Grün ist gesund!

Seit jeher sind die Menschen davon überzeugt, dass eine natürliche grüne Umgebung positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Wer von uns ist nicht mit der Lebensregel „Frische Luft tut gut“ aufgewachsen? Das Thema „Grün und Gesundheit“ ist somit nicht neu und es ist hinlänglich bekannt, dass sich die Vegeatation städtischer Grünflächen, beispielsweise neben den Ergebnissen zur Luftverbesserung und Temperatursenkung, grundsätzlich wohltuend auf die menschliche Physis und Psyche auswirkt.

Foto: Rike/ pixelio.de

Mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten wurde denn auch städtisches Grün im Verlauf der letzten einhundert Jahre stets als zentraler Bestandteil städtischer Entwicklung gehandelt und als Kompensation für belastende städtische
Lebensbedingungen gesehen. Standen beispielsweise gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der Belastung unserer Städte durch die sprunghafte Industrialisierung Fragestellungen der reinen Luft und der „Hygiene“ im Mittelpunkt der Grünbetrachtung, fand in der jüngeren Vergangenheit ab den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit der Ökologiebewegung eine Verschiebung hin zum umweltbezogenen Gesundheitsschutz statt. In der Stadtplanung wurden Modelle des „ökologischen Stadtumbaus“ und des „ökologischen Bauens“ entworfen. In den 80er Jahren trat dann vor allem – ausgehend von den USA – die Public Health Debatte in den Vordergrund, die den Zusammenhang von Grün und Gesundheit aufgriff und intensiv thematisierte.
Die positiven Funktionen des Grüns in der Stadt werden mittlerweile als so vielfältig gesehen, dass man sie dabei nicht einseitig auf einige wenige Faktoren reduzieren kann. So gehören z.B. die Stressreduktion durch visuelle Erfahrung, die motivierte physische Bewegung durch Parkanlagen oder auch die durch städtisches Grün angeregten nachbarschaftlichen Kontakte insgesamt zu Phänomenen, die zu einer besseren Gesundheit verhelfen. Kaplan und Kaplan drücken dies folgendermaßen aus:„Natural areas have the potential to be both attractive and restorative. They encourage outdoor activities and have the potential for making one’s neighbors more reasonable and one’s community safer. They can thus enhance exploration and understanding as well as facilitating meaningful action in the form of community participation” (Kaplan und Kaplan 2003).
Es ist unbestritten, dass schon ein Spaziergang durch eine grüne Parklandschaft stressentlastend wirkt, dass Bewohner begrünter oder grünflächennaher Wohnregionen langfristig gesünder bleiben, ihre persönlichen Probleme besser lösen können und bessere soziale Kontakte zu ihren Nachbarn haben. Städtische Bewohner mit einer grünen Umgebung begegnen ihren Familienmitgliedern seltener mit Aggressionen und werden – unabhängig vom sozialen Status – seltener kriminell. Kinder, die in eine grünere Umgebung ziehen, verbessern ihre geistigen Leistungen signifikant. Ein Aufenthalt im Grünen hat beispielsweise für junge Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit- und/ oder Hyperaktivitätssyndrom kurzfristig eine ebenso entlastende Funktion wie das in diesem Kontext eingesetzte Standardmedikament Ritalin. Die Liste der positiven Auswirkungen von städtischem Grün lässt sich beliebig verlängern. Patienten in Krankenzimmern mit Ausblick ins Grüne brauchen weniger Medikamente, klagen weniger über Beschwerden und werden schneller gesund. Angestellte in Räumen mit Ausblick auf Naturszenen sind weniger frustriert, arbeiten aufmerksamer und effektiver, haben einen geringeren Blutdruck und werden seltener krank.

