Grüner wird`s nicht

Marketingstrategen haben den Trend zur Umwelt längst entdeckt. Weil jeder auf der Seite der Guten stehen will, warnen Verbraucherschützer vor irreführenden Botschaften. Ein Auto bleibt ein Auto.

von Elisabeth Veh

Zwei braun-weiß gefleckte Kühe grasen gemütlich auf einer Wiese. über der hügeligen, sattgrünen Landschaft strahlt die Nachmittagssonne – so hell und klar, wie sie es sonst nur in den Bergen tut. Im Hintergrund: zwei Kühltürme eines Atomkraftwerks. Fast unbemerkt stehen sie da, als wären sie fester Bestandteil dieser Idylle. Die Message der „Klimaschützer“-Kampagne der deutschen Atomlobby: Atomstrom stoppt den Klimawandel. Mit dieser Meinung sind sie nicht allein: Flotte Limousinen tragen das Prädikat „besonders umweltfreundlich“, heißen „E“ wie effizient oder tragen ein „clean“ auf dem glänzenden Lack. Ölmultis werben mit Investitionen in die Solarbranche – ihren „vorrangigen Belangen“. Steinkohle wird als „nachhaltige“ Ressource verkauft. Und ja, es gibt sogar „klimaneutrale“ Wurst.

Das Phänomen heißt: Greenwashing: Unternehmen schrubben ihr Image sauber. Denn der Treibhauseffekt ist in den Köpfen der Menschen angekommen. Nach einer Umfrage des ZDF Politbarometers halten mehr als 80 Prozent der Deutschen den Klimawandel für ein ernst zu nehmendes Problem. Die Vorstellung, dass überall Wälder brennen, der Meeresspiegel steigt und Eisberge schmelzen, sodass kleine Eisbären einsam auf Schollen um den Nordpol treiben, sorgt bei vielen Verbrauchern für ein schlechtes Gewissen. Auf dieses Gefühl haben es die Marketingabteilungen der Konzerne abgesehen. „Das gute Gewissen kann man sich ganz schnell zurückkaufen“, sagt Katja Mrowka vom Klimaprojekt der Verbraucherschutzzentralen, „Für mich, für dich, fürs Klima“. Mrowka ist Juristin und prüft Werbeanzeigen auf ihren Wahrheitsgehalt.
Denn der Klimawandel, er ist ein Geschäft.
Ganz vorne mit dabei sind die großen Energiekonzerne. Sie sind weltweit führend im Ausstoß von Kohlendioxid und setzen daher in ihrer Außenwirkung auf flockige Schäfchenwolken, spritzige Gebirgsbäche und romantische Sonnenuntergänge. Einer von ihnen, Vattenfall, hat jetzt den Climate Greenwash Award gewonnen, eine Auszeichnung von attac, Friends of the Earth und dem lobbykritischen Verband Corporate Europe Observatory an Unternehmen, die in ihrer Werbung offensichtlich gelogen haben. Vattenfall setzt zum Beispiel immer noch auf Steinkohle. Die mag für manchen ihre Berechtigung am Energiemarkt haben – klimafreundlich ist sie aber nicht.
Ähnlich erging es im vergangenen Jahr dem Verband der deutschen Atomlobby: Die massenhaft verbreitete Klimaschützer-Kampagne mit Fotos von grünen Kuhweiden nebst Atommeilern bekam den „Worst Greenwash Lobbying Award“ vom Verein Lobby Control verliehen – so etwas wie die goldene Himbeere in der Werbung. Denn statt auf Umweltschutz setzt der Lobbyverband auf eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke: „Jedes Jahr mehr spült den Unternehmen 10 Milliarden mehr in die Kassen“, rechnet Stefan Kreutzberger in seinem Buch „Die Ökolüge“ vor. Dieter Marx vom Deutschen Atomforum verteidigt sich gegen den Vorwurf, ein Klimalügner zu sein, und hat im Internet eine Web-2.0-Plattform für Stromkunden eingerichtet. Er meint, „der Bürger weiß zu wenig über Atomenergie und hat deswegen auch latent eine Ablehnung vor Augen“.
Aufklären möchte auch Katja Mrowka, allerdings von der anderen Seite. Denn fast alle Branchen verwenden inzwischen den Greenwashing-Stempel – sie nennen sich „klimaneutral“. Für jemanden, der nach der Arbeit um kurz vor acht durch den Supermarkt hetzt, klingt das erst einmal super. Leider verbergen sich hinter dem sauber anmutenden Adjektiv komplexe Zusammenhänge aus Emissionszertifikaten und CO2-Fußabdrücken. Zu kompliziert, meint Katja Mrowka: „Als Verbraucher muss man so viele Entscheidungen treffen, sich um den richtigen Handyvertrag kümmern, und jetzt auch noch unterscheiden können, was wirklich klimaneutral ist, und was nicht.“
Mehr als 60 Kollegen von Katja Mrowka wollen das in Zukunft ändern, planen Informationskampagnen und wollen notfalls auch gegen irreführende Werbung klagen.
Unter anderem werden die Verbraucherschutzzentralen raus an die Tankstellen gehen, und da mit Autofahrern Reifendruck messen und Spritverbrauch überprüfen. Ein guter Ort, denn ausgerechnet die Autoindustrie versteht sich selbst als Umweltschützer: „Wir sind grün“, hat im vergangenen Herbst noch ein großer deutscher Autohersteller verkündet.
Dessen neue Benzin-Limousine, 6-Zylinder, verspricht: „Nur geringe Schadstoffmengen in der Luft und ein reines Gewissen bei Ihnen.“
Das dicke Ende steht beim Kleingedruckten: zwölf Liter Verbrauch auf 100 Kilometer, in der Stadt sogar 17. Auch ein anderer deutscher Autobauer scheint sich in den letzten Jahren zu sehr auf sportliche Flitzer mit Sitzheizung eingeschossen zu haben, um jetzt, wenn der Verbraucher klimafreundliche Autos wünscht, einen wirklichen Kurswechsel hinzubekommen. Daher steht neben der aerodynamischen
Schnauze eines 8-Zylinder-Ungetüms mit 350 PS ein fettgedrucktes „WENIGER!“. Die CO2-Emissionen sind jedoch mit rund 229 Gramm pro 100 Kilometer fast doppelt so hoch wie der europäische Durchschnitt. „Wer´s glaubt ist selber schuld“, schreibt dazu auch Stefan Kreutzberger in seinem Buch „Die Ökolüge“, und analysiert den Flottenverbrauch. Das Ergebnis: „Viele Hersteller haben den CO2-Ausstoß nicht gesenkt, sondern sogar gesteigert:“ Der Durchschnittswert der deutschen Fabrikate lag 2008 immer noch bei 170 Gramm pro 100 Kilometer – europaweit sind es nur 158. Grün ist das nicht.

