Für Gärten wird es eng – Dr. Georg Kronawitter im Interview

Dr. Georg Kronawitter spricht im Interview über neue Bebauungspläne und darüber,warum es noch nicht zu spät ist, die Nachverdichtung entsprechend zu regeln.

Dr. Georg Kronawitter war zwischen 2008 und 2014 Mitglied des Münchner Stadtrats, seit 1993 ist er Mitglied im Bezirksausschuss 15 (Trudering-Riem), davon sechs Jahre als Vorsitzender. In dieser Zeit hat der Waldtruderinger den steigenden Nachverdichtungsdruck in seinem Stadtbezirk hautnah miterlebt. Dr. Kronawitter ist Mitglied im Münchner Forum. Das Interview mit Dr. Georg Kronawitter führte Michael Schneider für Standpunkte.

Standpunkte: Wie hat sich denn Waldtrudering durch die schleichende Nachverdichtung verändert? Gibt es durch die Dichte mehr Reibereien zwischen den Nachbarn?

Kronawitter: Manche Rechtsstreitigkeiten haben auch den Bezirksausschuss erreicht, einen spannenden Fall gab es in der Von-Gravenreuth-Straße. Dort hat ein Nachbar gegen die Baugenehmigung der Lokalbaukommission (LBK) geklagt, weil sie eine Bebauung weit in das Grundstück hinein genehmigt hat und dadurch der intakte Binnengrünbereich in den tiefen Waldtruderinger Grundstücken angegriffen wurde. Der Bauträger hat in diesem intakten Binnengrünbereich als erster Tabula rasa gemacht und hat hinten reinbauen dürfen. Aber der klagende Nachbar hat vor dem Verwaltungsgericht verloren, weil der § 34 BauGB keine Schutzfunktion für den Binnengrünbereich hat. Und auch die Münchner Baumschutzverordnung kann Baurecht nicht verhindern. Das Verwaltungsgericht hat argumentiert: Wenn die Landeshauptstadt diese Bäume für wertvoll hält, dann muss sie eben einen Bebauungsplan aufstellen.

Aber das Einfügen nach § 34 BauGB wird ja immer leichter, je mehr Bauvorhaben in einem Gebiet schon genehmigt sind?

Wir haben mittlerweile Bausituationen, wo vorne an der Straße ein Wohngebäude mit acht oder zehn Wohnungen steht und dann das gleiche verdoppelt und verdreifacht dahinter. Das war bis vor kurzem auch anders. Da hat man vorne an der Straße die normale Bauhöhe gehabt, also zwei Vollgeschosse und ein ausgebautes Dachgeschoss, und dann ist die Höhe nach hinten in die Tiefe des Baugrundstücks hinein etwas abgefallen.

Credits: Michael Lucan, Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Es kamen Bauträger, die gefragt haben, warum man das so machen muss. Beim § 34 BauGB wird das Einfügen ja immer nur vom einzelnen Gebäude her betrachtet, das heißt, wenn sie ein Gebäude in der Nachbarschaft finden, das genauso groß ist, dann fragt kein Gericht, ob dieses Gebäude auf einem größeren oder kleineren Grundstück steht. Da ist dann die Kubatur das Maß aller Dinge. Das ist heute das Desaster, das wir durch das Abwarten der LBK und des Stadtrates haben.

Wie hätte man dieses Desaster verhindern können?

Man hätte versuchen müssen, schlanke Bebauungspläne schnell zu erlassen, und nicht wie in München die Satzungstexte so aufzublähen, dass jeder Bebauungsplan dann einen 150-seitigen Erläuterungstext braucht. Nehmen Sie einen Bebauungsplan von der Gemeinde Feldkirchen b. München, der hat acht Seiten und ist normenkontrollfest. Und das, obwohl er sogar einzelnen Grundstücken das Baurecht etwas beschnitten hat! Diese Gemeinden machen vor, dass das geht. In München haben wir eine Bürokratie von Hunderten von Mitarbeitern im Planungsreferat und in der LBK. Meine These ist: Die LBK hat Angst vor dem Bedeutungsverlust. Wenn in München alles über Bebauungspläne gemacht würde, dann ist die Herrschaft des Sachbearbeiters am Schreibtisch eingeengt.

Hat die Landeshauptstadt bei der ungeregelten Nachverdichtung zu lange gewartet?

Zu spät ist es hoffentlich noch nicht. Man muss nicht versuchen, mit einem Bebauungsplan die ganze Welt zu heilen. Man kann es machen wie einige der Münchner Umlandgemeinden. Die sind in Teilbereichen der Gemeinde mit Nachverdichtungsdruck aktiv geworden, in den Teilen, wo noch nicht alles zu spät war. Das hat die Gemeinde Haar vor zehn Jahren mustergültig vorgemacht. Dort gab es eine Bungalowsiedlung aus den sechziger Jahren. Die Gemeinde wollte die Nachverdichtung nicht mit Einzelbaugenehmigungen machen, sondern hat einen Bebauungsplan erstellen lassen. Das Ganze hat die Gemeinde nur 8.000 Euro gekostet!

Sehen Sie im neuen Münchner Stadtrat von 2014 eher Initiativen hin zum Erlass von Bebauungsplänen in Nachverdichtungsgebieten?

Da sehe ich leider immer noch schwarz, Die Akteure im Stadtrat, die ich kennengelernt habe, neigen gern dazu, die Bedenken der Verwaltung für bare Münze zu nehmen. Die Stadträte fürchten, dass mit solchen Bebauungsplänen die Landeshauptstadt regresspflichtig wird. Das ist der falsche Ansatz, das ist der Ansatz der Verzagtheit.

Credits: Michael Nagy, Presse- und Informationsamt

Wenn schon die Nachverdichtung nicht durch Bebauungspläne gestaltet wird, könnte man dann wenigstens versuchen, die Folgen dieser Nachverdichtung, also mehr Verkehr, größerer Bedarf nach Schulen und Kindergärten abzumildern?

Bei einer normalen Bauleitplanung hat die Stadt das Recht, Baurecht zu schaffen, aber gleichzeitig die Pflicht, alle Folgen abzuwägen und zu benennen. Also: Welche sozialen, kulturellen, verkehrlichen Folgen hat diese Planung. Bei der Nachverdichtung muss die Stadt gar nichts machen. Und dann kommen die Leute zum Bezirksausschuss und sagen: So viel Verkehr vor meiner Haustüre, so viel Parkdruck! Das sind ja nur noch die verzweifelten Reaktionen der Leute, die dort wohnen. Man kommt immer wieder zum gleichen Resumee: Wir haben ein wunderbares Baugesetzbuch und eine kommunale Planungshoheit. Nur die Landeshauptstadt München ist der Meinung, sie braucht das alles für die Gartenstädte nicht anzuwenden. Und ich habe noch einen zweiten Verdacht: Nicht wenigen in der Stadtverwaltung ist es ganz recht, dass die Gartenstädte kippen, denn so ist das Problem der Wohnungsknappheit auf die einfachste Weise gelöst, ohne dass die Stadt selbst große Planungsleistungen erbringen muss. Die Leute werden sich dann schon irgendwie vertragen. Nur: Der Widerstand quer durch alle Gartenstadtgebiete über ganz München hinweg zeigt, dass das nicht auf die Akzeptanz der Bewohner stößt.

Aus: Standpunkte, April 2015- 4

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