Elektroautos – mit Gedankenkraft gesteuert?

Ausgerechnet in dem Jahr, in dem der 125. Geburtstag des Automobils gefeiert wird, hat man plötzlich den Eindruck, als ob die Mobilität neu erfunden würde. Hier nur drei der verblüffenden Meldungen, die in den vergangenen Wochen durch die Presse geisterten: Daimler-Chef Dieter Zetsche sprach im Interview mit dem STERN von seiner Vision fliegender Autos, die durch erneuerbare Energien angetrieben würden. Gleichzeitig liest man, dass in China pro Jahr über 20 Millionen Elektrofahrräder verkauft werden – wobei deren Durchschnittsgeschwindigkeit mit 20 bis 30 km/h mittlerweile so hoch liegt, dass sie innerorts zwei- bis dreimal schneller sind als die Stop-and-Go fahrenden Autos. Und an der Freien Universität Berlin haben Forscher eine Software entwickelt, mit deren Hilfe ein Auto allein durch Gedankenkraft nach links und rechts gesteuert sowie beschleunigt und gebremst werden kann…

Was bedeutet all das? Fangen wir mit dem dritten Beispiel an. Es ist nur ein besonderes Highlight eines Trends, der alle Fahrzeughersteller seit Jahren umtreibt. Schon heute sind Autos eher Computer auf Rädern als Kisten aus Stahl und Kunststoff. Und in Zukunft werden sie noch über viel mehr Sensoren verfügen, und sie werden Software genauso tanken wie Benzin oder Strom.

Letztlich wollen die Autoproduzenten ihren Blechgeschöpfen damit das beibringen, was ihre Vorgänger aus Fleisch und Blut schon seit Jahrtausenden können: Pferde kollidieren höchst selten mit anderen Pferden, sie kommunizieren durch Schnauben und Wiehern, sie haben stets im Blick, was vor, neben und hinter ihnen passiert, weichen Hindernissen aus und hören im Allgemeinen auch auf die gesprochenen Befehle ihrer Reiter. Kamele sind sehr genügsame Energieverbraucher und wenn sie Abfall produzieren, dann ist der biologisch abbaubar. Und ein Esel findet selbst nach Hause – notfalls sogar, wenn sein Reiter eingeschlafen ist.

Wenn mein Auto mit der Ampel spricht

Die Autos von morgen sollen all dies auch können: mit vielfältigen Sinnesorganen die Umgebung abtasten, mit anderen Fahrzeugen in Kontakt treten, notfalls selbstständig agieren, um Unfälle zu vermeiden, und mit ihrem Treibstoff so sparsam und umweltfreundlich wie möglich umgehen. Im Herbst 2010 ist jetzt erstmals ein Auto vollautomatisch mit bis zu 60 km/h durch den Stadtverkehr in Braunschweig gefahren – und auch das Fahrzeug der FU Berlin war ein solches „Drive-by-wire“-Auto, das nur zusätzlich Steuersignale durch die Gehirnströme erhalten hat, die über eine Haube auf dem Kopf des menschlichen Passagiers gemessen wurden.

Manche Autos können auch schon mit der Infrastruktur sprechen. So wurden in Houston, Texas, 400 Ampeln mit Kommunikationschips ausgestattet – wenn sich Einsatzfahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr oder Rettungswagen nähern, senden sie Signale aus, woraufhin die Ampeln rechtzeitig auf Grün schalten. In fernerer Zukunft, wenn alle Fahrzeuge solche Systeme besitzen, könnten Verkehrszeichen sogar ganz verschwinden: Bevor das Auto dann beispielsweise an eine Kreuzung kommt, wo früher ein Stoppschild oder eine Ampel stand, würde es abfragen, ob sich ein Querverkehr nähert. Falls ja, würde es entsprechend abbremsen, falls nein, einfach durchfahren.

