So werden Sie zum Klimaretter

Und was soll man da jetzt tun? Der Klimaherbst hat zwei Wochen lang auf mehr als 50 Veranstaltungen über aktuelle Debatten zur Energiewende und zum Klimawandel informiert. Was soll man nun tun? Zur Einstimmung auf die Abschlussveranstaltung des Klimaherbstes bringen wir ein Zehn-Punkte-Programm zum Klimaretten. Verfasst von Nick Reimer, der neben Hermann Scheer und anderen Experten auf der Veranstaltung über einen neuen Lebensstil und die Verantwortung der Politiker diskutieren wird.

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Ihr Zehn-Punkte-Plan: So werden Sie Klimaretter


Jetzt sind Sie dran! Eine Halbierung der deut schen Treibhausgas-Emissionen ist also möglich – dafür braucht es mutige Entscheidungen der Politik und tiefgreifende Änderungen in der Wirtschaft. Und jeden Einzelnen – also Sie. Werden Sie Klimaretter! Es ist gar nicht schwer. Auf der Internetseite zum Buch (www.wir-klimaretter.de) finden Sie einen Rechner für Ihre ganz persönliche Kohlendioxid-Bilanz. Sie werden überrascht sein, wie viele Tonnen pro Jahr zusammen kommen. Jede Glühbirne bedeutet jährlich 29 Kilogramm Kohlendioxid. Ein typischer Kühlschrank schlägt mit 138 Kilogramm zu Buche. Ein Jahr Autofahren verursacht mindestens 2000 Kilogramm. Pro Kopf kommen für jeden Deutschen etwa zehn Tonnen zusammen. Hier sind die ersten zehn Schritte, mit denen Sie Ihr Konto entlasten können – ohne auf irgendetwas oder irgendjemanden warten zumüssen.

1. Wechseln Sie den Stromanbieter

Vor der Liberalisierung des Strommarktes erklärten 60 Prozent der Deutschen in Umfragen, sie würden auf Öko-Strom umsteigen. Heute, acht Jahre später, bezieht noch nicht einmal ein halbes Prozent aller Verbraucher saubere Elektrizität. Hätte nur die Hälfte der Befragten ihre Pläne umgesetzt – die Stromkonzerne würden sich ihre Baupläne für neue Braunkohlekraftwerke gut überlegen. Dreißig Prozent Öko-Strom, und RWE und Eon hätten längst ihren dritten Offshore-Windpark ans Netz geschaltet – statt neue Kohlekraftwerke zu planen. Derzeit gibt es vier überregionale Anbieter, die fast kohlendioxidfreien Strom offerieren: Lichtblick, die Elektrizitätswerke Schönau (EWS), GreenpeaceEnergy und Naturstrom. Nur diese vier Anbieter verkaufen tatsächlich grünen Strom: Der Öko-Tarif Ihres örtlichen Energieversorgers ist nur ein Trick, um Sie vom Klimaschutz abzuhalten. Während nämlich die vier Öko-Strom-Anbieter ihren Gewinn in neue Annlagen investieren, landet Ihr vermeintliches Öko-Tarif-Stromgeld beim örtlichen Energieversorger in derselben Kasse wie das Kohle-und Atomstromgeld. Aus dieser Kasse tätigt Ihr regionaler Stromanbieter dann seine Neuinvestitionen. Öko Pur heißt zum Beispiel in Berlin der Öko-Tarif von Vattenfall. Jetzt will der Konzern kein neues Windrad, sondern ein neues Steinkohlekraftwerk in der Hauptstadt bauen. Ab 2012  Ab 2012 soll es zwei Millionen Tonnen Steinkohle pro Jahr verfeuern. 40 neue Kohlekraftwerke wollen die Stromkonzerne in den nächsten  Jahren nach Angaben der Bundesnetzagentur in Deutsch land bauen. 40 neue Klimakiller also sollen mit Ihrem Stromgeld finanziert werden. Machen Sie den Energiekonzernen Dampf! Wechseln Sie zu ei nem Öko-Strom-Anbieter! Unter www.wir-klimaretter.de/energiewende finden Sie Details zu den Anbietern und Anträge zum Wechseln. Aus drucken, ausfüllen, abschicken, fertig. Dauert höchstens fünf Minuten.

