei den Grünen haben manche nach wie vor Angst vor einer solchen Debatte, denn eine Wirtschaft ohne Wachstum begrenzt auf den ersten Blick die Verteilungsspielräume massiv. Dies hat auch die eher zurückhaltende Diskussion auf der Bundesversammlung in Kiel im November zum Green New Deal gezeigt. In einem kritischen Redebeitrag habe ich dort aufgezeigt, dass wir Business as Usual mit noch so guten Konzepten ressourcenschonenden Wirtschaftens angesichts von Peak Oil als alleinige Lösungsstrategie schleunigst vergessen sollten. Die bayerischen Grünen hatten zur Ressourcenfrage auf ihrer Landesversammlung in Bad Windsheim einen umfassenden Beschluss gefasst. Nach wie vor sehr zu empfehlen ist hierzu der anschauliche Vortrag von Volker Plass, der auf die unvermeidliche Ressourcenkrise eingeht.
In diesem Zusammenhang störe ich mich seit längerem an der Verwendung des Begriffes “Grünes Wachstum”. Nicht weil ich gegen den Ausbau der Erneuerbaren Energien oder die Schaffung neuer klimafreundlicher Infrastrukturen bei Mobilität und Städtebau wäre. Nach über 200 Unternehmensbesuchen in den letzten drei Jahren habe ich auch ein gutes Verständnis dafür gekriegt, welche Potentiele sich in Mittelstand und Industrie speziell in Bayern vorfinden, um intelligente Lösungen und Produkte für die Energie- und Verkehrswende sowie Ressourcen schonendes Wirtschaften insgesamt auf den Weg zu bringen. Aber global betrachtet ist “grünes” oder “qualitatives” Wachstum unter den Rahmenbedingungen von steigenden CO2-Emissionen, Rebound-Effekt und Ressourcenknappheit im wesentlichen eine Schimäre. Und man muss auch nicht Tim Jacksons fundamentale makroökonomische Wachstumskritik gelesen haben, um einzusehen, dass unsere Probleme grundlegend sind.
Schauen wir nur mal in unser Land: 381 Mrd. Euro Zuwachs beim BIP zwischen 2000 und 2007 in Deutschland entsprechen exakt der Zunahme der Staatsverschuldung im gleichen Raum. Wir leben auf Pump, auf Kosten der Umwelt und der kommenden Generationen – und das seit vielen Jahrzehnten. Der Grundzustand allen heutigen Handelns ist die Nicht-Nachhaltigkeit und eine Kernursache hierfür ist der real existierende Kapitalismus mit seinem Zwang zum immer währenden Wachstum! Und Nicht-Nachhaltigkeit in einem begrenzten System (Planet Erde) kann auf Dauer nicht funktionieren, dazu muss man kein Mathematiker oder Prophet sein. Grüner Konsum stärkt zwar das Bewusstsein bei manchen, aber er ist nicht die Lösung. 10.000 Dinge besitzt laut Statistik ein Konsument aus dem westlichen Kulturkreis. Der Blogger Dave Bruno versucht diesem Konsumismus mit einem interessanten Projekt namens “The 100 Thing Challenge” zu begegnen. Aber die Wirkungen individuellen Handelns sind am Ende doch begrenzt. Grundsätzliches Umsteuern bleibt am Ende eine kollektive, politische Aufgabe.
Immerhin: Die Wachstumsdebatte erreicht mittlerweile immer stärker unsere Qualitätsmedien und rückt auch durch die weltweite Finanzmarkt- und Schuldenkrise “das System” als solches (endlich) stärker in den Fokus der Kritik. So stellt niemand anderes als die konservativ-liberale FAZ die Systemfrage. Der künftige Feuilletonchef Nils Minkmar fordert den endgültigen und überfälligen Bruch der Politik mit der Finanzindustrie. Und er stellt die grundsätzliche Frage, ob Klimaschutz in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem überhaupt erfolgreich sein kann: “Die letzten zehn Jahre waren die wärmsten, die je gemessen wurden, es waren aber auch die profitabelsten für all jene Firmen, die mit fossilen Brennstoffen handeln.”
