Wie mit veganen Produkten Kasse gemacht wird

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Die Kluft zwischen unserem Gesundheitsbewusstsein und unserer tatsächlichen Lebensführung ist eklatant. Während sich unser Arbeitsleben immer mehr in stickigen Büros abspielt, wir die meiste Zeit unseres Wachens auf unterschiedlichste Bildschirme starren und der so wichtige Schlaf zu einem kostbaren Luxusgut wird, wächst im scheinbar selben Maße unser Bewusstsein für eine bewusste und ausgewogene Ernährung und die Benefits einer aktiven Freizeitgestaltung.

Für die Lebensmittelindustrie ist dieser Zwiespalt ein gefundenes Fressen.

Wir werden seit geraumer Zeit geradezu zugebombt mit Fernsehwerbungen, Ratgebersendungen und Apps, die uns den neuesten gesunden Ernährungstrend und die angesagtesten Sportarten näherbringen möchten. Grünkohl, Bouldern, Stand-Up Paddling, Chiasamen, Superfoods, Doktor Kawashimas Gehirn-Jogging. You name it. Das ist auf den ersten Blick natürlich erfreulich, zeigt es doch einfach ein gesamtgesellschaftlich wachsendes Bewusstsein für das Thema Gesundheit. Und tatsächlich ermöglicht uns wissenschaftliche Forschung einen immer exakteren Einblick in körperliche sowie geistige Vorgänge und Zusammenhänge, die eine stetig breiter werdende Wissensgrundlage für jeden Einzelnen bereiten. Das ist natürlich begrüßenswert und schafft uns im besten Fall tatsächlich Möglichkeiten, unsere Lebensqualität zu verbessern.

Gutes Gewissen von der Stange

Einzig, es bleibt meist schöne Illusion. Denn all diese Erkenntnisse und Entwicklungen finden tatsächlich nur in geringem Maße den Weg in unseren Alltag. Entweder, weil wir dem Thema Gesundheit ignorant gegenüberstehen oder weil unsere Tage so überbelegt sind, dass wir für das Kochen gesünderer Mahlzeiten, zum Sporttreiben oder für die Meditation einfach keine Zeit finden. Derart gefangen in unserem Wissenphilistertum, also dem Umstand, dass wir wider besseren Wissens handeln und dem daraus resultierenden schlechten Gewissen, spielen wir der Werbebranche direkt in die Karten. Denn diese setzt genau hier den Hebel an: An unserem schlechten Gewissen. Und das in einem Ausmaß, das man durchaus als perfide beschreiben kann. Denn wie funktioniert Werbung in seiner Essenz? Sie suggeriert uns einen Idealzustand, etwa einen gesunden, durchtrainierten Körper, das idyllische Zuhause oder eine sorgenfreie Freizeitgestaltung, der als sehr einfach erreichbar dargestellt wird. Nämlich indem wir in den Supermarkt laufen oder die Website X besuchen, um Produkt Y erwerben. Also im ganz klassischen AIDA-Stil: Aufmerksamkeit erregen, Interesse wecken, Verlangen schaffen und zur Tat, also dem Kauf, aufrufen.

Das Perfide ist nun, dass uns durch die Werbung weniger konkrete Produkte, sondern viel mehr abstrakte Emotionen nähergebracht werden, die nur noch lose mit dem Produkt zu tun haben. Denn ein Produkt an sich ist entweder austauschbar oder gar gänzlich verzichtbar. Die Emotion, das in Aussicht gestellte Wohlgefühl hingegen ist es, was uns tatsächlich zur Handlung motiviert. Besonders in einer Zeit, in welcher wir augenscheinlich immer präziser beschreiben können, wie wir uns fühlen und was uns unter Umständen fehlt. Was die Werbung selbstverständlich unterschlägt, ist das Level an intrinsischer Motivation seitens des Konsumenten, das nötig ist, um den gezeigten Idealzustand tatsächlich zu erreichen. Dass es zum Abnehmen eben doch mehr benötigt, als lediglich einen Shake zuzubereiten. Dass es Willensstärke bedarf, um mit dem Rauchen aufzuhören. Dass es Recherche und Zeit braucht, um seine Ernährung zum Besseren umzustellen.

