Donnerstag, 30. April 2015
Referent: Prof. Dr.-Ing. Michael Sterner; Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher, Elektro- und Informationstechnik; Ostbayerische Technische Hochschule, Regensburg
„Bayern ist Gewinner der Energiewende, das Revier der Verlierer. Deshalb sage ich: Bayern steht nicht auf der Bremse, Bayern steht auf dem Gas. Wir sind erfolgreich und werden auf diesem Weg weitergehen!“ (Ministerpräsident Horst Seehofer in seiner Rede am 05.02.2014 im Bayerischen Landtag).
Die Realität sieht anders aus, so die klare Aussage von Prof. Dr.-Ing. Michael Sterner, Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher, Elektro- und Informationstechnik, Ostbayerische Hochschule, Regensburg.
Seehofers Propaganda-Schlacht ist zunächst mal geschlagen: „Der Energie-Dialog mit den Bürgern“ mit hunderten von Experten und solchen, die es gerne wären, ist beendet. Wie zu erwarten war, ohne erkennbare Lösungen.
Geredet wurde überwiegend über die Stromerzeugung aus regenerativen Quellen und dessen Transport mittels Überlandleitungen aus Nord- und Ostdeutschland. Neue Gleichstrom-Überlandleitungen sind – obwohl mit den Stimmen Bayerns im Bundesrat längst beschlossen – bei Politik und Bevölkerung nicht beliebt.
Wärmeerzeugung, dezentrale Strukturen, Energieeffizienz und Suffizienz, Energiewende in der Mobilität, in der Landwirtschaft, in der Industrie… blieben weitgehend unbearbeitet; ebenso wie Klimawandel, Abkehr von der Atomkraft und von fossilen Primärenergien, Ressourcenschonung & Co.. Was wohl gewollt war; ein populistischer Pro-forma-Dialog, finden viele.
Doch auch bei der Stromerzeugung ist unklar, wie die Energiewende in Bayern gestaltet werden soll: „Dank“ der 10H-Regel ist die Windkraft in Bayern weitgehend beendet, die Photovoltaik hat der Bundesgesetzgeber mit der EEG-Novelle abgewürgt, die Ausbaupläne für Wasserkraft wurden von der Staatsregierung abgesenkt, Bio-Energie wird wegen der (unzutreffenden) „Teller statt Tank-“ Diskussion erschwert, Geothermie für Wärme und Strom ist in Bayern zwar privilegiert, aber sehr begrenzt. Pumpspeicherwerke seien „unwirtschaftliche Geschäftsmodelle“, sagt die Bayerische Wirtschaftsministerin den willigen Investoren.
Bayern setzt auf neue Gaskraftwerke. Doch wer sollte in neue Gaskraftwerke investieren? Das weltweit wirtschaftlichste in Irsching wird derzeit wegen Konkurrenz-Unfähigkeit gegenüber der Braunkohle auf minimalster Flamme gefahren; E.ON will es abschalten.
Alles bestätigt durch die Fakten, die Sterner vorstellte.
Anhand umfangreicher Potentialanalysen der verschiedenen Arten nachwachsender und erneuerbarer Energien zeigte er sehr deutlich: Bis 2022 könnte – politischer Wille unterstellt – eine Umstellung auf 100% erneuerbaren Strom gelingen und die bis dann abgeschalteten Atomkraftwerke ersetzen. Die vier Säulen: Photovoltaik, Windkraft, verbundene virtuelle Kraftwerke zum Ausgleich der volatilen Erzeugung, power-to-gas (also die Speicherung von EE-Überschußstrom im Erdgasnetz). Technik und Potentiale seien vorhanden.
Die Publikumsfrage, ob dann auch auf die zwei Überlandleitungen aus Nord- und Ostdeutschland verzichtet werden könnte, beantwortete er mit einem JA. Aber empfehlen wollte er dies keinesfalls: Es käme zu einem gespaltenen Strom(preis)markt in Süd und Nord mit Verteuerung des Stroms um 1-2Ct/kWh in Bayern; wer auf Windstrom aus dem Norden verzichtet werden wolle, müsse akzeptieren, dass die bayerische Landschaft dann mit sehr viel mehr Windkraftanlagen bestückt werden müsste, insbesondere um Städte oder Industrieanlagen wie Wacker-Chemie herum.
Auf die Frage, warum die bayerische Staatsregierung sich so vehement gegen alle erforderlichen Elemente der Energiewende wendet, sah Sterner zwei Spekulationen: Entweder die CSU wolle doch zurück zur Atomkraft (mit dem Argument, die Energiewende habe ja „nicht geklappt“) oder Ministerpräsident Seehofer wolle Zugeständnisse an anderer Stelle – z.B. Länderfinanzausgleich – ertrotzen.
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