Nur wegen des Geldes

Es war Abend in den Northwest Highlands. Die Reporterin Anna Rose steckte ihren Schlüssel in das Zündschloss ihres Wagens und er sprang an.

Ein Beitrag von David im Rahmen des Schreibwettbewerbs zum 4. Münchner Klimaherbst

Sie wollte sich eigentlich an der Westküste von ihrem stressigen Job erholen, doch als sie dort ankam, beobachtete sie, wie ein Dutzend schwarzer Lieferwägen Müll in das Wasser kippten. Sofort notierte sie alles, machte Fotos und steckte alles in eine Plastikmappe. Anna machte sich umgehend auf den Weg zu ihrer Redaktion. So ein Skandal würde ihr bestimmt viel Geld einbringen. Sie nahm eine Abkürzung durch das Moor, um in die Redaktion zu gelangen. Vertieft in ihre Story, fuhr sie in ihrem Mini über einen Wanderweg und bemerkte nicht, dass ihr seit der Küste einer der schwarzen Lieferwägen gefolgt war. Doch der Wagen überholte sie und fuhr in rasendem Tempo in das Moor hinein.

Nach ein paar Minuten sprang plötzlich etwas vor ihr Auto. Sie trat sofort auf die Bremse, riss die Tür ihres Wagens auf und sprang hinaus. Doch anstatt eines Tieres, lag da ein großer, kahler Mann. Sie kniete sich zu ihm nieder und wollte ihn umdrehen, um sein Gesicht zu sehen. Plötzlich griff der Mann sie am Kragen, schleuderte sie auf den Boden und richtete eine silberne Polizeiwaffe auf sie. Der Schuss ging durch ihren Oberkörper. Sie fiel zu Boden und verblutete.

Er zerrte sie zurück in ihr Auto und fuhr es dann an den Rand eines Sumpfes. Da stieg er aus, setzte Anna ans Steuer und schob den Mini in den Sumpf hinein. Das Auto sank und der Mann fuhr zurück zur Westküste, in dem Glauben, dass Anna kein Problem mehr sei, doch sie trieb wieder nach oben.

Am nächsten Tag, war das Moor zu einem Schauplatz geworden, denn ein paar Wanderer hatten Annas Leiche entdeckt und die Polizei alarmiert. Das Moor wimmelte von Medizinern, Polizisten und neugierigen Passanten. „Wie ist die gestorben?“, fragte der leitende Kommissar einen der Mediziner. „Anscheinend wurde sie erschossen, direkter Durchschuss,“ antwortete dieser.

Paul Johnson war der leitende Kommissar. Er kam ursprünglich aus Amerika, wo er beim FBI gearbeitet hatte. Dort hatte man ihn jedoch entlassen, da er niemals Befehle befolgte. Also zog er nach Großbritannien, um dort seine Karriere als Ordnungshüter wieder hinzubiegen. Er trug kurzes, strubbeliges Haar und einen Dreitagebart.

Paul fing an, die Lage zu inspizieren. Was machte eine Reporterin alleine im Moor und aus welchem Grund wurde sie erschossen? Paul ging in die Hocke und betrachtete den Wanderweg. Er sah die Reifenspuren, die mitten auf dem Weg stoppten und dann in einen Sumpf führten. Er nahm einen Stock und pulte in dem Sumpf herum, bis er auf etwas Hartes stieß. Er ließ das Auto aus dem Sumpf ziehen und machte sich an die Arbeit. Er reinigte es, und fand auf dem Beifahrersitz eine Mappe. Er steckte sie in einen Plastikbeutel und nahm sie mit auf die Polizeistation. Als er gerade die Mappe öffnen wollte, klopfte es an der Tür seines Büros. „Herein“, sagte er und stand auf. Eine blonde Frau trat ein. Sie war Mitte 30 und hatte einen grauen Anzug an. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor. Paul war auf den ersten Blick verdutzt, doch er riss sich zusammen und fragte höflich nach ihrem Namen. „Ich heiße Elena und bin ab heute ihr neuer Partner“, antwortete sie. Paul musterte sie. Sie war hübsch und schien intelligent zu sein, aber er hielt nichts von Partnern.

Er verließ das Büro und stürmte zu seinem Boss. „Was soll das werden, wenn es fertig ist?“, fragte Oberkommissar Burton. „Sie wissen, dass ich keine Partner mag“, antwortete Paul gereizt, „sie stehen nur im Weg herum!“ – „Ich bin sicher,  dass sie bei Ihren Ermittlungen sehr hilfreich sein wird und jetzt Schluss mit der Befehlsverweigerung, oder wollen sie hier auch rausfliegen!?“, knurrte Oberkommissar Burton Paul an.

