“Mein Klimaherbst” – Rückblick einer Besucherin

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Der Monat Oktober ist vorüber, und mit ihm der 4. Münchner Klimaherbst. Was ist geblieben? Der Rückblick einer jungen Münchnerin.

Trotz des Mottos „Weniger ist Mehrwert“ war das Angebot für die Verbreitung und Ausarbeitung neuer Sichtweisen und Gegenentwürfen, die die Münchner Bürger und andere Interessierte anlockten sehr reichhaltig, vielseitig und intensiv.

Es war für jeden Geschmack etwas dabei, und so bewiesen die Veranstalter und Organisatoren, dass nicht Verzicht, sondern das richtige Maß, der gerechte Konsum, und gleichgesinnte Partner entscheidend für den Erfolg einer Veranstaltungskette seien.

Im folgenden Artikel wird von vier Personen und vier Veranstaltungsabenden des vierten Münchner Klimaherbstes berichtet.

Bevor ich von der Eröffnungsveranstaltung, die am 6.Oktober im wunderschönen Alten Rathaus stattfand, erzähle, will ich einen besonderen Themenabend Rubrik „Klima-Konsum“, gestaltet von der Selbach-Umwelt-Stiftung hervorheben. Geladener Referent Oliver Stengel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Er berichtete eindringlich davon, dass wir unsere Ressourcen nutzten, „als hätten wir vier Erden“ .

In der Theorie verdeutlicht Stengel, dass die von der Wirtschaft in den letzten 30 Jahren propagierte Effizienzstrategie nicht das erreichen konnte, was man sich von ihr versprochen hatte. Ursachen hierfür seien die nach wie vor niedrigen Ressourcenkosten, die dem Kostendruck der Arbeit gegenüber stünden, der stetig wachsende allgemeine Konkurrenzdruck und die viel zitierten Rebound Effekts. Daher müssten die Wirtschaftlichkeit (Effizienz) durch weitere Maßnahmen ergänzt werden, um höhere Erfolge erzielen zu können. Es ginge vor allem um die Etablierung und Verbreitung der Suffizienzstrategie, die da ansetzt, wo die Ursache des Problems liegt, nämlich beim steigenden Güter- und Ressourcenverbrauch bei gleichzeitiger Ressourcenverknappung.

Dem maßlosen Verbrauch an Gütern, Stoffen und Energie müsse ein Ende bereitet werden, indem ein nachhaltiger Konsum- und Produktionsstil entwickelt und verbreitet würde.

Wie aber kann das Verhalten der Menschen geändert werden? Es lohnt sich die Barrieren verschiedener Dimensionen zu vergegenwärtigen. Stengel arbeitet in der Forschungsgruppe für Nachhaltigen Produzieren und Konsumieren unter anderem an der Herausarbeitung der wichtigsten Einsichten, Handlungsweisen und Lebensgrundlagen und der Überwindbarkeit dieser Barrieren.

Ansätze des kognitiven Lernens und der symbolischen Transformationsprozesse sollen die moralischen und kulturellen Einstellungen, sowie Verhaltensweisen suffizient veränderbar machen. Auf die Frage hin, was denn nun konkret jeder Einzelne von uns tun könne, war das Schmunzeln und Raunen in den Reihen groß. Nicht der uneinsichtige Harzt IV Empfänger sei es, der die höhere Energiebillanz zu verantworten habe, sondern der ach so reflektierende und verantwortungsbewusste Bürger der Mittel- und Oberschicht.

Die Eröffnung

Kommen wir nun auf den informativen und geschmacksintensiven Eröffnungsabend im Alten Rathaus zu sprechen, bei der nun wirklich die hellen Saalleuchten gedimmt hätten werden können. Immerhin war es die ökologisch orientierte Hofpfisterei, die mit Brothäppchen die Durchhaltevermögenden im Anschluss der gut dreistündigen Versammlung belohnte. Geladene Redner und Podiumsteilnehmer waren an diesem Abend Adelheid Biesecker von der Universität Bremen, Peter Höppe als Leiter der Geo Risiko Forschung Munich Re, sowie Ingo Pies als Wirtschaftethiker, und Harald Welzer vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen.

Als Expertin für Mikroökonomische Kompetenz brachte Adelheid Biesecker die These zum Ausdruck, dass in der Wirtschaft nicht nur teilweise falsch gehandelt, sondern auch verkehrt gerechnet würde und folgerte, dass neue Formen der Produkt- und Preisentstehung und -regulierung gefunden werden müssten.

Von den biosystemischen Ansätzen überzeugt wäre es entscheidend auch die weitreichenden und späteren Folgen in die Herstellungsberechnung aufzunehmen, und Soziales und Ökologisches in die ökonomischen Vorgänge einzubeziehen. In Anlehnung an Etzionis These der „responsive community“ , die die Präferenz des Gleichgewichtsstrebens aus der „Ich-Wir-Sichtweise“ (ebd.) erläutert deutet Biesecker in ihren Arbeiten immer wieder auf das Integrationsversprechen hin, dass wir Bürger der zukünftigen Generation und Umwelt schuldig seien.

