Die Prüfung oder: Auf dem Mars gibt es keine Bananen

Prolog, etwa 30 Jahre vor der großen Prüfung

„Wir MÜSSEN uns das nicht mehr gefallen lassen!“ Das laute Brüllen des Löwen erschütterte seine Zuhörer bis ins Mark und ließ anscheinend große Begeisterung über die Worte zurück, denn die anderen Tiere johlten und kreischten, summten und krähten ihre Zustimmung. Der Löwe fuhr fort: „Es gibt keinen Grund mehr für uns, weiter auf der Erde zu leben und in den Fleischfabriken der Menschen zu landen! Wir suchen uns einen anderen Planeten, denn alles ist besser, als auf diesem hier zu bleiben!“ Und ehe man „Vegetarisches Menü statt saftiges Steak“ sagen konnte, waren die Tiere der Erde in improvisierte Raumschiffe gestiegen und haben sich auf die Suche gemacht nach einem neuen Planeten.

2062 n. Chr. Erdenzeit, auf dem Planeten Mars

„Wir KÖNNEN uns das nicht mehr gefallen lassen! Das laute Brüllen des Löwen erschütterte seine Zuhörer bis ins Mark und ließ anscheinend große Verwunderung über die Worte zurück, denn der renommierte Notar und UAN-Abgeordnete (UAN = United Animal Nations; Bündnis aller bestehenden Tierarten) Gilbert Grashüpfer fragte: „Haben Sie das nicht schon einmal gesagt, Herr Generalsekretär? Aber, wo Sie recht haben, haben Sie nun einmal recht. Was hat uns der Umzug auf den Mars gebracht? Gar nichts! Ständig müssen wir in diesen lächerlichen Anzügen umherlaufen, in einer Landschaft, die so düster und karg ist, dass wir nur froh sein können, dass wir noch am Leben sind!“ Die übrigen Abgeordneten antworteten mit zustimmendem Raunen. Grashüpfer fuhr fort: „Doch! Es gibt eventuell einen Lichtblick, Freunde! Ich schlage vor, dass wir jemanden aus unseren Reihen auf die Erde schicken, der die Lage überprüft. Vielleicht hat sie doch eine Zukunft und wir können wieder zurückkehren.“ Die meisten Anwesenden stimmten dem Vorschlag ohne Widerrede zu, nur eine Frage blieb noch ungeklärt: Wer würde sich bereit erklären und sich auf einen so langen, gefährlichen Trip begeben, nur um mal kurz auf der Erde vorbeizusehen und wieder zurückzukommen? Plötzlich sah man, wie der halbe Abgeordnetensaal unter den Tischen Schutz suchte oder in Panik den Raum verließ. Unter den wenigen, die übrig blieben, waren Herr Prof. Dipl. Schorsch Oxheimer, ein stark in die Jahre gekommener Frosch mit sorgfältig gepflegtem Schnurrbart, der zum Zeitpunkt des Vorschlags eingeschlafen war, und Carlos Nanaba, ein psychotischer Schimpanse, im Kongress zuständig für den Bananenhandel, dem sowieso alles egal war. Kurzerhand wurden die beiden zu freiwilligen Abgesandten erklärt und mit sichtlicher Erleichterung von den anderen aus dem Saal komplimentiert. „Quuaak! Wundervoll! Ich bin zusammen mit diesem haarigen Bananenfresser auf einer 3-jährigen Reise ins Ungewisse, nur um ein paar Schritte auf der Erde zu machen und dann wieder die gleiche Reise zurück anzutreten! Das Schicksal mag mich wirklich nicht. Queeek!“, dachte Herr Oxheimer, als er am nächsten Tag das Raumschiff zur Erde bestieg. Er selbst war ein engagierter Anwalt, der vor genau 50 Jahren den Menschen wegen seiner umweltverschmutzenden Art angeklagt hatte, aber kläglich gescheitert ist. Sein affiger Begleiter kreischte vor Freude und turnte in den Räumen herum, während er unaufhörlich „Bananen, Bananen, endlich Bananen!“ rief. So machte sich das etwas ungleiche Team auf den Weg …