In den Städten werden bis 2050 die meisten Fahrzeuge elektrisch angetrieben werden. Denn ein Elektromotor ist drei- bis viermal effizienter als ein Verbrennungsmotor, nutzt also die Energie entsprechend besser aus. Wenn dann der Strom zum größten Teil aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne, Wasser, Biomasse oder Erdwärme stammt, ist die Umweltbilanz nahezu perfekt – und die Pkw auf den Straßen verursachen nur noch geringe Mengen an Treibhausgasen. Dies wird umso wichtiger, wenn auch in Ländern wie China der Individualverkehr massiv zunimmt, und die Menschen nicht mehr nur auf Elektrofahrräder setzen. Der Nachholbedarf dort ist enorm: Hat in Deutschland jeder Zweite ein Auto, ist es in China erst jeder Zwanzigste.

700 Millionen Pkw gibt es heute weltweit – bis 2050 rechnen Experten von Shell mit einer Verdreifachung. Ohne zu große Umweltbelastungen geht dies nur, wenn leise Elektroautos durch die Straßen schnurren, die grünen Strom tanken. Mit einer Batterieladung wird man zwar auch dann wohl nicht weiter als 200 Kilometer kommen – was für den Stadtverkehr vollkommen ausreicht –, aber dank Schnellladestationen lassen sich die Akkus binnen fünf bis zehn Minuten wieder voll tanken. Ob die Städte von morgen allerdings eine Verdreifachung des Autoverkehrs aushalten, ohne dass es auf den Straßen zu Stillstand kommt, ist fraglich. Vielleicht sind die Elektrofahrräder doch die bessere Alternative – oder der öffentliche Nahverkehr mit U-Bahnen oder Personenkabinen, die automatisch gesteuert sehr schnell hintereinander fahren und dadurch wesentlich komfortabler sind als ein Pkw im Stau.

Warum wir nicht in Autos fliegen werden

Was allerdings auch 2050 wenig wahrscheinlich sein dürfte, ist, dass man mit fliegenden Autos den Staus entkommt. Diesen uralten Menschheitstraum gab es schon in Zukunftsvisionen von 1941, dann in den 50er- und 60er-Jahren, in vielen Science-Fiction-Filmen und, wie das Zetsche-Interview zeigt, auch heute noch. Das Verblüffende daran ist, dass man fliegende Autos bereits kaufen kann. So baut die US-Firma Terrafugia Autos, die auch als Flugzeuge abheben können, und ein holländisches Unternehmen präsentierte ein Straßenfahrzeug, das gleichzeitig ein Hubschrauber ist. Die Schwierigkeiten, warum es meines Erachtens aber nicht zu einem Massenprodukt werden wird, liegen weniger in der Technik, sondern auf ganz anderen Feldern. Zum einen sind es natürlich die Kosten eines solchen Fahr-Flugzeugs, aber auch juristische Probleme: Das „Fahren“ in der Luft kann ja nicht chaotisch erfolgen – es müssen also eigene Luftstraßen definiert werden. Heute dürfen diese Gefährte nur von Flughäfen abheben, wodurch sie ihren eigentlichen Reiz verlieren.

Und wie steht es mit der Sicherheit? Da kaum jeder Autofahrer auch noch einen Flugschein machen wird, müsste das Fliegen größtenteils automatisch erfolgen – doch wer haftet bei fliegenden Robotern? Schließlich auch der Energieverbrauch: Auf der Straße werden die Autos immer mehr in Richtung eines geringen Treibstoffverbrauchs getrimmt, doch beim Fliegen würde er wieder deutlich ansteigen, weil das ganze Fahrzeug erst einmal in die Luft gehoben werden muss. Das fliegende Auto ist daher eines jener Beispiele, dass viele Menschen – besonders gern Ingenieure und Naturwissenschaftler – aus der technischen Machbarkeit einer Sache vorschnell auf deren schnelle Umsetzung schließen. Daher wird dieser schöne Traum wohl auch 2050 nicht Realität werden …

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Ulrich Eberl    gruenundgloria.de - Blog: Ulrich Eberl

Ulrich Eberl ist Wissenschafts- und Technikautor. Er studierte Physik und promovierte 1992 an der Technischen Universität München in einem Grenzgebiet zwischen Physik, Biologie und Chemie: der Erforschung der ersten Billionstelsekunden der Fotosynthese. In seinem neuen Buch „Zukunft 2050″ (Beltz & Gelberg) beschreibt Ulrich Eberl für junge Leser die wesentlichen Trends, die unser Leben in den nächsten 40 Jahren prägen werden und wie wir selbst die Welt von morgen miterfinden können.

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