Stadt, Land, Meer – die Öko-Offensive der SWM

Solarparks in Spanien, Windräder an der Nordsee, Wasserkraft aus der Isar: Damit im Jahr 2015 alle Privathaushalte der Stadt mit Ökostrom versorgt werden können, investieren die Stadtwerke München in einen europaweiten Mix regenerativer Stromerzeugung.

von Martin Langeder

Kurt Mühlhäuser ist seinem Ziel wieder ein kleines Stückchen nähergekommen. Zufrieden lächelnd steht er auf einem Feld in der Nähe des schwäbischen Städtchens Lauingen an der Donau. Hinter ihm ragen zwar die zwei Kühltürme des Atomkraftwerks Gundremmingen in die Höhe. Aber vor seinen Augen breitet sich die Zukunft aus. Tausende schwarze Glasplatten glänzen dort in der Sonne.

Mühlhäuser, 65, Nadelstreifanzug, weißes Hemd, das Jackett über die Schulter geworfen, ist Chef der Stadtwerke München (SWM). Er hält das Ziel der Stadtratsfraktionen von SPD und Grüne – bis 2015 die 750.000 Privathaushalte und bis 2025 auch alle Unternehmen mit Strom aus Sonnenenergie, Bodenwärme, Wind und Biomasse, versorgen zu können – für sinnvoll und realisierbar. „München soll die erste deutsche Großstadt werden, die komplett mit Ökostrom versorgt werden könnte, der in unseren Anlagen produziert wird“, sagt Mühlhäuser. Bis dahin ist es ein weiter Weg.

Derzeit beliefern die SWM erst 140.000 Haushalte mit Ökostrom, der Rest bekommt Strom unter anderem aus Heizkraftwerken, die mit
Gas, Kohle und Müll befeuert werden. Daher haben die SWM eine Ausbauoffensive für erneuerbare Energie gestartet, um Biomasse,
Erdwärme, Energie-, Wind- und Solarkraft zu fördern. Insgesamt sollen dafür in den nächsten Jahren mehr als eine Milliarde Euro investiert werden. „Wir setzen auf einen Mix von verschiedenen Stromquellen“, sagt Mühlhäuser. „Sich auf nur eine Energieart zu konzentrieren, würde uns zu sehr abhängig machen.“
Gut eineinhalb Stunden ist Mühlhäuser an diesem schwülen Junitag von der Landeshauptstadt Richtung Westen gefahren, um sein
neues Projekt der Presse zu präsentieren. Wo vor einem Jahr ein Bauer noch Weizen angebaut hat, befindet sich heute der zweitgrößte Solarpark Bayerns. In 135.648 Modulen, die schräg nach Süden hin ausgerichtet sind, entsteht aus Sonnenlicht elektrische Energie.
Wechselrichter wandeln den so erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom um, der dann in das Stromnetz eingespeist wird.
Auf dem 300.000 Quadratmeter großen Grundstück, etwa so groß wie 40 Fußballfelder, wollen die SWM bis voraussichtlich 2033
Ökostrom produzieren. Bis dahin wird das zwei Kilometer entfernte Atomkraftwerk längst abgeschaltet sein. Noch aber siegt der Atom-Goliath gegen den Solar-David. Obwohl die SWM die Anlage Groß-Solarkraftwerk nennen, kann sie mit ihrer Leistung von etwa zehn Millionen Kilowattstunden jährlich nur etwa 4000 Haushalte in der Region mit Strom versorgen.