2. Verdienen Sie sich Geld – durch Stromsparen

Es ist höchste Zeit, eine hundert Jahre alte Technik ins Museum zu verban nen: die Glühbirne. Lediglich zehn Prozent der eingesetzten Energie verwandelt sie in Licht. Wechseln Sie deshalb zu Energiesparlampen! Den höheren Kaufpreis haben Sie schon innerhalb des ersten Jahres über den ein gespar ten Strom wieder eingespielt. Außerdem hält eine Sparlampe zehn- bis zwanzigmal solange wie die konventionelle Birne, spart über ihre gesamte Lebensdauer mehr als das Zehnfache ihres Anschaf fungspreises an Stromkosten. Eine solche Rendite bietet nicht eimal der höchst spekulative Aktienfonds. Mehr solcher lukrativen Tipps zum Geld verdienen finden Sie unter: www.wir-klimaretter.destromsparen

3. Fliegen Sie nicht – oder zumindest klimaneutral

Eine Flugreise ist der größte Klimafrevel, den Sie überhaupt begehen können. Kein Verkehrsmittel ist so schädlich für die Atmosphäre wie das Flugzeug, auch wenn Reiseveranstalter neuerdings mit niedrigem Kerosinverbrauch werben. Denn in 10 000 Metern Höhe richten die Abgase viel mehr Schaden an als am Boden. Einmal Frankfurt-Teneriffa und zurück verursacht so viel Klimaschaden wie ein ganzes Jahr Autofahren. Sparen Sie sich deshalb Ihren nächsten Wochenend-Trip nach London. Und nehmen Sie im Inland den Zug. Müssen Sie dennoch nach New York oder Indonesien – weil Ihr Bruder heiratet oder Sie unbedingt einmal im Lebenden tropischen Regenwald sehen müssen –, dann neutralisieren Sie auf jeden Fall das dadurch verursachte Kohlendioxid. Die Firma Atmosfair berechnet exakt, wieviel Treibhausgas Sie mit Ihrem Flug verursachen – und sagt Ihnen, wieviel Sie spenden müssen , damit der Klimaschaden an anderer Stelle ausgeglichen werden kann. Atmosfair finanziert mit diesen Spenden beispielsweise Solarkocher für Groß kantinen in Indien. So wird das Kohlendioxid der bisher verwandten Dieselherde eingespart, und Sie machen den von Ihnen verursachten Klimaschaden ein bisschen wieder gut. Unter www.wir-klima retter.de/reisen finden Sie Atmosfair und Hinweise auf Reiseveranstalter, die Ihnen schon bei der Reisebuchung einen Ausgleich für den Klima schaden anbieten.

4. Heizen Sie sparsam

80 Prozent ihrer Energie verbrauchen die Privathaushalte fürs Heizen. Wieviel Kohlendioxid durch modernes Bauen und die Sanierung von Altbauten eingespart werden kann, haben Sie im Kapitel 11 gelesen. Es geht aber noch simpler und schneller. Stehen Sie einfach von Ihrem Sofa auf und drehen Sie den Thermostat der Heizung einen Strich herunter. Ja, jetzt. Sofort! Die Absenkung der Raumtemperatur um ein einziges Grad Celsius spart ca. sechs Prozent der Heizenergie! Falls Sie gerade unter sommerlicher Hitze ächzen – der nächste Winter kommt bestimmt, trotz Klimawandel. Bis dahin haben Sie genug Zeit für eine gründlichere Planung Ihres Heizenergieverbrauchs. Eine kleine Isolierschicht zum Beispiel, direkt hinter den Heizkörpern auf die Wand aufgebracht, nützt bereits viel. Weitere Tipps unter: www.wir-klimaretter.de/heizen

5. Pflanzen Sie einen Baum …

Wangari Maathai, die Friedensnobelpreisträgerin aus Kenia, sagt: »Jeder kann ein Loch graben und einen Baum pflanzen, dafür braucht man nicht mal ein Diplom.« Bäume speichern Kohlendioxid. Bäume pflanzen ist deshalb bester Klimaschutz. Wangari Maa thai hat sich zum Ziel gesetzt, dass – bevor sie stirbt – es eine Milliarde neuer Bäume auf der Welt gibt. Wangari Maathai ist 67 – ohne Ihre Hilfe wird sie dieses Ziel nicht erreichen. Ihren gepflanzten Baum registrieren Sie übrigens unter www.wir-klimaretter.de/bäume. Sie werden staunen: Schon Millionen Menschen helfen Wangari Maathai.