Damit geht er auf Naomi Klein ein, die am 28. November in einem Aufsatz über “Capitalism vs. The Climate” das von Lobbyisten beherrschte politische System der USA zerlegt. Sie beschreibt, wie Großindustrie und politische Rechte den Kampf gegen Klimaschutz als Kampf um ihre Privilegien aggressiv wahrnehmen und mittlerweile die öffentliche Debatte dominieren. Mitte-Rechts Think Tanks wie das “Breakthrough Institute”, das ich mit einer europäischen Delegation im September selbst in San Francisco besucht habe, versuchen mit Strategien wie “Climate Pragmatism” großindustrielle Lösungen zum Maßstab der “Green Economy” zu erheben. Freilich sind dann Erdöl- wie Nuklearindustrie als unverzichtbarer Bestandteil für den Klimaschutz dabei. Die fossilen Industrien werden in den USA ohnehin nach wie vor jedes Jahr mit 70 Mrd. Dollar subventioniert und Erneuerbare Energien als Erfolgsgeschichte im wesentlichen die zweifelhaften Biofuels. Wer mehr über die schwierigen Diskussionen überm Teich erfahren will, sei auf meine Artikelreihe zu meiner dreiwöchigen USA-Reise zu “Climate Change and Clean Energy” dieses Jahr hingewiesen.
Wegweisend in Naomi Kleins Artikel ist ihre Schlussfolgerung für eine erfolgreiche Transformationsstrategie, die auch Antwort auf die aktuelle Schwäche der US-Umweltbewegung ist: Systemkritik (Occupy Wall Street) und ökologische Transformation müssen Hand in Hand gehen. Kapitalismuskritiker und Klimaschützer müssen gemeinsam einen neuen 3. Weg eröffnen, der die Gestaltungsfähigkeit der Politik und damit auch der Demokratie wieder in den Mittelpunkt der strategischen Ansätze rückt oder wie Klein es ausdrückt: Wir brauchen eine Vision “of how a new economic paradigm could provide a way out of both the economic and ecological crises.” Manche ihrer Antworten kommen uns freilich bekannt vor: Regulierung der Finanzmärkte, gerechtere Besteuerung, Förderung dezentraler Strukturen, Rekommunalisierung, das Lossagen vom Konsumwahn, Abschaffung ökologisch schädlicher Anreize und Subventionen etc. Damit bricht noch nicht gleich die Revolution aus, aber für amerikanische Verhältnisse dann wohl doch.
Da sind wir dann in Deutschland in der Diskussion doch schon einen Schritt weiter: Die ZEIT berichtet in einer neuen Serie über Alternativmodelle zum Kapitalismus und fordert “Abschied vom Wachstum”. Das solche Debatten vermehrt stattfinden ist ermutigend und findet sogar Niederschlag im Bericht des Zukunftsrats für die Bayerische Staatsregierung, der neue sozial-ökologische Indikatoren zur Wohlstandsmessung sowie die Hinwendung zu genossenschaftlichen Wirtschaftsweisen fordert. Läuft das dann am Ende auf einen Kapitalismus light raus? Nein, so einfach kann man es sich nicht machen, aber der Weg muss wohl ein experimenteller sein. Planwirtschaft im Sozialismus wird die Antwort sicher auch nicht sein. Aber wir dürfen offensiver betonen, dass es ein Segen ist, dass wir in München kommunal geführte Stadtwerke haben, während Hamburg seine zurückkaufen will/muss.