Foto: Reiner Sturm

In einer Studie unter der Leitung von Plante et Cité, einer französischen Plattform für Forschung und technische Information über urbane Grünflächen, wurde 2010 untersucht, wie sich der bekanntermaßen vorhandene positive Einfluss von Pflanzen und Grünräumen messbar auf die menschliche Gesundheit auswirkt. Viele Menschen werden in der Gegenwart von Stress und Ängsten geplagt. Überfüllte Städte, hohe Temperaturen, ein ständig hoher Lärmpegel und eine schlechte Luftqualität führen dabei zu Belastungen, die geistige Ermüdung sowie Stress und Ängste auslösen. Eine Zugangsmöglichkeit zu städtischen Grünflächen in Form von Stadtparks reduziert diese gesundheitsschädigenden Einflüsse beträchtlich.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat festgestellt, dass Luftschadstoffe die Lebenserwartung der Menschen in Europa um durchschnittlich ein Jahr senken. Dies steht im Zusammenhang mit Schädigungen des Herzens sowie der Lungen (Lungenkrebs). Die Schwere der Schädigung ist dabei abhängig von der Größe der Schadstoffpartikel: Je kleiner die Partikel sind, desto tiefer können sie in die Lunge eindringen. In den Niederlanden wurde mit BETULA (Benefits of Trees in Urban Landscapes) nun ein Programm entwickelt, das den Umwelt- und damit Gesundheitsnutzen eines einzelnen Baumes bezüglich u. a. der Feinstaubreduzierung ermittelt. Mittlerweile stehen in diesem Programm Daten zu 100 verschiedenen Baumarten zur Verfügung. Eine einzelne Buche mit einem Stammdurchmesser von einem Meter filtert pro Jahr etwa 1,3 Kilogramm Feinstaub aus der Luft und reduziert somit beträchtlich den Einfluss von gesundheitsschädigenden Luftschadstoffen. Legt man zugrunde, dass die Feinstaubemission eines PKW durchschnittlich 0,067 Gramm je Kilometer beträgt, filtert somit eine einzelne große Buche die Jahresemissionsmenge eines PKW mit einer jährlichen Fahrleistung von 20.000 Kilometern aus der Stadtluft (Stiftung die Grüne Stadt, 2012).
Zunehmend setzen sich auch Fachplaner und Behörden mit dem Thema einer gesundheitsfördernden Gestaltung privater und öffentlicher Grünflächen auseinander. Gerade in Ballungsräumen werden zukünftig mehrdimensionale Nutzungen stärker zu
berücksichtigen sein, denn Kinder, Jugendliche, Menschen mit Behinderungen oder Senioren haben unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen an gestaltete Landschaften als Freizeit-, Erholungs- und Ruheraum.

Foto: Danaman/ jugendfotos.de

Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Gesundheitsforschung unter dem Schlagwort der „therapeutischen Landschaften“ verstärkt mit den positiven Auswirkungen der Gesundheitsressource Landschaft. Zahlreiche Forschungsvorhaben zeigen den Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit der Städter und der Erreichbarkeit von Natur. Prof. Rainer Fehr, Fachmann für ökologische Prävention an der Universität Bielefeld, resümiert:“Nahumgebung muss menschenfreundlich sein, das heißt öffentlich zugänglich, begehbar und abwechslungsreich. Das gesamte Spektrum menschlicher Bedürfnisse sollte abgedeckt werden: Stimulation, Arbeit, Erholung und Rückzug, aber auch Identifikationsmöglichkeit und charakteristische Eigenart.“ (Fehr, 2011)

Grünräume im Sinne dieses Spektrums und unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung zu gestalten, wird zukünftig die Aufgabe von Planern und Kommunen in Kooperation mit den Bürgern sein. Dabei ist vertieft zu prüfen, welche neuen Nutzungsanforderungen an städtische Freiräume im Kontext von Gesundheit bestehen und wie die Zugänglichkeit zur Gesundheitsressource „Landschaft“ sozialräumlich gerecht gestaltet werden kann. Als Instrument einer nachhaltigen Stadtentwicklung kann die kommunale Freiraumplanung neue Zukunftsstrategien und innovative Ansätze in der Verknüpfung von Grünplanung und Gesundheit realisieren, um gesundheitsfördernde Effekte von Grün- und Freiflächen noch intensiver zu nutzen.

Autor: Prof. Dr. Joachim Vossen, Leiter Institut für Stadt- und Regionalmanagement (isr)

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