Wolken der Freiheit

Die Künstlerinnen Stefanie Zoche und Sabine Haubitz setzen sich in ihren Werken oft mit dem Thema Klimawandel auseinander. Am nächsten Dienstag wird der Fuß- und Radwegtunnel am Pasinger Bahnhof eröffnet, den das Künstlerteam im Rahmen eines Projekts von Quivid – dem Kunst am Bau-Programm der Stadt München – in einen weißblauen Himmel verwandelt hat. Ruth Böcher hat sich für Grün&Gloria mit Stefanie Zoche über den Zusammenhang zwischen Kunst und Ökologie unterhalten.


Was wollen Sie mit Ihrer Arbeit in der Pasinger Unterführung thematisieren?

Wir finden es beim Arbeiten in architektonischem Kontext oft spannend, den Raum durch das Einschleusen von großformatigen Bildern zu transformieren, so dass eine neue Raumwahrnehmung entsteht. Auf das Motiv der Wolken sind wir gekommen, weil es uns interessiert, mit Bildern zu arbeiten, die der Betrachter an dem jeweiligen Ort nicht erwartet. Ein Tunnel ist unter der Erde und dunkel. Durch die Bilder entsteht hier also ein überraschender Moment von lichtdurchfluteter Weite. Die Wolken haben wir in den Alpen von einem erhöhten Standpunkt aus fotografiert, so dass sich Fußgänger und Fahrradfahrer virtuell mitten im Himmel befinden. Der Blick ist also wie aus einem Flugzeug auf Augenhöhe mit den Wolken.

Ist dadurch der Titel „Sieben Flieger“ entstanden?

Genau. Durch die Flieger wird der romantische Blick gebrochen und eine zeitgenössische Komponente hereingebracht. Zunächst hatten wir nur zwei Flieger mit Kondensstreifen in der Gesamtkomposition, während des Bearbeitens der Fotos haben wir dann überrascht festgestellt, dass in den ausgewählten Wolkenmotiven noch vier weitere Flieger, teilweise sehr klein, zu sehen sind. Der siebte steht dann für den Flieger, in dem man sich als Betrachter virtuell befindet…

Mit dem Thema Klimawandel hat diese Arbeit also nur entfernt etwas zu tun.
Ja. Allerdings ist es natürlich so, dass Wolken im Klimageschehen der Welt eine sehr wichtige Rolle spielen, die teilweise noch nicht einmal ganz erforscht ist, weil die Zusammenhänge so komplex sind. Hohe Wolken sorgen für Erwärmung, niedrige für Abkühlung, sie transportieren Wasser um die Welt herum. Mittlerweile werden Wolken in Forschungseinrichtungen sogar künstlich hergestellt, damit man ihr Verhalten genauer studieren kann. Insofern hat uns die Auseinandersetzung mit Wolken – weil wir uns für Klimawandel interessieren – auch selber bereichert.

Welche Arbeiten haben Sie bisher im Kontext Ökologie gemacht?
Die erste Arbeit zum Thema Klimawandel war die Installation Blind Date aus dem Jahr 2006 im Rahmen der Ausstellung ‚Gletscherdämmerung‘ der ERES Stiftung. Für uns war die Einladung zu dieser Ausstellung ein ganz wichtiger Impuls, um uns mit dem Thema zu beschäftigen. Wir haben einen 3er-BMW so präpariert, dass er wasserdicht war, ihn dann bis zu den Kopfstützen mit Wasser gefüllt und am Münchner Opernplatz aufgestellt.

Sie hatten außerdem mehrere größere internationale Auftritte?
In Delhi haben wir 2008 anlässlich der Ausstellung ’48°C, Public.Art.Ecology‘ eine Videoskulptur realisiert, die sich mit der ökologischen Situation des Flusses Yamuna beschäftigt. 2009 haben wir in Kopenhagen einen Kirchturm durch die Installation eines starken, rotierenden Scheinwerfers in einen Leuchtturm verwandelt. Dieses Jahr konnten wir für die Havanna Biennale die Videoskulptur Vertigo realisieren: Auf den Innenwänden eines auf dem Kopf stehenden, betretbaren Hauses sieht man eine 2-Kanal-Videoinstallation. Das gleiche Haus, das man betreten hat, ist inmitten einer überfluteten Landschaft zu sehen. Aufnahmen von einer überschwemmten Stadt und treibenden Autos alternieren mit Filmsequenzen von zwei Synchronschwimmerinnen. Diese sind so auf ihre absurde Unterwasserchoreographie konzentriert, dass sie die Überflutung ihrer Umgebung scheinbar nicht bemerken.
Die Arbeit war ein Versuch, ein Bild dafür zu finden, dass die Menschheit in Anbetracht des Klimawandels nahezu in Agonie versinkt. Man hat ja wirklich das Gefühl, die Menschheit ist erstarrt und anstatt schnell zu handeln, bewegt sie sich weiter in ihrer täglichen Routine.