Trendsploitation und fragwürdige Beweggründe

Vor allem rund um die Ernährung suggeriert uns Werbung permanent, wie einfach es doch sei, auf gesündere Varianten umzusteigen. Das zeigt sich ganz besonders bei den Themen Vegetarismus und Veganismus. Ein Trend, der in den letzten Jahren erfolgreich den Sprung in die Mitte der Gesellschaft geschafft hat. Während vor allem Veganer lange Zeit im besten Fall belächelt, meist aber direkt als quälgeistige Gutmenschen-Prediger dargestellt wurden, findet man heutzutage sogar im hinterletzten Discounter eine mehr oder weniger üppige Auswahl an veganen Produkten. Hier wurde ein Trend erkannt und äußerst profitabel ausgebaut. „Trendsploitation“ nennt David Alke, Marketingleiter des Onlinehändlers deinPhone, diese Strategie. Ein Verwahren, dass sich in nahezu jedem Bereich subkulturellen Lebens beobachten lässt.

Vegan versus gesund

Die Werbung zieht hier für den gesundheitsbewussten Konsumenten stets die direkte Assoziation zwischen vegan und gesund. „Ernähre dich vegan und du ernährst dich automatisch gesünder.“ Das wird vor allem dann offensichtlich, wenn man gegenüberstellt, aus welchen Gründen viele Veganer eigentlich auf eine diese Diät umgestellt haben. Hier werden nämlich vorrangig ethisch-moralische Überlegungen genannt. Der gesundheitsfördernde Aspekt wird oft eher als positiver Nebeneffekt angegeben.

Moralische Gründe werden in der Werbung für vegetarisch-vegane Produkte aber so gut wie gar nicht angeführt. Das Tierwohl, die eigentliche Wurzel des „Trends“, spielt in der Reklame keine Rolle. Zumindest nicht für die momentanen Big Player wie beispielsweise Wiesenhof oder Rügenwalder. Und das macht Sinn. Immerhin sind das primär Fleischwarenproduzenten, die mit vegetarisch-veganen Ausweichprodukten lediglich ihre Produktpalette erweitern, um neue Kundengruppen zu erreichen. Nun kann man sich natürlich vortrefflich darüber streiten, ob das für die Sache an sich denn nicht irrelevant sei, wer welches Produkt aus welcher Gesinnung heraus verkauft. Viele, die sich schon länger fleisch- oder generell tierproduktfrei ernähren, müssen aber beobachten, dass diese großen Produzenten mit ihren Waren kleinere Hersteller aus den Supermarktregalen verdrängen. Für Einzelhandelseinkäufer macht das absolut Sinn, für den Kunden ist es oftmals ein Ärgernis.

Dass aber auch das Hauptwerbeargument, nämlich der gesundheitsfördernde Effekt der Produkte, hahnebüchen ist, macht spätestens ein Blick auf die Zutatenliste deutlich. Hier wimmelt es vor Konservierungsstoffen, Geschmacksverstärken und fragwürdigen Aromaquellen. Also nicht anders als bei den nicht veganen Convenience-Waren. Lebensmittelforscher haben zudem in vielen fleischfreien Wurstalternativen erhöhte Konzentrationen an Rohöl nachgewiesen. Welche Stoffe daneben noch im Produkt landen, aber auf rechtlicher Grundlage vielleicht gar nicht erst angegeben werden müssen, kann man nur mutmaßen.

Von „gesund“ kann man da beileibe nicht sprechen. Den Absatz scheint dieser Umstand allerdings nicht zu schmälern. Denn die Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Beschaffenheit der Lebensmittel ist wieder mit Aufwand seitens des Konsumenten verbunden, welcher aber konträr zu den Werbeversprechen und dem vermittelten Lifestyle steht.

Bild: Pixabay, CC0 Creative Commons



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