Smart City – der Schlüssel für die Stadt von morgen?

557sein Text von Sylvia Hladky.

Hohe Schadstoff- und Lärmbelastungen, Klimawandel, Ressourcenknappheit, eine starke Zu- bzw. Abnahme der Einwohnerzahl, der demografische Wandel – die Zahl der Probleme für die Städte im 21. Jahrhundert steigt. Hinzu kommt die Forderung der Bürger nach mehr Beteiligung an Entscheidungsprozessen. Wie lassen sich die Probleme lösen bzw. die Forderungen erfüllen?

Im Zuge der Digitalisierung der Wirtschafts- und Arbeitswelt taucht immer häufiger der Begriff der smarten Stadt auf. Was ist darunter zu verstehen?

Eine eindeutige Definition gibt es derzeit nicht, aber in der Regel versteht man darunter die Erfassung und Vernetzung einer Vielzahl unterschiedlicher Daten und Informationen zur flexiblen Steuerung von Versorgungs- und Entsorgungssystemen sowie Verkehrs- und Materialströmen. Daneben soll der Informationsfluss den Austausch zwischen Bürgern, Verwaltung, Institutionen und Unternehmen verbessern und damit die Lebensqualität steigern. Die Umsetzung des Begriffs im Rahmen der Stadtpolitik reicht von überwiegend Technik-dominierten Lösungen bis zu ganzheitlichen Ansätzen, in denen die Technik nur einer von vielen Faktoren ist, der die nachhaltige Entwicklung einer Stadt und deren urbane Qualität fördern soll.

Weltweit werden viele Smart City-Konzepte erprobt. Das Spektrum umfasst neben dem Ausbau der digitalen Infrastruktur oder der Umstrukturierung der Energieversorgung unter dem Stichwort „Smart Grid“ vor allem informationsbasierte Verkehrsleit- systeme. Eine Studie von Nokia (Nokia Smart City Page) zeigte neben unterschiedlichen Vorgehensweisen der Stadtplaner, dass für eine erfolgreiche Durchführung u. a. offene und transparente Regeln für die Datennutzung durch Behörden und Dritte, die Sicherstellung des Datenschutzes, die enge Zusammenarbeit mit den Bürgern und eine anpassungs- und ausbaufähige Infrastruktur nötig sind.

Wie wird eine Stadt smart?

Friedrichshafen war 2007 eine der ersten deutschen Städte, die mit der Deutschen Telekom als Partner den Modellversuch T-City starteten. Zunächst wurde die Breitbandtechnologie im Festnetz und Mobilfunk innerhalb des Stadtgebietes ausgebaut. In einem zweiten Schritt definierte die Stadt in Kooperation mit der Telekom sechs Projektfelder, für die 40 Einzel- projekte entwickelt wurden. Dazu gehörten u.a. eine Telemedizinanwendung, die es Herzinsuffizienzpatienten erlaubt, ihre Vitaldaten per Internet an das betreuende Krankenhaus zu übermitteln oder der Einbau von intelligenten Stromzählern, die zu einem effizienteren Stromverbrauch führen sollten. Nach einer Laufzeit von fünf Jahren wurde ein Fazit gezogen. Obwohl das Projekt einen hohen Bekanntheitsgrad bei der Bevölkerung erreicht hatte, wurde durch die Befragung deutlich, dass die meisten Bürger

nur eine diffuse Vorstellung vom Projekt hatten. Es war nicht gelungen, eine größere Zahl von Bürgern mit eigenen Ideen in das Projekt zu integrieren und damit langfristig zu verankern.

Für Wien ist Smart City „eine kompakte Stadt, die durch Nutzungsmischung, innovative Lösungen für Städtebau sowie intelligente Mobilität abseits des Pkw Urbanität ins 21. Jahrhundert weiterinterpretiert“. Vorrangig sind nachhaltige Verkehrslösungen, der bewusstere Umgang mit Energie – von der Erzeugung bis zum Verbrauch und die intelligente Planung von Gebäuden, Energienetzen und Energie- quellen. Hinter dem Konzept stehen auch konkrete Ziele. So sollen die CO2-Emissionen von derzeit 3,1 Tonnen bis 2050 auf 1 Tonne reduziert werden, bis 2030 soll der motorisierte Individualverkehr auf einen Anteil von 15 Prozent sinken und der Grünanteil der Stadt von 50 Prozent erhalten bleiben.

