Klimaschutz – eine Frage der Gerechtigkeit

Der Wohlstand der Industrieländer beruht auf der Nutzung von Kohle, Öl und Gas. In der Mitte des 19. Jahrhunderts begann mit dem bergmännischen Abbau von Kohle und dem Einsatz von Dampfmaschinen ein rasanter Anstieg der Wirtschaftsleistung. Er breitete sich, ausgehend von Großbritannien, über Europa und weiter nach Amerika aus. Parallel dazu entwickelte sich ein neues Verkehrssystem, die Eisenbahn. Damit wurde es möglich, Waren und Personen kostengünstig über weite Strecken zu transportieren. Als Ergebnis dieser Entwicklung sehen wir nun eine globale Gesellschaft, deren wirtschaftliches Potenzial gewachsen ist, in der aber auch der Unterschied zwischen Arm und Reich zugenommen hat. So verfügen etwa 20 Prozent der Erdbevölkerung über 80 Prozent des globalen Einkommens. Als Folgelast dieser Entwicklung erleben wir den Klimawandel.

Kohlendioxid in der Atmosphäre

Auslöser des anthropogenen Klimawandels sind Bestandteile der Luft, beispielsweise Wasserdampf, Methan oder Kohlendioxid, die Wärmestrahlung absorbieren können und damit zur Aufheizung der Atmosphäre beitragen. Diesen Effekt entdeckte der irische Naturforscher John Tyndall bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts, allerdings gerieten seine Erkenntnisse in Vergessenheit. Dies änderte sich mit den seit 1957 durchgeführten CO2-Messungen im Observatorium auf dem Hawaii-Vulkan Mauna Loa. Sie zeigen deutlich, dass es einen Zusammenhang zwischen der Nutzung kohlenstoffhaltiger Energieträger und dem Anstieg des CO2- Anteils in der Atmosphäre und damit deren Aufheizung gibt.

Das CO2 -Budget

Aktuell verursachen wir durch unsere Lebensweise eine globale Freisetzung von ca. 35  Mrd. Tonnen CO2 pro Jahr. Davon werden etwa 28 Prozent von den Ozeanen aufgenommen, ca. 29 Prozent benutzen die Pflanzen für ihr Wachstum. Die restlichen 43 Prozent verbleiben in der Atmosphäre und führen zur Temperaturerhöhung. Man kann nun abschätzen, wie viel CO2 wir noch freisetzen dürfen, damit der Anstieg der Temperatur auf zwei Grad begrenzt wird. Neueste Berechnungen kommen auf etwa 700 bis 800 Mrd. Tonnen bis zum Jahr 2050. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Zwei-Grad-Grenze eingehalten werden könnte, wenn 2020 mit 40  Mrd. Tonnen das Maximum der CO2- Emission pro Jahr erreicht wäre und dann mit jeder Dekade eine Halbierung einhergehen würde. D. h. 2030 müsste eine Reduzierung auf 20 Mrd. Tonnen erfolgen, 2040 auf 10  Mrd. Tonnen usw… Gleichzeitig müsste sich der Anteil der erneuerbaren Energien alle fünf bis sieben Jahre verdoppeln. Parallel müssten Technologien entwickelt werden, die es ermöglichen, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen.

Verteilung der Lasten

Wie sollen nun die erlaubten CO2-Mengen auf die Staaten verteilt werden, wer entscheidet darüber? Diese Diskussion bestimmt seit vielen Jahren den Ablauf der internationalen Klimakonferenzen. Soll die Menge auf alle Menschen gleich verteilt werden oder sollen die Industriestaaten als stärkste Verursacher ein geringeres Kontingent bekommen? Im Vertrag von Paris heißt es dazu in einem Passus »in Verfolgung des Zieles des Rahmenübereinkommens und geleitet von seinen Grundsätzen einschließlich des Grundsatzes der Gerechtigkeit und der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten«. Es gibt unterschiedliche Ansätze für eine gerechte Verteilung der noch vertretbaren CO2-Menge. Bei unveränderten Emissionen würde beispielsweise das Kohlenstoffbudget für das Zwei-Grad-Ziel nach 20 bis 30 Jahren, d.h. zwischen 2035 und 2045, aufgebraucht sein. Die EU hat einen Vorschlag erarbeitet, bei dem die CO2-Mengen nach dem BruttoInlandsprodukt pro Person und Jahr aufgeteilt werden soll. Alle zwei Jahre sollen die Budgets der Mitgliedsstaaten neu berechnet werden.

