Ist unsere Welt in Zeiten des Klimwandels überhaupt noch zu retten? Möchten wir einfach nicht wahrhaben, dass unser Lebensstil unseren Planeten zerstört, oder werden wir von den Medien manipuliert? Welche Rolle nimmt der Journalismus im Kampf gegen den Klimawandel ein? Diesen Fragen widmeten sich Wolfgang Zängl, Publizist und Gründer der Gesellschaft für ökologische Forschung, und Dr. Fritz Vorholz, ehemaliger Redakteur der ZEIT, in einer Diskussion am Mittwochabend in der orange bar.
Homo Industrialis
„Verwüstung wird als einziger Nachlass der Industriegesellschaft immer wahrscheinlicher.“
„Für die Welt sehe ich schwarz“, sagt Wolfgang Zängl, ein resigniert wirkender, älterer Herr. Er referiert über unser Zeitalter, das Zeitalter der Zerstörung des Blauen Planeten. Schuld daran sei der „Homo Industrialis“, der durch drei Faktoren, den drei Ms, determiniert wird: die männliche, materialistische, militante Transformation des Homo Sapiens.
Der Homo Industrialis ist nicht im Stande, eine Welt zu hinterlassen, in der es sich zu leben lohnt: Er ist machhungrig und egoistisch. Hatte Thomas Hobbes also doch recht? Hobbes‘ Menschenbild beschreibt das Verhalten im Naturzustand – ‚Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.‘ Er führt Krieg, um seine Interessen durchzusetzen, er füttert kräftig die Rüstungsindustrie, beutet die Armen aus und sichert das Vermögen der Oligarchen. Der Homo Industrialis ist das Gegenteil von genügsam, er definiert sich durch grenzenlosen Konsum, durch den Warenfetisch. Für Zängl ergibt sich daher als einziges Ergebnis die komplette Zerstörung der Erde: „Verwüstung wird als einziger Nachlass der Industriegesellschaft immer wahrscheinlicher.“
Eindrucksvoll beschreibt Wolfgang Zängl in vielen Schritten die Evolution des Menschen, der mit dem Homo Industrialis bald Geschichte sein könnte. Das Jahr 2014 wurde weltweit als wärmstes Jahr seit der Existenz von Wetteraufzeichnungen festgehalten, was nur noch von den CO2-Werten von 2015 übertroffen werden könnte.
Im Radio und in den Zeitungen freuten wir uns dieses Jahr allerdings jeden Tag über den „Super-Sommer“, über Badetemperaturen an der Isar mit einem Eis in der Hand. In einer Welt, in der pro Sekunde zwei Autos produziert werden, fragt sich auch Dr. Fritz Vorholz, ehemaliger Redakteur der ZEIT: Stellen wir uns dumm oder werden wir falsch informiert?
Ignoranz oder Falschinformation?
Vorholz vertritt nach Niklas Luhmann die These, dass Kommunikation für die Schaffung eines kollektiven Bewusstseins unerlässlich ist. Wird ein Ereignis nicht kommuniziert – wie die stetige Erderwärmung -, dann werden sich die Menschen auch nicht über die Existenz des Problems bewusst. Kommunikation wird für die Entstehung eines Diskurses vorausgesetzt. Aufgabe der Medien sollte es also sein, ein kollektives Bewusstsein zu schaffen, eine politische Öffentlichkeit, die zur Meinungsbildung und Information beiträgt.
Event- und „Lifestyle“-Journalismus
Der Journalismus heutzutage hingegen sei des Themas überdrüssig, weil sich keine Veränderung zeige. Die Titelblätter mit brennenden Erdbällen sind ein Ladenhüter und werden so nur noch ungern von den ohnehin angekratzten Printmedien veröffentlicht. Zwei Arten von Berichterstattung gebe es noch, die allerdings nur symptomatisch Hilfe leisten könnten: Der Event- und der „Lifestyle-“Journalismus. Berichte von Klimakonferenzen drängen nicht zur Substanz des Problems, sondern lichteten Akteure ab, die „Theater für die Weltöffentlichkeit“ spielten, so Zängl.
Der Hype um Slow Food, Grüner Leben und Degrowth-Bewegungen löse zwar eine Art ökologisches Bewusstsein aus, das aber auch nicht zum Kern reiche. Insgesamt stimmen die Referenten überein: Die Qualität der Berichterstattung litt wegen dem Niedergang des Printmediums und dessen Zwang zur Marktfähigkeit. Blogs könnten diese Lücke nicht schließen.
Mangelnde Kommunikation
Für die Öffentlichkeit entsteht eine drängende Fehlfunktion, wenn bestimmte Themen nicht mehr kommuniziert werden. Vorholz erläutert, wie der Klimawandel als Sicherheitsrisiko und Fluchtursache in den Massenmedien einfach ausgeblendet wird. So sei in einem G7-Paper veröffentlicht worden, dass eine starke Dürre auch Auslöser für den Bürgerkrieg in Syrien war; der Klimawandel also tatsächlich einen Teil der Verantwortung für Hunderttausende von Toten und geflüchteten Menschen trägt, die jetzt nach Deutschland kommen. Im kollektiven Bewusstsein scheint das noch nicht angekommen zu sein.
„Der Mensch hat die Potenz, alles zu zerstören, er kann aber auch vieles retten.“
Man kam zu dem Schluss, dass dieses pessimistische Bild uns nicht davon befreien könne, uns verantwortlich zu fühlen. Wir wissen, was wir tun. Der Pessimissmus ist keine Schwarzmalerei. Dr. Fritz Vorholz fasste es in die Worte: „Der Mensch hat die Potenz, alles zu zerstören, er kann aber auch vieles retten.“
Die Veranstaltung „Haben wir es nicht gewusst?“ fand im Rahmen des neunten Münchner Klimaherbstes in der Reihe “Klima&Energie” statt und wurde von Green City Energy in Kooperation mit dem Global Changes Network veranstaltet.
Fotocredit: Nico Pfau
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