Spezial: Olympia 2018: Olympiabewerbung München 2018: Host City-Vertrag nicht rechtswirksam‏

Gesellschaft für ökologische Forschung e.V. und NOlympia legen juristisches Gutachten vor: Einseitige und mangelhafte Vertragsgestaltung, kein wirksamer Vertragsschluss möglich, Offensichtlichkeit von Rechtsverstößen

Die Gesellschaft für ökologische Forschung hat auf ihrer heutigen Pressekonferenz im Münchner Ratskeller zusammen mit dem Grünen Landtagsabgeordneten Ludwig Hartmann, die Ergebnisse eines juristisches Gutachtens über die Vertragsgestaltung des IOC vorgestellt. Das Ergebnis des von Prof. Dr. Gerrit Manssen von der Universität Regensburg vorgestellten Rechtsgutachtens bestätigt die Einschätzungen der Olympiakritiker: Der Host City Vertrag kann vom Münchner OB Ude nicht rechtswirksam unterschrieben werden; dieser Unterschrift steht geltendes Recht entgegen.

Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Landeshauptstadt München mit Abschluss des Host-City-Vertrages außerhalb ihrer gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen handeln würde und nach geltendem kommunalen Haushaltsrecht solch finanziell unbezifferbaren Risiken nicht übernehmen darf.

Rechtsgutachten – Zusammenfassung:

„Die verfassungs- und kommunalrechtliche Zulässigkeit des Abschlusses eines Host-City-Vertrages mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) durch die Landeshauptstadt München zur Durchführung der XXIII. Olympischen Winterspiele und der XII. Paralympischen Winterspiele 2018“

Von Prof. Dr. Gerrit Manssen, Universität Regensburg, Fakultät für Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht. Im Auftrag der Gesellschaft für ökologische Forschung e.V., München. Stand: Juni 2011

Im Falle einer erfolgreichen Bewerbung um die Winterspiele 2018 muss die Landeshauptstadt München („Stadt“) einen vom IOC vorgegebenen Host-City-Vertrag unterschreiben. Der Vertrag bürdet nahezu alle finanziellen Lasten und Risiken für die Durchführung der Spiele der Stadt auf. Das IOC stellt einen eigenen finanziellen Beitrag in sein Ermessen. Haftungs- und Vertragsstrafenregelungen begünstigen vollkommen einseitig das IOC. Die Stadt übernimmt die Haftung für Handlungen Dritter, insbesondere des zu gründenden Organisationskomitees (OK) und des Nationalen Olympischen Komitees (DOSB). Im Vertrag wird Schweizer Recht für anwendbar erklärt. Enthalten ist zudem eine Schiedsgerichtsklausel für den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Nach deutschem Recht wird man den Vertrag als sittenwidrig nach § 138 BGB ansehen müssen (völlig einseitige Risiko- und Lastenverteilung, Ausnutzung einer Monopolstellung). Die politische Entscheidung die Spiele durchführen zu wollen, ist gleichwohl getroffen worden. Das Gutachten prüft die Frage, ob es vor allem kommunalrechtlich zulässig ist, dass der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München den Vertrag für die Stadt anlässlich einer Vergabe der Spiele nach München unterschreibt.

In dem Vertrag muss die Stadt Verpflichtungen übernehmen, die außerhalb ihrer Zuständigkeiten liegen. Wesentliche Teile der Spiele (Schneewettbewerbe, Bob-, Rodel- und Skeletonwettbewerbe) sollen nicht in München, sondern in Garmisch-Partenkirchen bzw. im Landkreis Berchtesgadener Land stattfinden. Schon deshalb handelt es sich bei der Übernahme der Winterspiele insgesamt nicht um eine örtliche Angelegenheit der Stadt München. Wesentliche Regelungsinhalte des Vertrages fallen zudem in die Gesetzgebungs- oder Verwaltungszuständigkeit des Bundes (Einreise-, Aufenthalts- und Zollregelungen, Freistellung des IOC von allen Steuern, Einladung ausländischer Staatsgäste u. v. m.). Die Stadt würde deshalb mit Abschluss des Vertrages außerhalb ihrer verfassungsrechtlich garantierten bzw. gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen handeln. Zwar hat die Stadt München mit der Bundesrepublik Deutschland, dem Freistaat Bayern, dem Markt Garmisch-Partenkirchen, dem Landkreis Berchtesgadener Land und dem Deutschen Olympischen Sportbund ein sog. Multi-Party-Agreement geschlossen, in welchem sich die Beteiligten verpflichten, den Host- City-Vertrag umzusetzen. Eventuelle Defizite im Durchführungsbudget sollen zu je 1/3 von Bund, Land und Stadt übernommen werden. Dies genügt aber nicht, damit die Stadt sich zur Durchführung nicht kommunaler Aufgaben verpflichten darf. Hierzu wäre eine besondere landesrechtliche Regelung, also eine Änderung oder Ergänzung der Bayerischen Gemeindeordnung, erforderlich gewesen.