Entscheidend ist, dass wir endlich Umweltbewegte, Klimaschützer und Systemkritiker in eine Gesamtstrategie der sozial-ökologischen Transformation einbinden. Das setzt voraus, dass ein Teil der Umweltbewegung sich seine Lebenslüge eingestehen muss, dass das Klima ohne grundlegende Veränderung unserer heutigen Art des Wirtschaftens nicht gerettet werden kann! Und ein Teil der politisch Progressiven müsste vom Wachstumsparadigma Abschied nehmen mit allen Konsequenzen. Beides wäre die Voraussetzung, endlich konsequenter neue Wege der Transformation zu suchen und sich vom Diktat der Finanzmärkte und dem Unwort des Jahrhunderts, der Alternativlosigkeit, ein für alle mal zu lösen.
Dass uns dies aktuell nicht gelingt, zeigt die Fixierung der Sozial- wie Christdemokraten und in der Regel auch Gewerkschaften auf aufwendige klimaschädliche Betonierungsprojekte wie die 3. Startbahn am Münchner Flughafen. Wenn sie nur so redlich wären, eine realistischere Prognose der Ölpreisentwicklung in Betracht zu ziehen, wären wir auf einer anderen Diskussionsebene. Wenn selbst Hyper-Kapitalisten wie McKinsey Richtung 175 Dollar pro Fass Erdöl innerhalb der nächsten Jahre denken, sollte das die letzte Warnung gewesen sein. Der ehemalige IEA-Analyst Olivier Rech rechnet mit 300 Dollar bis 2025. Und welche konventionelle Prognose konnte bitte bislang eingehalten werden?
All dies zeigt, wo die Reise hingeht: Die Grünen müssen wieder stärker ihre Rolle als Vordenker einnehmen und dürfen dabei auf unbequeme Wahrheiten nicht verzichten. Die Ökologie ist unsere Grundidentität, grundlegende Systemkritik haben wir bei allem glaubwürdigen und notwendigen Einsatz für die sozial-ökologische Wende wohl ein wenig verlernt. Wobei mir das ja manchmal auch so geht, z.B. bei der spannenden Debatte um das Bedingungslose Grundeinkommen: Was nützen mir die schönsten Visionen, wenn ich die nächsten 10-20 Jahre davon absehbar keine Verbesserung erreiche? Während man beim BGE aber darüber streiten kann, ob es überhaupt ein zielführender Ansatz ist, ist es beim Klimaschutz und der “große Transformation” schlicht notwendig, sich darauf einzustellen, dass dies eben kein rein Technik-optimistisches oder gar Wohlfühl-Projekt sein kann. Wir müssen wieder stärker lernen, ja wir müssen es konsequent wagen, außerhalb des Systems zu denken: kulturell über teils radikal zu verändernde Lebensstile und Verhaltensweisen der Individuen. Strukturell, weil wir uns verfestigten Macht- und Denkstrukturen entgegen stellen müssen. Es geht ans Eingemachte. Beim Atomausstieg ist uns dies schon mal gelungen, und die Welt staunt (und zweifelt) noch heute. Diesmal gehts um noch mehr, also packen wirs an!
Foto: Die offizielle Weihnachtskarte von Dieter Janecek
Superb website…
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Heute hat mir jemand gesagt, ich würde viel zu viele Info-Links in meine Emails setzen.
So jemandem schicke ich doch gleich mal nur diesen einen Blog-Link, . . .
Aber darüber hinaus: Es ist natürlich schon sinnvoll, sich immer wieder vor Augen führen zu lassen, dass nicht die mangelnde Information der Grund für unsere beginnenden (und damit für unsere massiven zukünftigen) Probleme ist, sondern der menschliche Unwille und die Trägheit, die überall vornhandenen Informationen zur Grundlage für ein anderes Verhalten und für ein neues Handeln zu machen. Eine spürbare Veränderungs-Bewegung scheint auch diesmal wieder erst dann einzusetzen, wenn es beginnt, echt weh zu tun.
Also erst wenn beispielsweise den Kanadiern die Permafrostböden im Norden unterm Hintern wegtauen, werden sie damit aufhören, ihre Öl- und Teersande zu verheizen. Es wird dann nur die Frage sehr spannend sein, ob die Rest-Reaktionszeit noch genug Spielraum übrig lassen wird.