Daten als zentraler Baustein

Das Smart City-Konzept erfordert die Ausweitung der vorhandenen Datenmenge, um beispielsweise
in Bereichen der Energieversorgung oder Mobilität steuernd eingreifen zu können. Für die Erfassung dieser Daten müssen zusätzliche Sensoren, auch im öffentlichen Raum, installiert werden. In diversen Smart City-Konzepten findet sich deshalb der „intel- ligente Lichtmast“. Er kann seine Lichtstärke dem Verkehrsgeschehen anpassen und enthält Sensoren, die u. a. Wetterdaten oder den Verkehrsfluss erfassen. Für den Datenschutz ist das Sammeln personenbe-

zogener Daten relevant. Soll die Erkennung von Automobilkennzeichen oder die Gesichtserkennung Bestandteil der Technik sein? Wer sammelt die Daten, und wer darf sie verwenden? Die Akzeptanz der Projekte hängt wesentlich von der Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen ab.

Smart City München

In München werden zurzeit drei EU-Projekte unter dem Oberbegriff Smart City umgesetzt, in denen das Thema Mobilität eine zentrale Rolle spielt.

Im Stadtteil Sendling hat sich das Forschungsprojekt City2Share das Ziel „weniger Verkehr mit weniger Emissionen für mehr Lebensqualität mit besserer Mobilität“ gesetzt. Dazu wird der öffentliche Verkehr mit Elektro-Mobilitätsstationen verknüpft. Das Angebot reicht von E-Autos über Pedelecs bis zu elektrischen Lastenrädern, die über spezielle Apps unkompliziert gemietet werden können.

Das Forschungsprojekt Civitas Eccentric startete Ende letzten Jahres im Domagkpark. Das Quartier wird ebenfalls mit Mobilitätsstationen ausgestattet. Den Bewohnern stehen in einem gemeinsamen Pool Autos mit Verbrennungsmotor, Elektroautos, Fahrräder und Pedelecs, Lastenräder und Elektroroller zur Verfügung. Der Strom zum Aufladen der Akkus kommt von Solaranlagen auf den Dächern der Wohnhäuser. Über eine Quartiers-App können freie Stellplätze in der Tiefgarage reserviert und genutzt sowie aktuelle Daten zur Luftqualität abgefragt werden.

Beim Projekt Smarter Together kooperiert München mit Wien und Lyon. Umgesetzt wird das Projekt mit einer Laufzeit von fünf Jahren im Stadtteil Neuaubing-Westkreuz/Freiham. Als Handlungsfelder wurden Energie, Mobilität und Technologie definiert. Konkret stehen hinter diesen Begriffen die energetische Sanierung von Wohnanlagen, multimodale Mobilitätsangebote, eine Quartiers-App und intelligente Lichtmasten.

Intelligente Lichtmasten mit Bürgerbeteiligung
Die technische Ausgestaltung der Lichtmasten im Projekt Smarter Together wurde im Rahmen einer Bürgerbeteiligung entwickelt. Prof. Farias Hurtado vom Lehrstuhl für Partizipative Technikgestaltung an der TU München begleitete mit seinem Team die Planung und Durchführung der Veranstaltungen im Stadtteillabor Neuaubing/Westkreuz. Die Bürger des Quartiers wurden eingeladen, über die Erfassung und Nutzung der zu erfassenden Daten mit zu entscheiden. Dazu gab es mehrere Workshops, in denen die Teilnehmer zunächst über die technischen Möglichkeiten informiert wurden. In einem nächsten Schritt machten sich die Teilnehmer Gedanken über mögliche bzw. wünschenswerte Anwendungen. Die Vorschläge reichten von Apps über örtliche Wetter- und Verkehrsdaten und Pollenwarnungen bis zur Möglichkeit, verloren gegangene Tiere und Menschen zu finden. In mehreren Stufen wurden auch die Risiken der jeweiligen Datenerfassungen diskutiert.