Wieso befassen Sie sich in Ihrer Arbeit so ausgiebig mit dem Klimawandel ?
Ich möchte eine Arbeit ausüben, die für mich gesellschaftspolitisch sinnvoll erscheint, und das kann ich nur dann erreichen, wenn ich mich auch in der künstlerischen Arbeit mit Dingen beschäftige, die ich im Moment für sehr wichtig halte. Der Klimawandel ist für mich die größte globale Herausforderung, der die Menschheit je gegenüber stand.

Worin besteht die Herausforderung, wenn man Kunst und Ökologie verbindet?
Es ist sehr schwierig, künstlerisch mit diesem Thema zu arbeiten, da der Klimawandel so überaus komplex ist. Deshalb finde ich es immer wichtig, darauf achten, in der Umsetzung nicht zu illustrativ zu werden und sich nicht instrumentalisieren zu lassen. Denn wenn die Kunst zu einer Art politischen Aktion wird, dann ist sie eben keine Kunst mehr. Als Künstlerinnen befassen wir uns ja auch immer mit kunstimmanenten Fragestellungen, daher ist es auch ein ständiger Spreizgang zwischen Form und Inhalt, in dem wir uns hier bewegen. Die Arbeit muss für uns immer vielschichtig interpretierbar sein. Kunst soll nicht bevormunden, sondern ein offener Erfahrungsraum bleiben, in dem die Menschen zu eigenen Sichtweisen angeregt werden.

Welchen Beitrag kann die Kunst in diesem Zusammenhang denn überhaupt leisten?
Als Künstler können wir Impulse setzen, aber man kann nur sehr selten die Leute unmittelbar dazu zu bringen, ihre Meinung oder ihr Verhalten zu ändern. Das wollen wir als Künstler ja auch gar nicht. Aber ich denke, dass die Kunst – und damit meine ich alle Künste – in dem Wandel, der uns bevorsteht, eine sehr wichtige Rolle spielt. Es ist ein enormer gesellschaftspolitischer Wandel, der stattfinden muss, und ich denke, dass der nicht nur durch politische Entscheidungen erfolgen kann.

Konnten Sie schon Fortschritte feststellen?
Der Klimawandel ist eine Bedrohung. Die Politiker denken höchstens in 5-Jahres-Wahlperioden, die Menschen haben zum großen Teil das Gefühl, dass ihr eigener Energieverbrauch irrelevant im Verhältnis zum weltweiten Verbrauch ist. Aber andererseits: 2006, als wir Blind Date gemacht haben, war das Bewusstsein über den Klimawandel in Deutschland lange nicht so ausgeprägt wie heute, da hat sich doch einiges getan. Auf unseren Reisen sind wir oft überrascht, wie groß das Bewusstsein in breiten Bevölkerungsschichten ist, sei es beispielsweise in Indien, Nepal oder Kuba, weil die Menschen dort die Folgen des Klimawandels bereits unmittelbar am eigenen Leib spüren.

Warum befassen sich nur so wenige Künstler mit dem Thema Klimawandel?
In den letzten fünf, sechs Jahren gab es schon einige Ausstellungen zu diesem Thema, aktuell beispielsweise im Landesmuseum Linz. Unter anderem haben auch die Kunsthalle Nikolaj in Kopenhagen, die Akademie der Künste in Berlin und die Hamburger Kunsthalle Projekte dazu realisiert. Oder nehmen wir die finnländische Künstlerin Tea Mäkipää, die die Zehn Gebote mit einem ökologischen Hintergrund neu definiert hat. Eine spannende politische Arbeit. Viele KünstlerInnen haben Bedenken, dass ihre Arbeit instrumentalisiert wird, wenn sie sich zu explizit mit einem gesellschaftspolitischen Thema auseinandersetzen. Dann würde die Arbeit nur noch dem Zweck dienen, eine bestimmte Message rüber zu bringen und verkäme zum Agitprop.

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