Einfach mal laufen lassen

Wassersparen ist nicht immer sinnvoll. Eine provokante These unseres Autors.

schlauch

Text: Oliver Abraham, Foto: Basti Arlt

100 000 000 000 Liter! So viel Wasser verbrauchen die Münchner pro Jahr. Eine unfassbar große Menge, die rund um die Uhr ausreichend bereitgestellt werden will.

Im trockenen Sommer ebenso wie in der Fußballhalbzeitpause. Damit immer genug da ist, haben die Stadtwerke München drei Versorgungsgebiete erschlossen. So fließen dann also einhundert Milliarden Liter durchs Kanalnetz. Ob man da auch ein bisschen sparen kann? Oder sollte?
Sparen klingt gut, ist es meist auch. Umso paradoxer klingt dies: Manchmal muss Wassersparen auf lange Sicht nicht unbedingt sinnvoll sein und auch nicht billiger. Eine ketzerische Sicht? Tatsache ist: In Deutschland (alte Bundesländer) stieg der Wasserverbrauch bis in die 1970er Jahre kontinuierlich an. Manche Versorger konzipierten ihre Infrastruktur (Zuleitungen, Abwasserkanäle) damals vor diesem Hintergrund und mit einer – damals nicht abwegigen – Prognose steigenden Verbrauchs. Aber: Fließt nicht mehr genügend Wasser durch die Trinkwasserleitungen, können sich Keime bilden. Um schädliche Biofilme zu verhindern, muss die Mindestdurchflussmenge gewährleistet sein – wenn nicht mehr genug Wasser in den Haushalten verbraucht wird, müssen Wasserversorger gegebenenfalls mit Extrawasser
spülen. Nur so kann die gute Wasserqualität erhalten werden. Auch Abwasserkanäle müssen mancherorts extra „gespült“ werden, um nicht zu verstopfen.
Hinzu kommt, dass die Kosten für die eigentliche Ressource Wasser vor dem Hintergrund der Investitionen in die Infrastruktur und der laufenden Kosten von Technik, Personal und Instandhaltung gering sind.

Dennoch: Jeder Kubikmeter Wasser, der der Natur nicht entnommen wird, bedeutet ein bisschen weniger Eingriff in die Natur. Und München? Ist in einer komfortablen Situation: Die Grundwasserneubildung im
Mangfall- und Loisachtal ist doppelt so hoch, wie die Entnahme zur Trinkwasserversorgung, sagt Rainer List von den SWM. Schädigungen für Flora und Fauna in den Gewinnungsgebieten waren und sind daher nicht zu befürchten – zumal der Verbrauch in München stetig sinkt: Von rund 400.000 m³ pro Tag vor zwanzig Jahren auf heutige 320.000 m³, bilanziert der Leiter der Wassergewinnung der SWM.
Für Gewinnung, Transport und Aufbereitung des Münchner Wassers müssen die Stadtwerke darüber hinaus keine Energie aufwenden – das Trinkwasser ist von Natur aus rein und fließt wegen des natürlichen Gefälles von allein aus den Gewinnungsgebieten Mangfall- und Loisachtal in die drei Hochbehälter vor München. Ein knapp 3300 Kilometer langes Rohrleitungsnetz verteilt das Trinkwasser an die Verbraucher. Tatsache ist, dass auch Leitungen in einigen Bereichen Münchens gespült werden müssen. Es sind die Endstränge des Netzes, dort wo Verbrauchers Durchflussmenge am geringsten ist, die Dimension der Rohre aber auch für einen Löschwassereinsatz groß genug sein muss.
München ist in einer Situation, die ihresgleichen sucht: genug Wasser, gesundes Wasser, günstiges Wasser. Trotzdem darf man eines nie vergessen – Wasser ist nicht ersetzbar. Wenngleich die Verbraucher in der Landeshauptstadt inzwischen grundsätzlich an einem Punkt angelangt sind, bis zu dem Sparen sinnvoll war, darf die wertvolle Ressource auch in Zukunft nicht vergeudet werden. Also – seien Sie freundlich zu Ihrem Wasser! Und zu Ihrem Geldbeutel.

Tipps für die Haushaltskasse
– Duschen statt Baden spart 100 Liter
– Garten mit Regenwasser gießen
– Wassersparende Haushaltsgeräte
– Moderne Wasserhähne sparen durch
schnelle Temperaturegelung 30 % Wasser
– Klospülungen mit Spartaste: 4-Personenhaushalt bis zu 36 m³ weniger im Jahr

Ein Artikel aus dem Klimaherbst-Magazin 2008

Kommentieren