Eines der wesentlichen Ergebnisse der Workshops war die Forderung, dass die erfassten Daten nur
zum Wohl der Allgemeinheit und nicht einzelner Marktakteure dienen sollten. Des weiteren entstand der Wunsch, ein Gremium zu installieren, das den Einsatz der Sensorik und die Entwicklung von Diensten längerfristig begleiten soll.

Die Vorgehensweise in München zeigt, wie wichtig es ist, die Bürger bei Smart City-Projekten einzubeziehen. Allerdings sollte der Eindruck vermieden werden, dass mit der Erfassung und Nutzung von Daten z. B. im Rahmen eines neuen Verkehrskonzeptes andere Maßnahmen wie der Ausbau der Infrastruktur für den nichtmotorisierten Verkehr oder eine Umnutzung von Parkflächen hinfällig werden. Eine echte Verkehrswende lässt sich meines Erachtens nur durch neue und verbesserte Mobilitätsangebote und ein Umdenken der Bürger erreichen.

Sylvia Hladky, ehemalige Kuratorin für Energietechnik im Deutschen Museum, von 1999 bis 2014 Leiterin des Verkehrs- zentrums des Deutschen Museums, seit 2015 Mitglied des Vorstands des Vereins Netzwerk Klimaherbst e.V.

Dieser Text erschien zuerst im Magazin des Münchner Forums

Beitragsbild: Munich Z – vielen Dank!



Dieser Beitrag ist in der Rubrik Community erschienen: Hier bieten wir unseren Werbepartnern Raum sich zu präsentieren und Grün&Gloria zu unterstützen. Wollen Sie auch dabei sein? Schreiben Sie uns: anzeigen@medienhausmuenchen.de.



   gruenundgloria.de - Blog: Gastbeitrag

1 Kommentar zu “Smart City – der Schlüssel für die Stadt von morgen?”

  1. Seit wann ist dieser Blogbeitrag auf Grün&Gloria lesbar?
    Die Mai-Ausgabe der „Standpunkte“ vom MÜNCHNER FORUM ist seit dem 3. Mai 2017 online – also warum bin ich da jetzt der erste Kommentator?
    Na dann: Der wirklich spannende Moment bei diesem Stadtentwicklungs- bzw. Stadtveränderungs-Projekt „smart city“ wird sein, wenn wir als Stadtgesellschaft einen höheren technologischen Smartness-Level erreicht haben werden, der in unserem praktischen Alltags-Leben ganz erstaunliche Dinge möglich machen könnte. Wenn es beispielsweise wirklich sichere Firmen-Netzwerke zwischen zentralen Büro- und weithin verstreuten Home-Office-Arbeitsplätzen gäbe, könnten sehr viele arbeitende Menschen ihre alltäglichen Arbeitswege radikal ändern. Abhängig von der persönlichen Präsenz-Notwendigkeit am zentralen Büro-Standort in der Stadt müssten manche (viele?) Leute nicht mehr an fünf Tagen in der Woche zu den üblichen Berufsverkehr-Stress-Zeiten unterwegs sein, sondern nur noch an vier, drei oder gar zwei Tagen in der Woche, weil vieles von zuhause aus bearbeitbar wäre. Wer dann nur noch an vier, drei oder gar zwei Tagen in der mit dem eigenen Auto oder mit dem ÖPNV unterwegs ist, entlastet durch das eigene Nicht-Unterwegs-Sein die Verkehrs-Infrastrukturen dementsprechend enorm. Wenn es darüber hinaus noch eine Informations-Seite gäbe, auf der ablesbar wäre, wie viele Mitarbeiter*innen von welchen Unternehmens-Standorten an welchen tagen unterwegs sind, könnten über die Woche hinweg die einzelnen Tagen auch noch harmonisiert werden.
    Das ist jetzt nur ein Gedanke darüber, was der „smart city“-Prozess bewirken könnte.

Kommentieren