Drei Jahre später: Umlaufbahn des Planeten Erde; kurz vor der Landung

Oxheimer hatte entschieden die Nase voll von den Turnübungen seines Kollegen. Vom Wahnsinn gepackt und mit blutunterlaufenen Augen ergriff er bei nächster Gelegenheit den Hals von Nanaba und begann ihn heftig zu würgen und zu schütteln: „HÖREN…SIE…ENDLICH…AUF…MIT…DIESEM…BLÖDSINN!!!!!“ Der arme Affe hechelte nach Luft und schlug mit Armen und Beinen um sich, und wäre das Raumschiff nicht in diesem Moment mit Karacho auf die Erde geknallt, wäre dies wahrscheinlich Nanabas letzte Reise gewesen. Sein Angreifer allerdings wurde durch die Wucht des Aufpralls von seinem Opfer getrennt und mehrmals wie ein Gummiball quer durchs Raumschiff geschleudert. Nach minutenlangem, intensivem Erbrechen und Beruhigen betraten ein Frosch und ein Affe als erste Tiere seit etwa 30 Jahren den fruchtbaren Boden von Mütterchen Erde. Als sie sich umsahen, erkannten sie mit Erstaunen, dass sie mitten in einem verlassenen Gewächshaus gelandet waren. Unter der Fülle an exotischen Früchten erwies sich genau eine einem Teammitglied als besonders schmackhaft: „Bananen! Bananen! Ugh, Aggh!“ Mit diesem Schlachtruf auf den Lippen stürzte sich Carlos auf die wohlschmeckende Obstsorte. „Quaak! Beherrschen Sie sich doch!“, ermahnte ihn sein Begleiter, was den Primaten allerdings wenig beeindruckte. Als sich das Duo endlich mit Mess- und Funkgeräten aufmachte und das abgedunkelte Gewächshaus verließ, hielten beide wie vom Blitz getroffen sofort wieder inne und schienen ihren Augen nicht zu trauen, die hektisch umherblickten: Es war helllichter Tag, die Sonne schien und runde Wolken zierten den Himmel. Vor ihnen entfaltete sich eine weite Ebene mit unzähligen Windrädern, die sich im frischen, würzig duftenden Frühlingswind drehten. Neben den Windrädern erstreckten sich weite, fruchtbare Felder, auf denen silbern glitzernde, menschenähnliche Dinge auf Plattformen durch die Gegend schwebten und mit ausfahrbaren Armen Samen in die Erde steckten. Dahinter erhob sich eine unregelmäßige Gruppierung aus Wolkenkratzern, jenen atemberaubenden Stahlkolossen, die den Tieren vor Jahrzehnten den Lebensraum genommen haben. Doch anders als die aus grauer Vorzeit waren diese hier auf den Dächern bewachsen mit Pflanzen und Bäumen und verbunden durch elliptisch geformte Brücken, auf denen weiße Fahrzeuge geräuschlos umherfuhren.

