Wer darf in Kopenhagen mit am Tisch sitzen, um die Arche zu bauen? Illustration: Tobias Mittmann“ / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc)
Gibt es ein demokratischeres Verfahren auf der Welt, als die Klimakonferenzen? Jeder darf dort mitreden, selbst so seltsame Gestalten wie Bingos, Rengos und Tungos:
Aber wie fair geht es wirklich zu? Unsere 6. Frage lautet darum: Wer übt welchen Einfluss aus?
Was ist eine Klimakonferenz? Seit wann gibt es sie? Wieso eigentlich? In zehn Folgen beantworten wir in Kooperation mit dem Online-Magazin “Wir Klimaretter” die wichtigsten Fragen zur großen UNO-Klimakonferenz. Dabei haben wir speziell auch an Lehrer gedacht, die oft Fragen gestellt bekommen, die gar nicht so einfach zu beantworten sind.
6. Wer übt welchen Einfluss aus?
Gibt es ein demokratischeres Verfahren auf der Welt, als die Klimakonferenzen? Jeder darf dort mitreden, selbst so seltsame Gestalten wie Bingos, Rengos und Tungos:
Um die Verhandlungen so breit und demokratisch wie möglich zu gestalten, dürfen nach UN-Regularien nicht nur Regierungsvertreter am Tisch sitzen; zusätzlich erhalten „Nichtregierungsorganisationen“ aller Art (im Englischen „Non-Governmental Organisations“, kurz: NGO) einen Beobachterstatus eingeräumt. Diesen kann im Prinzip jeder bekommen – er braucht nur nachzuweisen, dass er ein „Träger Öffentlichen Interesses“ ist.
Würde beispielsweise der deutsche Bundesverband Windenergie beim UN-Klimasekretariat in Bonn beantragen, zur nächsten Klimakonferenz als Beobachter zugelassen zu werden, dann würden die Beamten dem Antragsteller zunächst empfehlen, sich doch bitte einem der ohnehin schon vertretenen Lobbyverbände für Regenerativen Energien anzuschließen. Doch wenn der deutsche Verband auf einem eigenen Beobachter-Stuhl beharrt, dann würde ihm dieser sicherlich gewährt.
Vom jamaikanischen Tourismusverband über die chinesische Handelskammer bis zum Climate Action Network – von Jahr zu Jahr werden deshalb die UN-Konferenzen größer und größer. 2005 waren noch knapp 10.000 Teilnehmer zur elften Weltklimatagung nach Montreal gereist. Zwei Jahre später auf Bali kamen schon 12.000, im Jahr 2008 nach Poznan annähernd 15.000 Menschen. In Kopenhagen gibt es rund 20.000 Anmeldungen.
Um zumindest ein Minimum an Übersichtlichkeit zu wahren, haben sich die verschiedenen NGOs eigene Organisationszentren gegeben. So gibt es inzwischen auf jeder Klimakonferenz Extra-Räume für die die BINGOs (Business and industry non-governmental organizations), das sind die Wirtschaftslobbyisten – allein die Internationale Handelskammer ICC hatte auf der letzten Konferenz in Bangkok mit 15 Vertretern (unter anderem von Exxon und Shell) eine größere Delegation akkreditiert als beispielsweise die argentinische Regierung. Die Abgesandten von Gewerkschaften nennen sich TUNGOs (Trade union non-governmental organizations). Wissenschaftliche Organisationen heißen im Konferenzjargon RINGOs (Research and independent organisations). Und dann sind da natürlich auch die ENGOs (Environmental non-governmental organizations), also Umweltschutzorganisationen.
Auf der letzten Konferenz in Bangkok war allein das Teilnehmerverzeichnis 91 eng bedruckte Seiten dick, aus Deutschland kamen neben der 32-köpfigen Regierungsdelegation zum Beispiel Vertreter der Landwirtschaftskammern, des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, vom Hilfswerk „Brot für die Welt“ und natürlich von Greenpeace und WWF.
Sie alle versuchen, mit zahlreichen Nebenveranstaltungen Aufmerksamkeit zu erhaschen und durchaus auch den Fortgang der Konferenz zu beeinflussen. Auf sogenannten „side events“, also „Nebenereignissen“, werden dann die vermeintlich oder tatsächlich letzten Erkenntnisse zu Themen wie Elektromobilität, Gebäudedämmung oder Kohlekraftwerken vorgestellt – natürlich aus der jeweils eigenen Perspektive. Je nach Finanzkraft der Veranstalter sind das nüchterne Pressekonferenzen oder auch opulente Cocktail-Abende. Daneben verfolgen natürlich all die Gruppen akribisch den Fortgang der Verhandlungen. In den Pausen werden dann die Delegierten mit Argumenten bestürmt – oder öffentlich Alarm geschlagen, etwa wenn Umweltschützer den Tropenwaldschutz den Bach runtergehen sehen.
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