Immerhin vermeidet die Anlage pro Jahr etwa 7000 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid.
Aufs Jahr gerechnet decken zehn Quadratmeter der Photovoltaikplatten den Strombedarf eines Durchschnittsbürgers. Das Projekt
haben die SWM nicht alleine realisiert. Knapp vier Monate arbeitete die Photovoltaikfirma Gehrlicher Solar AG am Aufbau des Solar-Parks, montierte fünf Millionen Einzelteile und verlegte 300 Kilometer Kabel. Insgesamt hat der Park 32 Millionen Euro gekostet, 49 Prozent davon haben die SWM übernommen. „Die Energie, die in die Errichtung dieser Anlage gesteckt wurde, holt das Kraftwerk innerhalb von 18 Monaten wieder herein“, sagt Betreiber Klaus Gehrlicher. Für den Stromkunden soll sich nichts ändern. „Auch wenn der Solarstrom in der Erzeugung derzeit noch teurer ist als Atomstrom, wird der Kunde dadurch nicht belastet“, sagt Mühlhäuser. Wer sich für den teureren Vertrag „M-Natur“ der Stadtwerke entscheidet, kann mit einem höheren Preis den Ausbau von regenerativen Stromquellen gezielt fördern.
Die Biogasanlage im Tierpark Hellabrunn und die Photovoltaik-Anlage auf dem Münchner Technologiezentrum wurden beispielsweise
mit diesen Mitteln finanziert. Kritik, dass die SWM zu spät auf die Möglichkeiten der regenerativen Energien reagiert haben, weist Mühlhäuser zurück. „Noch vor fünf Jahren steckte in der regenerativen Energieerzeugung ein hohes Risiko. Das hat sich inzwischen durch technische Entwicklungen und die verstärkte staatliche Förderung geändert“, sagt der SWM-Chef. Aber nicht nur in der Sonne, auch im Wind sieht Mühlhäuser einen verlässlichen Partner.
Das Windrad auf dem Müllberg in Fröttmanning, das seit zehn Jahren Strom produziert, bekommt bald Unterstützung. Noch dieses
Jahr sollen die Bauarbeiten am Windpark „Global Tech I“ in der Nordsee beginnen. Bis 2013 sollen vor der Küste 80 Windräder errichtet
werden, die pro Jahr 1,4 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen sollen. Die Stadtwerke wollen sich an dem 1,3 Milliarden teuren
Meeres-Windpark mit einem Viertel der Anteile beteiligen, dafür sollen künftig 350 Millionen Kilowattstunden Ökostrom ins Netz fließen.
Mit der eigens ins Leben gerufenen Ausbauoffensive „Erneuerbare Energien“ soll der Anteil der regenerativen Energie möglichst zügig ausgebaut werden, damit München bald die erste Ökostrom-Großstadt ist. Um dieses Ziel zu erreichen, haben die SWM kürzlich auch
25 Windkraftanlagen erworben, die 60.000 Tonnen CO pro Jahr einsparen.

Die SWM investieren auch im Süden Europas: In Spanien entsteht derzeit mit Geldern der Stadtwerke ein Solar-Kraftwerk mit riesigen gewölbten Spiegeln, das ab 2011 durch thermische Salzspeicher auch nach Sonnenuntergang Strom erzeugen soll. Schon seit 2004 betreiben die SWM in München-Riem eine Geothermieanlage und versorgen damit die Messestadt mit Wärme. In Sauerlach wird
derzeit ebenfalls in der Erde nach Wärmequellen gebohrt, im neuen Stadtteil Freiham ist es nächstes Jahr so weit.
Mitten in München, im Flussbett unter den Kaskaden der Isar auf Höhe der Praterinsel, errichten die SWM gerade ein Energiekraftwerk. Im Solarpark Helmeringen bei Lauingen wuchern zwischen den Modulen Weizen und Kamille. Später sollen Schafe als Rasenmäher eingesetzt werden. Warum auf dem riesigen Grundstück nicht einfach Mais oder Getreide anpflanzen und eine Biogasanlage betreiben?
„Mit einem Hektar Photovoltaikzellen lässt sich 40 Mal mehr Strom produzieren als mit einem Hektar Energiepflanzen für ein Biomassekraftwerk“, sagt Gehrlicher.
Es braucht nicht unbedingt Sonne, um Strom zu produzieren. Selbst bei bewölktem Himmel arbeiten die Photonen und Elektronen. Lediglich an fünf, sechs Tagen im Winter, wenn es nur für wenige Stunden wirklich hell wird, steht die Anlage still. Das Ideal beschreibt Gehrlicher so: „Eine Anlage auf der Zugspitze bei strahlendem Sonnenschein und einer Temperatur von minus 20 Grad.“ Auf Deutschlands höchstem Gipfel haben die SWM allerdings kein Projekt geplant. Noch nicht.

Die Energie der Zukunft,
Fr. 15.10. bis do., 29.10.,
Ausstellung mit Führung, deutsches Museum

Erneuerbare Energie, Mo. 19.10. bis So., 01.11,
Ausstellung der SWM,
Praterinsel

1 Kommentar zu “Stadt, Land, Meer – die Öko-Offensive der SWM”

  1. Gunther sagt:

    Endlich: Zeit ist`s geworden!

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