Ein definitiv seltsamer Anblick. Und zwar so seltsam, dass Oxheimer und Nanaba gar nicht überrascht reagierten, als ihnen jemand auf die Schulter tippte und sagte: „Ihr seht aber lustig aus!“ Sie drehten sich um und erblickten einen etwa zehn Jahre alten Jungen in einem futuristischen Anzug, der, wie Oxheimer verstehen konnte, fließend Englisch mit amerikanischem Akzent sprach. Schon nach Sekundenbruchteilen setzte der Frosch zu einer Antwort an, doch da fiel im etwas ein: Er öffnete seinen Rucksack und kramte eine wie ein Kassettenrecorder aussehende Maschine mit Mikrofon heraus, drehte ein wenig an den Rädchen herum und hielt sich das Mikro vor den Mund, als er sprach: „Sei gegrüßt, Mensch. Wir kommen in Frieden, denn wir sind ehemalige Bewohner dieses Planeten.“ „Ihr lügt! Ihr seid Außerirdische!“, antwortete der Junge. „Nein, mein Junge. Früher haben wir mit den Menschen zusammengelebt: Doch als die Erde vor vielen Jahren ein solch schlechter Ort zum Leben geworden ist, sind wir kurzerhand weggezogen.“ „Ah, DIESES früher … Man erzählt uns, dass sich so etwas nie wiederholen darf, weil unsere Vorfahren die Erde schon zu sehr belastet haben. Doch wir haben glücklicherweise aus den Fehlern gelernt und unser Leben von Grund auf verändert. Ach, übrigens, ich heiße Ray. Willkommen in Detroit!“ „Hast du Banane? Will Banane!“, forderte Nanaba, als er Oxheimer das Mikrofon aus der Hand nahm. Dieser war allerdings so überrascht von der Antwort des Jungen, dass er dem Affen das Gerät prompt wieder aus der Hand nahm: „Hast du Detroit gesagt? Ich kann nicht glauben, dass sich eine der ärmsten Städte der USA so sehr verändert hat!“ „Wollt ihr es euch genauer ansehen? Dann kommt mit! Mein Gleiter steht gleich um die Ecke“, bot Ray ihnen an. Dieses Angebot konnten die beiden einfach nicht ausschlagen; schon saßen sie in dem seltsamen Fahrzeug, das bis auf das runde Dach Ähnlichkeit mit einem klassischen Motorrad hatte und sich nun vollautomatisch und ohne Rays Hilfe auf Detroit zubewegte. Mit der Zeit konnten sie Menschen erkennen, die sich alle in diesen fantasievoll aussehenden Anzügen bewegten. „Fast alles auf der Welt wird nun durch das Internet gesteuert. Der Verkehr, die Arbeit, das Leben zu Hause. Auch ich gehe nicht mehr zur Schule, sondern setze mich morgens an den Computer, rufe die neuesten Lerninhalte ab und lerne. Das kann ich mit meinem Smartphone auch unterwegs machen. Nachmittags gehe ich auf das Dach unseres Hauses und spiele dort Basketball, unser Dach funktioniert nämlich als ein Sportplatz. Aber das ist noch lange nichts Besonderes: Auf dem Nachbargebäude befindet sich ein Obstgarten und um die Ecke ist ein Wolkenkratzer mit einer Eislaufbahn auf der Spitze! Kurz: Unsere Freizeit verbringen wir auf den Dächern der …“ „Sekunde. Was ist denn mit dem Erdöl und diesen ganzen Scheußlichkeiten?“, unterbrach ihn Herr Oxheimer. „Das haben wir schon lääängst verbraucht. Die Scheiche sind von heute auf morgen pleite gegangen und Dubai ist nun eine Geisterstadt. Also mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen. Heute kommt Detroits Strom zum Beispiel aus dem Lake Michigan, wo wir ein großes Wasserkraftwerk gebaut haben. Aber auch von der Sonne und vom Wind nehmen wir den Strom für die vielen Roboter und Computer her“, antwortete der Junge, und der Anwalt begann schnell etwas in unverständlicher Schrift auf ein Blatt Papier zu kritzeln. Sie fuhren an einem großen Supermarkt vorbei, wo Roboter mit blauen Mützchen auf dem Kopf Kisten mit italienischem Pesto und Brokkolisoße trugen. Und Carlos Nanaba? Der konnte das Ganze nicht recht glauben und betrachtete abwechselnd mal Ray, mal die Wolkenkratzer, mal die vielen Roboter, mal die autoähnlichen Fahrzeuge, deren Verkehr durch die internetbetriebenen Ampeln gelenkt wurden. Plötzlich hielt der Gleiter vor einem ovalen Gebäude und Ray wandte sich an seine Begleiter: „So, hier ist mein Zuhause. Ich muss euch jetzt leider verlassen, aber es war mir eine Freude… ach, mir fällt da noch etwas ein: Wieso seid ihr beiden denn überhaupt hier?“ Schorsch Oxheimer wandte sich mit einem schelmischen Lächeln zu dem Jungen und sagte: „Sagen wir es so: Es war uns eine Freude. Danke vielmals für alles! Und auf Wiedersehen!“ Nach diesen Worten packte er Nanaba am Arm und das tierische Team wankte seines Weges und ließ einen verwirrten und kopfschüttelnden Ray zurück.

Kaum am Ort ihrer Landung angekommen, meldete sich Oxheimer per Funkgerät bei dem Kongress auf dem Mars und erzählte ihnen die ganze Geschichte. Schon ein paar Tage später, nach einer weiteren ergreifenden Rede des Löwen („Wir MÜSSEN uns das nicht mehr gefallen lassen! …“), packten die Tiere ihre Sachen und verließen den Mars, um wieder auf der Erde zu leben…

Und so lebten Mensch und Tier lange Zeit zusammen, ohne dass einer dem anderen absichtlich Schaden zufügte.

Bis die Menschen wieder Appetit auf Fleisch bekamen…
(Doch das ist eine andere Geschichte.)

Luka Zivkovic, 12 Jahre
Maria-Theresia-Gymnasium, 8d

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