Haus ohne Heizung

Familie Busls bestellte die Ökokiste, verkaufte das Auto und zog dann in ein Passivhaus. Noch vor ein paar Jahren wären die Busls als Ökofreaks belächelt worden. Heute ist ihr Lebensstil in der Messestadt Riem Teil des Mainstreams.

von Viktor Denk

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Es war im Januar 2008, als die Busls in Urlaub gefahren sind, mit einem Möbelwagen. Zurückgekommen sind sie nicht mehr, der Urlaub dauert an. Edwin Busl gehört zu den Glücklichen, die ihr Zuhause als Urlaubsort betrachten. Er wohnt mit Frau und Sohn in der Messestadt, direkt an der Promenade, direkt am Riemer Park, hat einen Garten um sein Häuschen. Und das ist ein Ökohaus, genauer: ein Nullenergie-Haus. „Wir haben noch immer so ein Urlaubsgefühl in unserem Haus“, sagt Edwin Busl, eineinhalb Jahre nach dem Einzug. Eigentlich, erzählt er, während er in seinem Garten sitzt, eigentlich haben sie nie an ein eigenes Haus gedacht. Aber eines Tages hat er Joachim Nagel getroffen und ihn reden hören von einem speziellen Wohnprojekt in Riem im Passivhaus-Standard mit Photovoltaikanlage auf dem Dach. Nagel betreibt in Unterhaching den kleinen Bauträger Nest, einen Familienbetrieb, der spezialisiert ist auf Passivhäuser. In München hat er eines schon 2002 in der Messestadt verwirklicht, 2004 dann im Neubaugebiet Ackermannbogen.

Und nun sollte die Krönung kommen, ein Haus, das die wenige Energie, die es trotz Super-Dämmung und Wärmerückgewinnungsanlage im Keller doch noch benötigt, aus der Sonne holt. Da hat Edwin Busl dann, obwohl er es nicht wollte, ausrechnen lassen, ob er mit seiner bisherigen Miete auch ein Haus abzahlen könnte. Die Bank hat ihm und seiner Frau den Kredit gegeben, und so haben sie den Möbelwagen in die Heinrich-Böll-Straße gesteuert. Edwin Busl, 53 Jahre alt, Geografie-Lehrer von Beruf, war schon immer irgendwie Öko.

Vor 17 Jahren hat er sein Auto abgeschafft, hat sein Obst und Gemüse in Ökokisten anliefern lassen. Und weil er immer von einem Holzhaus geträumt hat, hat er den Bauträger und seine Reihenhaus-Nachbarn so lange be- arbeitet, bis alle einverstanden waren, das dreispännige Reihenhaus aus Holz zu bauen. Jetzt zieht sich ein so gewaltiger Holzbalken an der Decke durch Wohn-, Esszimmer und Küche, dass man den ökologischen Charakter des Busl‘schen „Ferienhauses“ auch sinnlich erfahren kann. Die warmen Wandfarben, der durchgehende Holzboden und die Vollholzküche machen alles noch gemütlicher.

Jetzt also sitzt Edwin Busl draußen im Garten und erzählt, wie ihn die Spaziergänger auf der Parkpromenade immer wieder ansprechen. Manchmal bleiben sie stehen, schauen über die Hecke, outen sich dann selbst als Garten-Freaks und geben ihm Tipps. Sie sehen sein 250-Quadratmeter-Grundstück, das so ganz anders angelegt ist, als man es von einem deutschen Vorgarten erwarten würde. Kein Englischer rasen, ja, überhaupt kein rasen, weil gleich nebenan eine große Wiese ist, auf der der elfjährige Martin mit seinen Freunden aus dem Viertel Fußball spielen kann. Dafür ein kleiner Teich, zwei Hochbeete, gezimmert aus Abfallholz vom Hausbau, und dazwischen Kies, weil das der normale Untergrund ist auf der Münchner Schotterebene. Und heimische Pflanzenarten. Er hat eigens einen Permakultur-Kurs besucht im ÖBZ, erzählt Busl, denn richtig pflanzen will gelernt sein. Und jetzt ist er stolz auf seinen Nichts-tu-Garten, weil die Natur künftig für sich selbst sorgen soll und das offensichtlich auch gut kann.

Das Busl-Haus passt in einen Stadtteil, den die Stadt München als Öko-Quartier geplant hat. Hier gibt es diverse energiesparende Wohnprojekte, von den Genossenschaftsanlagen von Wogeno und Wagnis bis zum autofreien Wohnen. Gebaute Nachhaltigkeit ist das. Bald wird sich auch für die Busls die Investition in ihr Ökoanwesen finanziell auszahlen. Ihren Strom holen sie aus der Sonne: Auf den Dächern der Wohnanlage, zu der auch ein Riegel mit Etagenwohnungen gehört, ist eine Solaranlage installiert. Die Busls leben energetisch quasi autark. Denn heizen müssen sie ihre 120 Quadratmeter auf vier Etagen so gut wie gar nicht. Nur im Badezimmer gibt es einen kleinen Heizkörper. Es wird nie richtig kalt, weil das Haus so gut gedämmt ist und innerhalb der Lüftungsanlage ein Wärmetauscher im Keller die Energie aus der warmen Abluft rauszieht und damit die frisch einströmende Luft vorwärmt. Die Abwärme von elektrischen Geräten wie Computer oder Herd tun das übrige.

Und sogar die Körperwärme von Edwin Busl und seiner Familie. Das Ergebnis: Nie wieder heizen – eben wie im Urlaub.

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1 Kommentar zu “Haus ohne Heizung”

  1. Verena sagt:

    Also mit Ökofreaks hat das wirklich wenig zu tun. Ich selbst wohne in einem energieeffizienten Haus und spare dadurch zu manchen Euro und tue zudem noch etwas für die Umwelt.

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