Als Anschlussredner sprach Harald Welzer vom kulturwissenschaftlichen Institut Essen, der in letzter Zeit durch seine provokanten und direkten Statements viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. „Unsere Kinder sollen es einmal schlechter haben“ wäre die logische Schlussfolgerung des aufgekündigten „Generationenvertrages“.

Damit bezeichnet Welzer ebenso wie Stengel die Notwendigkeit eines Perspektivenwechsels, da die Ressourcen- und Bezugsquellen zunehmend als endlich erfahrbar gemacht und den Verlust eines unerschöpflichen „Außens“ verdeutlicht hätten. Durch den Wegfall dieses „Außens“, wie zu Zeiten der Kolonisierung, in der eine expandierende Zivilisationsmaschiene Aufrecht erhalten werden konnte, müssten neben technologischen Fortschritt praktikable Handelsweisen im Hier und Jetzt gefunden werden, die zur Überwindung der Umwelt- und Klimakatastrophe beitrügen, im Sinne und zu Gunsten des Generationenvertrages.

Ein Film der Eindruck macht

Dieser Aufruf praktisch zu agieren bietet sich als Übergang an zu einem nun ganz anders gestalteten Veranstaltungsabend des vierten (ja wieso eigentlich schon zum vierten Mal – lernen wir denn nicht schneller?) Klimaherbstes. Am 11.Oktober konnten ca. 150 Personen ins Amerikahaus gelockt werden, die sich vorab mit vitalisierenden Gemüse- und Obstsäften aus biologischem Anbau stärken konnten. Gezeigt wurde „No Impact Man“, ein Dokumentarfilm aus Amerika von Colin Beavan. Der gut 90-minütige Film handelte davon, wie der New Yorker und seine Frau und Kind ein Jahr so zu leben versuchten, dass sie keinen ökologischen „Fußabdruck“ hinterlassen würden.

Die Familie versorgte sich mit Nahrungsmitteln aus regionalem Gemüseanbau, die Müllbeseitigung überließen sie ihren Hauswürmern, die den geringen Biomüll zu Kompost umwandeln. Und allzu oft bot sich dem Zuschauer ein ungewöhnlicher Einblick in einen die Stadt entfremdenden Alltag und Lebensstil (wir reden hier immerhin von New York!), wenn zum Beispiel die Fahrräder gefährlich durch die Straßenschluchten der knapp 20 Millionen Einwohner-Stadt manövriert wurden. Als Selbsterfahrung und Fazit nimmt die Familie vor allem das Folgende aus dem einjährigen Experiment mit:

Erstens können viele Dinge, die zunächst als unangenehmer Verzicht eingestuft würden entgegen Erwartungen als angenehme und sinnstiftende Bereicherung erfahrbar gemacht werden, was ein „Zurück“ in die „normale“ Lebensweise unmöglich mache. Und Zweitens könne als wichtigste aller No Impact Maßnahmen die Wertschätzung der Gemeinschaft und des Zusammenhalts von Nachbarschaft und Familie genannt werden.

Denken für die Zukunft

Ein vierter Abend richtete sich nun wiederum mehr an die jüngere Generation. Die BenE München e.V. (Bildung für nachhaltige Entwicklung) initiiert und fördert seit vielen Jahren Wettbewerbe für die Verbreitung des Computerspiels Ecopolicy. Die von Frederic Vester entwickelte Software vermittelt auf spielerische Weise Kompetenzen in Sachen vernetztes Denken und Handeln. Grundlage sind die acht Grundregeln der Kybernetik, wie sich die Steuerungs- und Regelungsvorgänge in Ökosystemen verbessern lassen.

Was man mit den Wettbewerben erreichen will ist die Bewusstmachung langfristigen Denkens bei den Kindern und Jugendlichen und das Erlebbarmachen komplexer und folgenreicher Entscheidungen.
Als ich an dem Abend die Gesichter des Gewinnerteams gesehen habe, war mir eines klar. Der Klimaherbst hat entscheidend für die Verbreitung und Weiterentwicklung der „Lebensstile der Zukunft“ beigetragen.

Nun da der November kommt, können wir gleich ideenreich und aktiv in die Vorbereitungsmaßnahmen für den Winter starten. Auf dem Klimaherbst haben wir alle sicher zahlreiche Vorbilder und Unterstützer gefunden, und gemeinsam können wir uns jetzt leichter dafür entscheiden, den Winter mit gezielten Maßnahmen und umweltschützenden Handlungsweisen hinter uns zu bringen. Bis die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien gelingt (und das kann sie ) müssen vor allem wir selbst aktiv werden.

Foto: Inge Wittenzeller

1 Kommentar zu ““Mein Klimaherbst” – Rückblick einer Besucherin”

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