Zum Kommentar „KONZERTSAAL-PLAN: Wichtiger Impuls“ von Alfred Dürr in der SZ MÜNCHEN vom Wochenende 13./14. Dezember 2014
Guten Morgen allerseits,
wenn der wichtigste Architektur-Erklärer der Münchner SZ-Lokalredaktion eine knapp 20.000 qm große (kleine?) innerstädtische Parkanlage wie den Finanzgarten in einem Samstags-Kommentar als eine „städtebauliche Wüste“ bezeichnet, ist die zauberhafte Verwandlung von etwa der Hälfte des Finanzgartens in eine Großbaustelle für ein anspruchsvolles Konzertsaal-Bauprojekt ein geradezu zwingender Gedanke, der dann auch noch von einem bekannten Münchner Architekten als Stadtheimatpfleger sowie von einem Landschaftsarchitekten als Begleitgutachter für besonders schön befunden wird. Daraufhin zählen wohl auch Recht und Gesetz im Freistaat Bayern nicht mehr sehr viel – also für was braucht es dann noch die Landschaftschutz-Bestimmungen und die anderen staatlichen Schutz-Ziele, die der Verwaltungsrichter i.R. Klaus Bäumler als Sprecher des AK Öffentliches Grün im MÜNCHNER FORUM so vehement anmahnt?
Nun werde ich hier die persönlichen Interessen von Akteuren vor und hinter der öffentlichen Bühne nicht bewerten und auch das Thema GELD ist nicht wirklich wichtig, denn angesichts von sechs hier in München ansässigen DAX-Unternehmen sollten selbst 200.000.000,- Euro für ein architektonisches Glanzlicht-Bauwerk eine besonders wohltönend klingende Sponsoren-Herausforderung sein. Als Münchner Baumwelt-Betrachter und daher auch als regelmäßiger Spaziergänger im Finanzgarten möchte ich daher vor allem zur Gestaltung, Sinnhaftigkeit und Praktikabilität der Standort-Idee „Konzertsaal im Finanzgarten“ einige Fragen stellen:
Warum verwenden Architekten beim CAD-Pixeln von Entwurfs-Ansichten immer so gerne krüppelige Spitzahorn-Kugelbäume?
Es kommt ja nur sehr selten vor, dass Architekten die Kritiker ihrer neuesten Bauwerke mit dem Hinweis vertrösten, dass in einigen Jahren die neu gepflanzten Straßenbäume die Neubau-Fassade teilweise verbergen würden (=> beispielsweise Prof. Andreas Hild im vergangenen Jahr zu seinen WELFENHÖFEN), aber im besonderen Gestaltungs-Fall eines Konzertsaal-Entrées an der Galeriestraße würden große Bäume tatsächlich die Sicht auf den Konzertsaal-Komplex behindern. Also helfen dann manche Landschaftsarchitekten zwar gerne mit ihren Baumschul-Katalogen „klein & unscheinbar“ aus – was solcherart jedoch kein wirklich adäquater Ersatz für die zahlreich zu fällenden Großbäume im gesamten West-Teil des Finanzgartens wäre. Das Gegenrechnen mit den Quadratmeter-Flächen von Ersatz-Pflanzungen müsste darüber hinaus vor allem die zu ersetzenden Blattoberflächen der gefällten Bäume mitsamt der Wiesengrünfläche im West-Teil des Finanzgartens als ökologischen Maßstab vorgeben.
Wurde überhaupt schon darüber nachgedacht, welche örtlichen und sonstigen Kriterien eine Umweltverträglichkeitsprüfung das Planungs-Projekt „Konzertsaal im Finanzgarten“ haben müsste?
Im Hinblick auf die Entwicklung des zukünftigen Stadtklimas in München könnte vor allem der dicht bebaute Innenstadtbereich zu einem hochgradigen HOTSPOT-Gebiet werden und in anderen Münchner Stadtvierteln sind deswegen auch schon einige Klima-Gutachten für die weitere Münchner Grünflächen-Entwicklung in Arbeit, um hier eine neue Form der vorsorgenden Stadtplanung zu ermöglichen. Es wäre nun wirklich sehr eigenartig, wenn gerade hier – keine 900 Meter Luftlinie vom Münchner Rathaus entfernt und in Rufweite zur bayerischen Staatskanzlei – der Zukunfts-Wert von bestehendem GRÜN in der Stadt nicht mehr beschützt und erhalten würde.
