Das Interesse an Bio-Produkten ist gestiegen, auch bei öffentlichen Großveranstaltungen. Das bezeugt nicht nur der langjährige Vorreiter Tollwood, mittlerweile legen auch die Wiesn-Besucher zunehmend Wert darauf, dass ihr Hendl aus artgerechter Haltung stammt. Mehr Bio auf städtisch verwalteten Großveranstaltungen ist also längst nicht mehr eine Frage der Machbarkeit oder Finanzierbarkeit – sondern des politischen Willens. Der Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft plant jedoch nun, die Zulassungssysteme für das Oktoberfest, die Auer Dulten und den Christkindlmarkt anzupassen, was vor allem die Bewertungskriterien von Bio-Produkten betrifft. Der Vorschlag des Zweiten Bürgermeisters Josef Schmid (CSU) stößt deshalb besonders auf Kritik: Er will Bio-Speisen künftig mit konventionellen bayerischen Regionalprodukten gleichstellen. Darüber hinaus sollen die erreichten Öko-Punkte nicht mehr doppelt, sondern einfach gewertet werden.
„Ein Skandal“, finden die Tollwood-Veranstalter sowie das Aktionsbündnis „Artgerechtes München“: In Bayern werde die industrielle Intensivtierhaltung derzeit rasant ausgebaut und gerade deshalb sei mehr Gesundheits-, Umwelt- sowie Tierschutz erforderlich – und damit auch mehr Bio auf Großveranstaltungen. „Dieser Vorstoß des Referates für Arbeit und Wirtschaft ist eine doppelte Rolle rückwärts und katapultiert Bio-Lebensmittel auf den Münchner Großveranstaltungen wieder völlig ins Abseits. Das ist nicht hinnehmbar – und auch nicht nachvollziehbar vor dem Hintergrund der aktuellen stadtpolitischen Debatte, die für alle anderen Wirkungsbereiche der Stadt eine positive Entwicklung erhoffen lässt“, sagt Stephanie Weigel, Umweltleiterin von Tollwood und Mitglied des Aktionsbündnisses. Denn laut einer repräsentativen Umfrage von TNS Emnid wünschen sich 85 Prozent der Münchner eine Landeshauptstadt, die auf Produkte aus artgerechter Haltung setzt, und wären auch bereit, dafür einen Mehrpreis zu bezahlen.
Seit über einem Jahr engagiert sich das Aktionsbündnis „Artgerechtes München“ mit mehr als 31 000 Unterstützern dafür, dass München in seinem Wirkungskreis zukünftig nur noch Produkte zulässt, die nachweislich aus artgerechter Tierhaltung stammen: Dies beträfe alle städtischen Kantinen, Krankenhäuser oder Kultureinrichtungen, alle städtischen Empfänge sowie öffentliche Veranstaltungen, bei denen die Stadt München Hausherrin ist – so zum Beispiel das Stadtgründungsfest, die Auer Dulten, den Christkindlmarkt und das Oktoberfest.
Um gegen die Schwächung der Bio-Kriterien zu protestieren und den Beschluss zu verhindern, hat das Aktionsbündnis Unterschriften gesammelt und zu Protest-Emails an Josef Schmid aufgerufen: Die Abwertung von Bio sei ein „ungeheuerlicher Rückschritt und eine Ohrfeige für die Münchner Stadtbevölkerung, die ihrem Wunsch nach einem ,artgerechten München‘ so klar und deutlich Ausdruck verliehen hat“, heißt es in dem Protestschreiben. Er wird dazu aufgefordert, sich stattdessen für eine Stärkung der Bio-Kriterien bei der Lebensmittelbeschaffung auf dem Oktoberfest, den Auer Dulten sowie dem Christkindlmarkt einzusetzen.
Bei der Debatte im Stadtrat am Dienstag wird sich herausstellen, ob Bürgermeister Schmid sein Vorhaben dennoch durchsetzt, oder ob ihn die zahlreichen Bio-Anhänger doch noch umstimmen können.
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