Verteilung der Risiken

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verteilung der Risiken. Geografisch bedingte Risiken wie Überschwemmungen, Dürren, Wirbelstürme oder der Anstieg des Meeresspiegels führen zu unterschiedlichen Risikoprofilen. Für Länder mit einem hohem Risikopotenzial ist eine finanzielle Unterstützung zur Bewältigung nicht vermeidbarer Auswirkungen des Klimawandels unabdingbar. Hinzu kommt die Forderung nach einer schnellen Umsetzung der Klimaziele, um die Auswirkungen in Grenzen zu halten. Länder wie Deutschland, haben aufgrund ihrer geografische Lage weit weniger mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen als Inselstaaten, deren Beitrag zum Klimawandel vernachlässigbar ist. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage, ob es vertretbar ist, dass ein hoch industrialisiertes Land wie Deutschland, das seit über 150 Jahren fossile Brennstoffe einsetzt, weiterhin Kohle für die Stromerzeugung verwendet, obwohl es alternative Technologien besitzt? Wäre es weniger entwickelten Staaten gegenüber nicht gerecht, von Deutschland zu verlangen, auf diese vermeidbare Freisetzung von CO2 zu verzichten, auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Einbußen?

Was ist Klimagerechtigkeit?

Vielleicht ist es sinnvoll, sich diesen Fragen über eine Definition des Begriffes Klimagerechtigkeit zu nähern. Richard Brand und Thomas Hirsch versuchten es 2012 in einem Aufsatz mit folgender Formulierung: »Klimagerechtigkeit bedeutet, jedem Menschen auf der Erde unabhängig von nationaler Zugehörigkeit, Alter, Geschlecht, Rasse und Religion gleiche Nutzungsrechte an der Atmosphäre zuzugestehen, wobei die Gesamtbelastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen so zu begrenzen ist, dass die mittlere globale Erwärmung auf maximal 2° Celsius beschränkt bleibt, nach Möglichkeit aber 1,5° Celsius nicht übersteigt. Klimagerechtigkeit bedeutet ferner, gemeinsam Verantwortung dafür zu übernehmen, dass Schäden durch die menschengemachte Erwärmung nach Möglichkeit vermieden, im Eintrittsfall aber ausgeglichen werden«.

Die Große Transformation

Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung schlug bereits 2009 vor, jedem Menschen weltweit die gleiche Menge an CO2 zuzugestehen. Unter dem Aspekt der Halbierung der Emissionen pro Dekade wären dies bei einer aktuellen globalen Bevölkerungszahl von 7 Milliarden ca. 5 Tonnen pro Einwohner und Jahr und würde bis 2050 auf weniger als 1 Tonne absinken. Für Deutschland würde dieser Ansatz im Jahr 2020 ein Budget von 414 Mio. Tonnen CO2 bedeuten. 2015 lag Deutschland mit einer CO2 Freisetzung von 800 Mio. Tonnen weit darüber. Würde man den Vorschlag des WBGU in die Praxis umsetzen, müsste Deutschland, die zusätzlichen Menge von 400 Mio. Tonnen von Ländern kaufen, die ihr Budget nicht ausschöpfen.

Der Wissenschaftliche Beirat sieht das Klimaabkommen von Paris deshalb auch als Gerechtigkeitsprojekt. Die von ihm vorgeschlagene sog. Große Transformation basiert auf den vier »I«, d.h. sie soll Innovationen inspirieren und Investitionen in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz lenken, u.a. in die auf- und auszubauenden nachhaltigen Infrastrukturen. Gleichzeitig kann die Transformation genutzt werden, um Ungleichheit zu bekämpfen, also die Inklusion innerhalb der Gesellschaften wie auch global voranzubringen. So sollte im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in Bereiche investiert werden, in denen Klimaschutz inklusives Wachstum schafft, d. h. bei dem die unteren 40 Prozent der Einkommensverteilung überproportional profitieren. Die Dekarbonisierung und der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft sollte nur in Verbindung mit sozialen Reformen, z.B. der Schaffung neuer Arbeitsplätze erfolgen.

Betrachtet man die Aktualität des Begriffs Gerechtigkeit in der politischen Auseinandersetzung, so fällt auf, dass die Chancen für eine Umsetzung im Zusammenhang mit dem Thema Klimawandel noch nicht wirklich erkannt werden.

Dieser Artikel erschien von Sylvia Hladky zuerst im Programmheft des Münchner Klimaherbsts 2017.

Vorstandsmitglieder des Netzwerk Klimaherbst e.V.
Sylvia Hladky, Leo Martz, Markus Mitterer, Marianne Pfaffinger, Julia Post, Alexander Rossner, Daniel Überall


Beitragsbild: © Unsplash/Spencer Watson



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