Gibt es das überhaupt noch: das Münchner „Kutscherviertel“?

Zwischen dem U-Bahnhof Kolumbusplatz und dem Schyrenbad erinnert München in Resten an eine Zeit, als hier Gänsemäster, Geflügelhändler und Lohnkutscher in kleinen, einstöckigen Doppelhäuschen wohnten – daher der Spitzname Kutscherviertel. Zu jedem dieser kleinen Satteldachhäuser gehörte ein Garten. Diese Gärten sind längst verschwunden, aber einige wenige dieser Häuser aus der Zeit von 1840 bis 1845 sind noch erhalten – noch; denn es sollen zwei der noch stehenden Gebäude demnächst Geschosswohnungen weichen. Dagegen wehren sich Bürgerinitiativen. Aber die Erfolgsaussichten schwinden, da der Denkmalschutz in der Birkenau weder Denkmal- noch Ensembleschutz erteilen mag.

Das ehemals vorstädtische Straßenbild sei schon zerstört, urteilt das Landesamt für Denkmalpflege. Die ehemalige Kleinhaussiedlung lasse sich weder als ganze noch in einem Teilbereich erkennen. Zu viel sei bereits nachverdichtet, als dass noch ein Ensemble bestehe, das man unter Schutz stellen könne. Die Bausubstanz der Häuschen sei marode. Das hatte die Fachhochschule in einem Gutachten Ende der 1970er Jahre festgestellt. Vor einigen Jahren hat die Stadt mit einer Straßenpflasterung und historisierenden Straßenlaternenversucht, den Ensemblecharakter zu unterstreichen.

Die Untergiesinger hängen aber an ihrem historischen Erbe. Ältere Bewohner erinnern sich an legendäre Motto-Faschingsfeste im Fiakerheim. Stefan Burger von der Bürgerinitiative „Rettet die Birkenau“ sieht in der Einmaligkeit des Ensembles den besonderen historischen Wert der Gebäude. Im Rahmen des Straßenfestes auf dem Hans-Mielich-Platz Ende Mai demonstrierte man für den Erhalt der drei Katen. Der besondere historische Wert und damit die Einmaligkeit des Ensembles bestehe in der Kombination eines vollständig erhaltenen Kutscheranwesens mit Remisen, Stallungen, Heulager und dem erhaltenen Gebäude des Treffpunkts der Kutscher im Viertel, dem ehemaligen „Fiakerheim“ mit seinen früheren Kutscherfaschingsfesten. Die mittlerweile beendete gastronomische Zwischennutzung des Fiakerheims durch die Kunstherberge ließ etwas von der besonderen Atmosphäre dieses Ortes erahnen. Wegen dieses sozialgeschichtlichen Kontextes plädiert die Bürgerinitiative für eine Lösung mit Brauerei Nutzung mit dem Ziel eines Stadtviertel Museums (beispielhaft verweist sie auf das Haidhausenmuseum oder das Übelackerhaus) oder ähnliches. Das, so Burger, „wäre ein großer Gewinn für das Viertel.“

Am 4. Juli teilte das Planungsreferat in der Rathausumschau jedoch mit, es habe „ nunmehr die Baugenehmigung für den Neubau erteilt, zumal sich die Landeshauptstadt München andernfalls einer Untätigkeitsklage und einem möglichen Amtshaftungsanspruch aussetzen würde.“ Also dürfte ein weiteres Stück Alt-Münchner Stadtviertelgeschichte der Abrissbirne zum Opfer fallen.

Ein Beitrag unseres Medienpartners Standpunkte.
Foto: wikipedia

Kommentieren