Schüler, spielt Computer!

Mit dem Simulations- und Strategiespiel „ecopolicy – its a cybernetic world“ sollen Jugendliche spielerisch vernetztes Denken erlernen. Vergangenen Donnerstag fand im Münchner Cafe Netzwerk ein Wettbewerb im Rahmen des Klimaherbstes statt. Wir haben einen der Veranstalter gefragt, was Schüler bei dieser Form der Game-Convention lernen sollen.

klimaherbst.de: Herr Schwab, Sie sind Honorarmitarbeiter beim Münchner Bildungswerk e.V., einem katholischen Vereins zur Erwachsenenbildung, die sich laut Auftrag an der Suche „nach sinnstiftenden und wertbezogenen Antworten“ beteiligt. Jetzt animieren Sie zusammen mit Partnerorganisationen Jugendliche dazu, sich in ein Computerspiel zu vertiefen und möglichst auch an einem Wettbewerb teilzunehmen – passt das zu Ihrem Bildungsauftrag?

Thomas Schwab: Ja, das stimmt. Das Münchner Bildungswerk e.V. engagiert sich für die Bewahrung der Schöpfung und ist deshalb Mitglied bei BenE-München e.V.. Dieser Verein, der Kreisjugendring München Stadt und das Malik Management Zentrum veranstalten den Wettbewerb gemeinsam. Alle Partner engagieren sich in der Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Jugendliche zu erreichen ist nicht ganz einfach aber glücklicherweise können sie auch durch einige Computerspiele für Nachhaltige Entwicklung sensibilisiert werden, ja sogar wichtige Kompetenzen für diese individuelle und gesellschaftliche Herausforderung erwerben. Was liegt näher, wenn junge Menschen auf ihrer Suche nach sinnstiftenden und wertbezogenen Antworten untersützt werden sollen, dies mit den Mitteln zu tun, die sie kennen.

Erklären Sie uns das?

Vor vielen Jahren entwickelte der Münchner Systemforscher Prof. Frederik Vester ein Umweltspiel das sich Ökopolicy nennt und die Abhängigkeiten von Umwelt, Wirtschaft, Politik, Bevölkerungsentwicklung und Lebensstandard spielerisch veranschaulicht. Daraus entwickelte er später das PC Spiel Ecopolicy. Die Abhängigkeiten machen es kompliziert das System zu steuern und damit das Spiel zu gewinnen, man nennt die Wissenschaft die sich damit beschäftigt Kybernetik. Inzwischen gibt es einen deutschlandweiten Wettbewerb namens Ecopolicyade in dem Jugendliche gegen Politiker der Bundesregierung antreten und regelmäßig gewinnen. Bei diesem Planspiel muss ein Industrie-, Schwellen- oder Entwicklungsland über zwölf Regierungsjahre erfolgreich regiert werden. Man kann Haushaltsmittel in die Bereiche Produktion, Sanierung, Lebensqualität und Aufklärung investieren. Diese vier Bereiche lassen sich also direkt steuern. Die getroffenen Maßnahmen haben aber immer auch Auswirkungen auf die nur indirekt steuerbaren Bereiche. Das sind „Politik“, „Bevölkerungswachstum“, „Umweltbelastung“ und „Vermehrungsrate“. Das Spiel ist also nicht linear aufgebaut, sondern vieles wird miteinander in Beziehung gesetzt. Es zeigt wie komplexe Systeme funktionieren und fördert somit das vernetzte Denken.

Haben Sie Ecopolicy schon einmal selbst gespielt?

Ja und es macht immer wieder Spaß.

In welchen Land haben Sie versucht nachhaltig für eine positive soziale, ökologische und wirtschaftliche Entwicklung zu sorgen? Zur Auswahl gibt es das Industrieland Kybernetien, das Schwellenland Kybinnien und das Entwicklungslad Kyborien.

Im Industrieland Kybernetien, das ist am leichtesten zu steuern. Im Schwellen- und vor allem im Entwicklungsland ist es schwieriger zwölf Runden zu überstehen und das ist ja der Spielauftrag: zwölf Jahre ein Land nachhaltig zu regieren.

Das ist auch in der Realität so. In vielen Entwicklungsländern überstehen Regierungen oft nicht einmal eine Legislaturperiode.

Das Spiel ist tatsächlich sehr wirklichkeitsnah. Spieler die diese chaotischen Aspekte nicht bedenken, haben in kürzester Zeit eine Revolution am Hals. Gabriele Harrer vom Malik Management Zentrum in St. Gallen, die Ecopolicy weiterentwickelt, wurde schon gefragt, ob das Spiel nicht richtig funktioniere, weil man die zwölf Runden im Entwicklungsland so schwer überstehen könne. Aber das geht. Beim Wettbewerb im Rahmen des Klimaherbst 2010 haben es die Jugendlichen Katharina Zellner, Jennifer Weimann und Andrea Gollwitzer erneut bewiesen. Zwei von ihnen gehören zum Team, das diesen Sommer beim bayerischen Ecopolicyade-Wettbewerb gewann und in Berlin den dritten Platz holte. Sie haben die zwölf Runden im Schwellenland in kaum fünf Minuten perfekt gemeistert. Da bin ich selbst weit davon entfernt.

Wie gelingt das? Mit viel Training?

Da müssten Sie eigentlich das Siegerteam fragen. Man muss natürlich üben, aber auch nachdenken hilft um die systemischen Gesetzt zu durchschauen. Es gibt zwei Spielertypen, die einen analysieren, sie lesen sich erst einmal die Erklärungen durch. Andere versuchen es mit Trial and Error und überlegen, dann wie sie ihre Strategie verbessern können.

Kann Ecopolicy neben anderen Computerspielen bestehen?

Es kommt darauf an, was man erwartet, es ist ja kein Ballerspiel. Aber Ecopolicy ist auf jeden Fall spannend und hat einen gewissen Suchteffekt. Ich finde es interessanter als die meisten Spiele in denen es um den Aufbau und das Regieren von Staaten geht.

Wie ist die Ecopolicyade in München organisiert?

Sie ist offen für alle Jugendlichen. Der Kreisjugendring München Stadt bietet Ecopolicy seit diesem Sommer im Café Netzwerk in der Luisenstr. 11 (U2 Königsplatz) an. Man muss keine Software kaufen, keine Lizenzen, nichts. Jeder kann einfach vorbeikommen und loslegen, egal ob einzeln, als Schüler- oder als Jugendgruppe. Darüber hinaus haben auch schon einige Schulen das Spiel angeschafft. Im Juni 2011 wollen BenE®-München e.V. und das Malik Management Zentrum wieder eine Bayernausscheidung veranstalten, bei der Schüler- und Jugendgruppen gegeneinander antreten, das Siegerteam soll wieder nach Berlin fahren. In BenE®-München e.V. kümmert sich die Projektgruppe GenE (Gestaltungskompetenz für nachhaltige Entwicklung), bestehend aus meist jungen Systemdenkern und Spielern um die Durchführung und Weiterentwicklung siehe: www.bene-muenchen.de

Interview: Peter Oberstein

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