Partizipation – Eine neue Grammatik für den Dialog?

„Eine neue Grammatik für den Dialog“ – mit diesen Worten hatte Ministerin Schavan/CDU den Vorschlag des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen kommentiert. Denn der Beirat beginnt seine zehn gerade vorgestellten Bausteine für eine „große Transformation“ mit der Empfehlung der Gleichgewichtigkeit des „aktiv gestaltenden Staates“ mit „erweiterten Partizipationsmöglichkeiten“ der Bürger. Die Ministerin kommt aus Baden-Württemberg, dem Bundesland, in dem ihre Partei gerade eine schmerzliche Niederlage erlitten hat. Atomdebatte und Stuttgart21 entschieden die Wahl gegen ihre Partei. Diese Niederlage wäre mit Volksentscheiden zu beiden Themen abzuwenden gewesen. Hat nun die Ministerin gelernt, dass Partizipation auch direkte Beteiligung der Bürger an wichtigen Entscheidungen, also Volksentscheid, heißen kann? Und dass dies die ehrlichste Form bürgerlicher Partizipation ist?

Dialog schafft Transparenz

Nun ist der Volksentscheid in sich keine Allzweckwaffe. Zu geringe Hürden verleiten zu Aktionismus, das Floriansprinzip wird gefördert und geringe Beteiligungen hinterlassen Skepsis zur Qualität der Entscheidungen. Nicht jeder Bürger ist interessiert, nicht jeder Bürger ist informiert. Aber im Fall von Stuttgart 21 wären die Voraussetzungen andere gewesen. Hier fand zunächst durch die Schlichterrunde mit Heiner Geißler eine Wissensverdichtung statt am Runden Tisch, der Befürworter und Experten mit informierten Spitzenvertretern der gegnerischen Zivilgesellschaft zusammenbrachte. Dieser einwöchige Dialog schaffte Transparenz und erhöhte das Wissen in der Bevölkerung enorm. Jeder dort kennt nun die zentralen Argumente beider Seiten oder kann sie leicht im Internet nachlesen und sich überlegen, welche ihm diewichtigsten sind. Das gibt Vorbild für die bei Volksentscheiden so wichtige Informationsphase, die verbesserten Informationsstand für eine sinnvolle Entscheidung schafft und schon in sich Verantwortungsgefühl vermittelt, übrigens je nach Thema auch für die Verantwortung für die nächsten Generationen.

Gespräch zwischen Gruppenvertretern kreiert gesellschaftlichen Dialog

Genau dieses wäre für den bundesweiten Volksentscheid zu empfehlen: eine moderierte Gewichtung und auch Verdichtung der Fakten am Runden Tisch, von den Medien begleitet und über Internetplattformen hinterfragbar. Ein so vorbereiteter Volksentscheid ist dann mehr, als nur eine Abfrage: er hebt das Wissen der Bürger über Komplexität und Hauptargumente, schafft also bessere Voraussetzungen für eine verantwortungsvolle Entscheidung und deren Umsetzung und ist zugleich ein hervorragendes Instrument gesellschaftlichen Dialogs. Nicht lockere Diskussion auf Wahlversammlungen, sondern das Gespräch zwischen Gruppenvertretern, die sich mit einem Problem tiefgängig befasst haben und Konsens und Dissens herausarbeiten. Und auf dieser Basis den Bürger entscheiden lassen.

Volksentscheide steigern Akzeptanz der Demokratie

So betrachtet, ist es nicht notwendig, Volksentscheide nur durch mühsame Unterschriftensammlungen auszulösen. Es stünde einer Regierung gut an, auch von sich aus hoch strittige Grundsatzfragen durch ein Referendum entscheiden zu lassen. Die Schweiz praktiziert dies seit langem mit Erfolg und einer deutlich höheren Akzeptanz ihrer Demokratie. Manchmal sollte die Politik also den Mut haben, den Bürger Souverän sein zu lassen. Ihr Leben wird dadurch nur leichter und zudem die Stabilität von Entscheidungen verbessert, vom Motivationsschub ganz zu schweigen. Gesetzlich verankert, wäre es ein „Mitbestimmungsmodell“ der Gesellschaft für die großen Zukunftsfragen. Die Ministerin scheint es zu fühlen: eine system-immanente Einbindung der Zivilgesellschaft ist ein Gebot der Stunde. Es wäre eine gute Antwort in dieser Zeit einer äußerst ungeduldigen Bürgerschaft.

Foto: Christof „der Doss“ Heinz



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Peter Grassmann    gruenundgloria.de - Blog: Peter Grassmann

Peter Grassmann hat eine steile Karriere bei Siemens hinter sich. Er ist ein Mann, der das Wachstumsmantra gelebt hat – und es nun nebenso entschieden bekämpft. Als Vorsitzender des Vorstandes der Münchner Umwelt-Akademie fordert er von seinen Ex-Kollegen Verantwortung für kommende Generationen, und hofft auf die Entdeckung der Ökoethik.

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