Paul ging wieder in sein Büro und setzte sich auf seinen Stuhl. Er öffnete die Mappe. Doch alles Lesbare war nur noch: „schwarz – Van – Müll und Westküste“ und die Fotos waren absolut kaputt. „Bringen sie das zu den Technikern! Mal sehen, ob die noch irgendetwas davon retten können.“ Elena verließ schnellen Schrittes das Büro. Er dachte noch einmal an die drei einzigen lesbaren Wörter: schwarz – Van – Müll – Westküste. Paul verließ das Polizeirevier und fuhr in seinem grauen BMW zur Westküste. Er parkte mitten auf der Straße und lief zu einer Klippe. Was er dort vorfand, war unglaublich. Der Strand war überall verdreckt. Plastik und Essensreste schwammen überall im Meer. Dann dachte er an das Motiv einer solchen Tat. Was würde es bringen, die Küste so zu verschmutzen? Da fiel ihm das riesige Hotel ein, das mitten auf einer der tiefen gelegenen Klippen lag. Es war modern, luxuriös und hatte eine schöne Lage, na ja, vor kurzem war das noch so gewesen. Paul notierte all das in seinen Polizeibericht und ging zurück.

Doch sein Wagen war nicht mehr da! Er sah sich um. Plötzlich hörte er das Nachladen einer Pistole. Er drehte sich um, doch da war niemand. Paul zog seine Waffe und blieb wachsam. Der Schütze hatte sich versteckt. Die Pistolenkugel des Schützen, der auf ihn schoss, traf ihn an der Schulter. Paul fiel nach hinten, doch er rappelte sich auf und lief in das Moor hinein. Er feuerte noch einmal blind zurück. Dann nahm er die Beine in die Hand und rannte. Paul war sehr ausdauernd, aber mit der Verletzung in der Schulter kam er nicht weit. Auf halber Strecke machte er schlapp und fiel zu Boden. „Moment mal“, sagte er sich, „das ist die Stelle, an der diese Reporterin gefunden wurde.“ Paul legte sich flach auf den Rücken, drückte die Wunde ab und atmete tief ein und aus. Dann stand er auf. Er sah sich um. Anscheinend war hier alles Nutzbare weggeräumt worden. Paul wollte gerade wieder loslaufen, als er etwas Glänzendes auf dem Boden bemerkte. Er hob es auf. Es war eine Pistolenkugel. Schnell steckte er sie in die Hosentasche und rannte wieder los. Er kam aus dem Moor heraus und war wieder auf der Autobahn. Erschöpft und schweißgebadet wartete er auf ein vorbeifahrendes Auto. Da kam schon eins. Doch seine Freude war verschwunden, als er sah, dass es Elena war. „Na los, steigen sie ein!“, sagte sie zu Paul. Widerwillig setzte er sich in ihr Auto. „Oh mein Gott, sie sind ja angeschossen worden“, sagte sie, während sie auf das blutüberströmte T-Shirt ihres Partners sah. „Das wird schon wieder,“ knurrte Paul und wandte sich von ihr ab. „Anscheinend versucht jemand zu vertuschen, dass überall an der Küste Müll illegal entsorgt wird“, sagte er sich.

Nachdem sich Paul versorgt und gewaschen hatte, sah er die Akte seiner Partnerin durch. Elena Rose: Sie hatte gute Zensuren und war eine Sportskanone, genau das richtige für die Polizei. Doch dann las er etwas Ungewöhnliches: „2009 Anzeige wegen Körperverletzung. Klägerin: Anna Rose“ Augenblick, Elena Rose und Anna Rose, die ermordete Reporterin waren Geschwister? Da betrat Elena sein Büro. „Wann wollten sie es mir sagen?“, fragte er Elena und hob die Stimme. „Was meinen sie?“, fragte Elena verwirrt. „Sie wissen genau, was ich meine!“, knurrte er sie an und knallte die Akte auf den Schreibtisch. „Wir hatten so unsere Streitigkeiten …“, sagte sie leise und wollte noch etwas hinzufügen, doch Paul schickte sie hinaus. Er lehnte sich in seinen Stuhl und versuchte, sich zu beruhigen. Er zog die Kugelhülse aus seiner Hosentasche und betrachtete sie.