Wie soll die Transport-Logistik mit LKWs für die an- und abreisenden Orchester-Ensembles über die Von-der-Tann-Straße abgewickelt werden?
Dazu empfehle ich der Einfachheit halber die Beobachtung des entsprechenden Tagesbetriebs am Gasteig in der Kellerstraße, beim Nationaltheater sowie beim Herkulessaal das mobile Rumoren auf der Ostseite der Residenz und am Marstallplatz sowie beim Prinzregenten-Theater an der Ecke Nigerstraße / Zumpestraße. Danach dürfte der irrige Vorstellung korrigiert sein, dass so etwas mit einer verschmälerten Von-der-Tann-Straße wirklich gut funktionieren könnte.
Wie würden die Reisebusse mit ihren Konzertabo-Fahrgästen an den Vordereingang des Konzertsaal-Gebäudes bei der Galeriestraße oder beim Hintereingang an der Von-der-Tann-Straße anfahren und wo parken die Reisebusse dann kurzzeitig während der Anfahrt-Wartezeiten vor dem Aussteigen bzw. Einsteigen der Fahrgäste?
Dazu bräuchte es dann nur längere abendliche Beobachtungszeiten bei den Haupt- und Nebeneingängen der obig schon angeführten Adressen, um sich daraufhin die Von-der-Tann-Straße besser im derzeitigen Fahrbahnen-Querschnitt zu denken. Und eine mit Baumreihen bestandene Galeriestraße wäre für direkte Busanfahrten eigentlich gar nicht mehr geeignet – aber es bliebe ja noch die Ludwigstraße als großer Kurzzeit-Bus-Parkplatz.
Wer erinnert sich jetzt noch an die Zeiten eines Stadtheimatpflegers Alexander von Branca (1972 bis 1988), der zusammen mit seinem Stellvertreter Levin Freiherr von Gumppenberg (damals Präsident der bayerischen Schlösser- und Seen-Verwaltung) die Münchner Bürgeraktion „Bürger retten den Finanzgarten“ tatkräftig unterstützt hatte?
Im Finanzgarten gibt es auch noch einen (im Jahr 1984?) nach Levin Freiherr von Gumppenberg benannten Weg, womit dessen verdienstvolles Wirken respektvoll gewürdigt wurde. Warum es danach aber in der Bauzeit der neuen Staatskanzlei am Ostende des Hofgartens (1989 bis 1993) nicht als vernünftige Gestaltungs-Aufgabe angesehen wurde, die Galeriestraße als besonders wertvolle – weil sehr ruhige – zusätzliche Wegeverbindung von der Ludwigstraße zur Staatskanzlei hin aufzuwerten, lässt sich im Nachhinein nur noch als Beruhigungs-Angebot an die damaligen Autofahrer erklären, die so zu einigen Ersatz-Parkplätzen kamen.
Es wird in den kommenden Monaten noch spannende Diskussionen über den Sinn oder Unsinn eines Konzertsaal-Bauprojektes inmitten des halben Finanzgartens geben und es stehen in München zugleich aber auch noch viel wichtigere Planungs-Aufgaben im Wohnungsbau und in der Verkehrs-Infrastruktur an. Ein neuer Konzertsaal könnte in München (irgendwo) das Sahnehäubchen-Projekt von „München leuchtet noch heller!“ werden, aber München wird nicht untergehen, wenn es den neuen Konzertsaal erst in 20 Jahren geben wird. Die Menschen in Neuperlach bekommen auch jetzt erst – nach beachtlichen 40 Jahre des Hinwartens – am Hanns-Seidel-Platz ihr Stadtteil-Zentrum.
Mit geduldigen Grüßen,
Hege Wiedebusch
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