Aber selbst wenn die Werbung näher an der Wahrheit liegen würde – wer ein klimaneutrales Würstchen auf den Grill legt, gewinnt keine Medaille. Auch das Geld, das man nach einem Langstreckenflug für die Atmosphäre spendet oder durch den Verzehr eines weltweit genormten Burgers in ein Regenwaldprojekt investiert, gleicht die eigenen CO2-Sünden lediglich aus.
Das ist die eigentliche Krux am Greenwashing: Wer klimaneutral konsumiert, der schadet der Ozonschicht zwar nicht – macht aber auch nichts besser. „Hauptsächlich geht es doch ums Vermeiden“, betont Katja Mrowka vom Klimaprojekt der Verbraucherzentralen. Nur wer weniger konsumiert, sei wirklich grün – „vom bloßen Kompensieren werden wir aber bestimmt nicht gerettet werden“.

Elisabeth Veh ist Reporterin beim Bayerischen Rundfunk und ist Expertin für die neue Umweltbewegung.

Greenwashing,
Vortrag mit Katja Mrowka,
Mi., 21.10., Verbraucherzentrale
T 089 539 87 81 5 S 22

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Mo., 26.10., Selbsttest-Aktion, Werkhaus
T 0172 896 26 74 5 S 25

1 Kommentar zu “Grüner wird`s nicht”

  1. Conni sagt:

    Tatsächlich ärgert man sich als mündiger Verbraucher schon länger darüber, dass einige Firmen „grün“ benützen, um ihre Umsätze zu steigern – gerade von Produkten, die eigentlich bisher kritisch zu bewerten waren. Ob das Produkt wirklich „grün“ ist, ist meist auf Anhieb nicht zu erkennen… und so ist der Aufwand eine Kaufentscheidung zu treffen eher höher geworden, will man keiner Verschleierungstaktik auf den Leim gehen.

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