6. … und bauen Sie mit Holz

Damit das Kohlendioxid, das die Bäume ein fangen, nicht wieder in die Atmosphäre entweicht, sollte Holz nicht verbrannt, sondern ge nutzt werden. Das Küchenbrett, das Regal, das Eigenheim – wo immer möglich, verwenden Sie Holz. Na türlich, Produkte aus Plastik sind oft billiger, eine Trockenbauwand aus Holzkostet mehr als eine aus Gipskarton. Aber Kunststoffe und die üblichen Baumaterialien verursachen bei ihrer Herstellung Kohlendioxid, ein Regal aus Holz dagegen ist ein wahrer Kohlestoffspeicher. Unter www.wir-klimaretter.de/bauen finden Sie Hinweise und Produkte.

7. Investieren Sie Ihr Geld in Klimaschutz

Wissen Sie eigentlich, was Ihre Bank mit Ihrem Geld macht? Egal ob Sie nur ein bisschen Geld auf dem Sparbuch haben oder etwas mehr in Akti endepots oder Rentenfonds anlegen – den meisten Finanzverwaltern ist das Klima egal. Sie investieren, wo der größte Gewinn lockt. Inzwischen aber erwirtschaften ökologische, kliamaschonende Geldanlagen oftmals mehr Rendite als einfache Sparkonten oder die Aktien von Stromkonzernen und Autoherstellern. Der Aktien in dex NAI, in dem 30 vorbildliche Unternehmen zusammen gefasst sind, brachte seit 1997 ein Plus von 306 Pro zent, das sind 15,6 Prozent pro Jahr. Der Aktien in dex MSCI Welt, in dem die weltweit wichtigsten Unternehmen zusammen gefasst sind, stieg in derselben Zeit nur um 6,7 Prozent pro Jahr. Fragen Sie also Ihre Bank nach ökologischen oder ethischen Geldanlagen – entziehen Sie klimaschädlichen Firmen das Geld und investieren Sie in Solarfirmen oder Eisenbahn unternehmen. Unter www.wir-klimaretter.de/Geld erfahren Sie mehr.

8. Halbieren Sie Ihren Fleischkonsum

Gönnen Sie sich ökologisch erzeugtes Fleisch, es schmeckt viel besser als die Produkte aus den Tierfabriken. Wenn Sie künftig nur noch halb so viel Fleisch essen wie bisher, sparen Sie unterm Strich sogar noch Geld. Und schützen das Klima, denn die weltweite Viehwirtschaft trägt nach Berechnungen der Welternährungsorganisation FAO mit 18 Prozent zum menschengemachten Treibhaus effekt bei. Rezepte finden Sie unter: www.wir-klimaretter.de/fleischlos

9. Geben Sie dieses Buch weiter

Je mehr Leute über den Inhalt nachdenken, umso mehr Ideen und Taten für den Klimaschutz werden geboren. Sie können aber ruhigen Gewissens auch ein weiteres Exemplar kaufen und verschenken, denn dieses Buch ist klimaneutral hergestellt – die bei Recherchen, Druck und Vertrieb entstanden Kohlendioxid-Mengen wurden an anderer Stelle wieder eingespart. Dafür haben Verlag und Autoren mit Abgaben an die Kohlendioxid-Ausgleichsagentur Atmosfair gesorgt. Und die bei den Autoren schrieben dieses Buch auf Computern und unter Schreibtischlampen, deren Strom von den Öko-Anbietern »Lichtblick« und »EWS Schönau« kam.

10. Werden Sie akiv.

Bringen Sie andere auf Trab! Lesen allein hilft dem Klima nicht – dieses Buch und auch die vorherigen neun Ratschläge sind nur ein Anfang zur Rettung der Welt. Sie müssen aktiv werden – und andere dazu drängen, ebenfalls aktiv zu werden. Ihre Nachbarn, Ihren Chef, die Bundeskanzlerin. Die notwendigen Verände run gen in Politik und Wirtschaft werden nicht von ganz al lein Wirk lich keit – Sie müs sen mit hel fen, Druck ausüben. Auf der Internetseite zum Buch (www.wir-klimaretter.de) finden Sie weitere Informationen, zum Beispiel Hinweise auf klimascho nende Produkte oder politische Protestaktio nen. Dort können Sie auch eigene Ideen und Erfahrungen mit anderen Lesern teilen. Machen Sie mit! Werden Sie ein Klimaretter!

Copyright: Toralf Staud / Nick Reimer: Wir Klimaretter. So ist die Wende noch zu schaffen. (c) 2007 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln.

Leseprobe aus „Wir Klimaretter – So ist die Wende noch zu schaffen“:

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