Dann legte er sie auf den Tisch und zog seine Pistole heraus. Er sicherte sie, zog das Magazin heraus und entnahm eine Kugel. Diese legte er neben die im Moor gefundene Patronenhülse. Ihm ging ein Licht auf. Die Polizeiwaffen in England sind  alle das gleiche Modell. Es gibt nur eine Kugelart, die verwendet werden kann. Er verglich die beiden Kugeln und sie waren identisch. Er klopfte an Oberkommissar Burtons Bürotüre und trat ein. „Ich glaube ich, weiß wer der Mörder ist“, sagte Paul. „Anna Rose und Elena sind Geschwister. Elena wurde von ihrer Schwester angezeigt. Ich kenne zwar nicht den Grund, aber Anna wurde mit einer Polizeiwaffe getötet. Das heißt, Elena wollte Anna womöglich schon einmal töten, was jedoch fehlgeschlagen war. Jetzt, als sie alleine im Moor unterwegs war, bot sich Elena eine gute Gelegenheit, das zu Ende zu bringen.“ – „Sehr gute Arbeit!“, gratulierte ihm Burton. Der kahle Mann stand auf und schüttelte ihm die Hand. „Ich werde Miss Rose festnehmen“, sagte Burton und bewegte seinen kräftigen Körper aus seinem Büro. Paul folgte ihm. „Sie ist nicht mehr hier!“, schrie Burton „Ich will sofort eine Durchsuchungseinheit bereithaben. Wir stürmen ihre Wohnung!“, fügte er hinzu und lief, gefolgt von einer Durchsuchungseinheit, aus dem Revier.

Paul setzte sich in die Kantine und holte sich einen Kaffee. Es war schon kurz nach neun und fast niemand mehr auf dem Revier. Da kam Curt aus der Technikabteilung und legte ihm die Mappe hin, die Anna Rose hinterlassen hatte. „Es konnte so gut wie alles gerettet werden“, erklärte Curt und machte sich auf den Weg nach Hause. Paul öffnete die Mappe und las die Notizen: „Zehn schwarze Vans entladen an der Westküste Müll ins Meer. Westküstenhotel am Ende. Die ganze Kundschaft geht zur Ostküstenhotelkette über. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang mit dem Kauf der Ostküstenhotelkette durch die pleite gegangenen Aktionäre aus London.“ Paul sah sich jetzt die Fotos an. Der Müll im Meer, die Vans, und dann entdeckte er Burton, wie er in einen der Vans stieg. Was hat Burton da zu suchen? Es sah jedenfalls nicht so aus, als ob er seiner Polizeiarbeit nachgehen würde. Paul stand auf, nahm die Mappe mit und ging in Burtons Büro.

Er sah sich in den Schubladen und Schränken um. Schließlich fand er etwas. Es war ein Bündel Geldschein, ungefähr 2000 Pfund und eine Rechnung für einen Abschleppdienst, der einen grauen BMW abgeschleppt hatte. War das sein grauer BMW? Paul rief bei der Abschleppfirma an, ließ sich das Kennzeichen des BMW sagen. Es bestand kein Zweifel mehr. Er ließ sich seinen Wagen bringen und bezahlte mit dem Geld aus Burtons Schublade. Es hatte nur eine Viertelstunde gedauert, bis der Wagen da war. Sofort fuhr er zu Elenas Wohnung. Ihm wurde jetzt alles klar. Der Müll an der Westküste kam aus den Ostküstenhotels. Der Müll wurde dort abgeladen, damit alle Kunden zur Ostküste kamen. Darum hatten die pleite gegangenen Aktionäre ihr restliches Geld auf die Hotels gesetzt. Sie wollten wieder reich werden. Und dann war da noch Burton. Er war wahrscheinlich bestochen worden und hatte mitgeholfen, dass der Müll dort ohne Probleme abgeladen werden konnte. Als Paul ankam, stand die Wohnungstür weit offen. Er zog seine Waffe und schlich sich hinein.

Er wollte gerade ins Schlafzimmer gehen, als er den Knauf einer Pistole ins Gesicht geschlagen bekam. Es war Burton. Er sah niederträchtig auf Paul hinab und trat ihn ins Gesicht. „Ich brauche keine Schnüffler,“ grinste Burton und richtete die Pistole auf ihn. Er ging auf die Tür zu und schloss sie. „Wo ist die Durchsuchungstruppe“, fragte Paul. „Tot“, antwortete Burton kalt, „ich habe sie getötet“. – „Und was ist mit Elena passiert?“ – „Sie ist getötet worden, als wir sie festnehmen wollten. Doch davor hat sie das ganze Kommando erschossen, und ich konnte sie gerade noch überwältigen“, sagte Burton mit einem Grinsen im Gesicht.

„Sie hatte gar nichts mit dem Mord an Anne zu tun, stimmt’s? Sie war nur ihr Sündenbock!“, schrie Paul ihn an. „ Oh ja, und das mit der Anzeige war auch nicht echt. Paul, das verstehst du nicht, hier geht es nur um Geld, viel Geld“, sagte Burton mit einem Lächeln auf den Lippen. „Wo ist Elena?“, fragte Paul Burton „Dort im Schlafzimmer auf de…“ Als Burton sich umdrehte, um auf Elena zu zeigen, ergriff Paul die Chance und schlug ihn bewusstlos. Er hatte jedoch keine Beweise, um Burton einsperren zu lassen. Doch Elena, die angeblich tot war, hatte überlebt und alles auf Tonband aufgenommen. Burton wurde wegen Mord und Korruption lebenslänglich verurteilt.

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