Mit Abschluss des Vertrages geht die Stadt erhebliche finanzielle Risiken sowohl für eigene, als auch für Handlungen Dritter (OK, DSOB, Bund, Freistaat) ein. Solche finanziell unbezifferbaren Risiken dürfen nach kommunalem Haushaltsrecht nicht übernommen werden. Der Landtag hat mit dem sog. Olympiagesetz zwar der Staatsregierung unter Abweichung von der staatlichen Haushaltsordnung die Eingehung eines unbezifferbaren Defizitrisikos gestattet. Die konsequenterweise ebenfalls notwendige Änderung des kommunalen Haushaltsrechts ist jedoch unterblieben. Abgesehen von der mangelnden Örtlichkeit der Spiele ist deshalb auch haushaltsrechtlich der Abschluss des Vertrages unzulässig.

Der Vertrag ist wegen der Übernahme finanzieller Verpflichtungen Dritter (insbesondere DSOB, OK) genehmigungspflichtig. Eine Genehmigung der zuständigen Regierung von Oberbayern liegt – soweit ersichtlich – derzeit nicht vor. Ohne Genehmigung durch die Regierung von Oberbayern würde der Münchener Oberbürgermeister den Vertrag im Falle einer erfolgreichen Bewerbung als Vertreter ohne Vertretungsmacht unterzeichnen. Eine nachträgliche Genehmigung ist zwar grundsätzlich denkbar, sie wäre aber – ebenso wie eine vorab erteilte Genehmigung – rechtswidrig und angesichts der Schwere und Evidenz der Verstöße gegen die Bayerische Gemeindeordnung nichtig. Damit ist ein wirksamer Vertragsschluss zwischen dem IOC und der Stadt München nach derzeit geltendem bayerischen Kommunalrecht auch mit Genehmigung der Regierung von Oberbayern nicht möglich. Kommunalrechtlich wäre der Vertrag für die Stadt nicht bindend und auf unabsehbare Zeit unwirksam (Heilung nur durch eine verfassungsmäßige Gesetzesänderung durch den Bayerischen Landtag).

Beschlüsse des Münchener Stadtrates, die eine Zustimmung zur Vertragsunterschrift ergeben, müssten von der Regierung von Oberbayern als zuständiger Rechtsaufsichtsbehörde beanstandet werden. Genehmigungen dürften nicht erteilt werden. Wegen des politischen Willens von Landtagsmehrheit und Staatsregierung, die Bewerbung zu unterstützen, ist jedoch genau das Gegenteil zu erwarten. Klagemöglichkeiten von Bürgern gegen ein rechtswidriges Handeln oder Unterlassen der Aufsichtsbehörden bestehen nicht.

Fazit: Die Stadt München und die Aufsichtsbehörden des Freistaates Bayern haben den offensichtlichen Vorsatz, trotz evidenter Verstöße gegen die Bayerische Gemeindeordnung den Host- City-Vertrag im Falle einer erfolgreichen Bewerbung zu unterschreiben. Nicht genügend bedacht wurden möglicherweise die rechtlichen Konsequenzen. Notwendige Genehmigungen wären rechtswidrig und wegen besonderer Schwere und Offensichtlichkeit der Rechtsverstöße nichtig. Der Münchener Oberbürgermeister könnte die Stadt durch seine Unterschrift deshalb nicht wirksam verpflichten. Die im Landtag und auf kommunaler Ebene mit den notwendigen Mehrheiten getroffenen Entscheidungen zu Gunsten einer Bewerbung um die Winterspiele 2018 können derzeit nicht rechtswirksam umgesetzt werden. Der Landtag hätte nicht nur sein eigenes Haushaltsgesetz, sondern auch die Bayerische Gemeindeordnung ändern müssen, um die Olympiabewerbung rechtlich abzusichern.

Das gesamte, 18 Seiten fassende, Gutachten ist hier in deutscher und englischer Sprache als pdf-Datei veröffentlicht.

Foto: ***DJ*** / photocase.com



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Ludwig Hartmann    gruenundgloria.de - Blog: Ludwig Hartmann

1 Kommentar zu “Spezial: Olympia 2018: Olympiabewerbung München 2018: Host City-Vertrag nicht rechtswirksam‏”

  1. gernot sagt:

    Also eine Unwirksamkeit wäre aber doch im Zweifel recht komfortabel. Man könnte das IOC ziemlich in Bedrängnis bringen, wenn es dann nachher ans Zahlen geht => Weder moralisch noch rechtlich ein Argument GEGEN die Bewerbung.

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