Bayerns Windkraft setzt Rost an

Die bayerische Staatsregierung hat de facto den Ausbau der Windkraft im Land gestoppt. Formaler Grund sind neue, noch zu beschließende Abstandsregeln. Bereits angefangene Projekte setzen nun Rost an. Der Bund Naturschutz stemmt sich gegen eine Energiewende rückwärts.

Seit November sollten sich im fränkischen Langenzenn eigentlich neue Windräder drehen. Im Ortsteil Laubendorf waren fünf Vestas-Maschinen vom Typ V112-3.0 MW geplant, die mit einer Gesamtleistung von 15 Megawatt etwa 26 Millionen Kilowattstunden Strom jährlich einspeisen sollten. Doch bisher liegen auf der Baustelle nur Fundamente herum, die langsam zu rosten anfangen. Und für den Planer Erich Wust ist auch klar, wer am Debakel schuld ist: Bayerns Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU).

Auf der Baustelle in Langenzenn passiert seit Monaten nichts mehr. Die Investition droht den Bach runterzugehen. (Foto: Wraneschitz)

Auf der Baustelle in Langenzenn passiert seit Monaten nichts mehr. Die Investition droht den Bach runterzugehen. (Foto: Wraneschitz)

Söder hatte Anfang Dezember ein „Windkraft-Ausbau-Moratorium“ verkündet. Bereits Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte im Wahlkampf versucht, mit schärferen Abstandsregeln für Windanlagen bei den Wahlen im Freistaat und zum Bundestag zu punkten. Demnach soll der Abstand von Windrädern zu Wohnbebauungen auf mindestens das Zehnfache der Höhe des Windrades (die sogenannte 10H-Regelung) ausgeweitet werden – faktisch das Ende des Windkraftausbaus in Bayern. Bis es allerdings so weit ist, will Söder auf Nummer sicher gehen – mit eben jenem Ausbau-Moratorium.

Deshalb rosten jetzt die Fundamente in Langenzenn. Investiert werden sollten hier 24,3 Millionen Euro, das Eigenkapital von 7,3 Millionen ist durch Kommanditeinlagen von mindestens 5.000 Euro pro Investor längst beisammen. Der Strom hätte über ein bereits fest bestelltes, eigenes Umspannwerk eingespeist werden sollen. Doch seit dem Moratorium rührt sich nichts mehr auf der Baustelle.

„Bitten“ sind in Bayern klare Anweisungen

Nun will Planer Erich Wust den Bau gerichtlich durchsetzen. „Zweigeteilt“ sei seine Klage, erläutert Wust: „Einmal gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Fürth: Damit soll die Stilllegung des Baus aufgehoben werden. Ersatzweise soll die Bezirksregierung die 17. Fortschreibung des Regionalplans für verbindlich erklären.“

Das wäre Aufgabe von Regierungspräsident Thomas Bauer. Dem aber sind nach eigener Aussage die Hände gebunden: „Am 3. Dezember 2013 haben wir eine Bitte des Bayerischen Finanzministeriums bekommen, keine Entscheidung zu treffen. Das ist für mich ausschlaggebend. Denn ich bin an die Bitten der Staatsregierung gebunden.“ Laut Bayerischer Verfassung ist die gesamte Landesverwaltung der Staatsregierung untergeordnet. Und „Bitten“ sind im Staatsjargon klare Anweisungen.

Heimatminister Markus Söder (Mitte) ließ sich auch schon an der Seite von Umweltschützern wie Ex-BN-Chef Hubert Weinzierl (2. v. r.) vor einem repräsentativen Windrad ablichten. (Foto: Wraneschitz)

Heimatminister Markus Söder (Mitte) ließ sich auch schon an der Seite von Umweltschützern wie Ex-BN-Chef Hubert Weinzierl (2. v. r.) vor einem repräsentativen Windrad ablichten. (Foto: Wraneschitz)

Ohnehin ziehe sich die behördliche Windkraftplanung schon länger hin: Der Regionalplan ist seit März 2012 fertig, wurde im März 2013 vom Planungsverband Industrieregion Mittelfranken einstimmig beschlossen. „Weitere drei Monate später lag der Antrag auf Verbindlicherklärung bei uns vollständig vor – das war am 3. Juni 2013“, erinnert sich Bauer. Seitdem war er am Zug: Bei umfangreichen Planungen habe er sechs Monate Prüfungszeit. „Doch im Landesplanungsgesetz steht: ‚grundsätzlich‘. Es kann also seltene Umstände geben, dass die sechs Monate nicht ausreichen“ – was hier der Fall sei.

Dass „auf jeden Fall ein hohes Maß an Vertrauensschutz“ gelte, erklärt auch das Finanzministerium auf Nachfrage von klimaretter.info. Doch wie Bauer verweist auch die Söder-Sprecherin auf Mitte Januar: Da werde sich das Kabinett mit dem Windthema befassen und dabei auch darauf achten, was im Bund eventuell beschlossen werde. Laut Koalitionsvertrag will die Berliner Große Koalition es den Ländern ermöglichen, selbst Abstände zwischen Windrädern und Wohnhäusern festzulegen. Dass dies aber noch im Januar passiert, scheint mehr als fraglich.

Deshalb macht Erich Wust weiter Druck. Mit der Klage am Verwaltungsgericht und mit weiteren Terminen an der Windbaustelle bei Langenzenn. Für den 10. Januar hat sich die Landtagsfraktion der SPD angekündigt. Deren Umweltsprecher Harry Scheuenstuhl hat es nicht weit: Er wohnt im Nachbarort Wilhermsdorf.

Genossenschaftsanteile ab 50 Euro

Hubert Weiger, Vorsitzender beim Bund Naturschutz in Bayern (BN), macht auch auf anderen Ebenen Druck. Zusammen mit der IG Metall hat sein Verband an Seehofer einen „Brandbrief“ wegen der Windblockade geschrieben. „Wir sehen mit großer Sorge eine drohende Wende rückwärts“, geht Hubert Weiger die Bremser in Bayerns Staatsregierung frontal an: „Erst gab es ein klares Bekenntnis zum Windkrafterlass vom damaligen Umweltminister Söder. Das ist erst zwei Jahre alt.“ Doch seit Herbst 2013 ist Söder Heimatminister. Nun werde man damit konfrontiert, dass die Windkraft abrupt gestoppt werden soll.

Im Fall des Langenzenner Windkraft-Projekts appelliere er „eindringlich an den Ministerpräsidenten Seehofer, die Politik zu überdenken“, so BN-Vorsitzende Weiger. Denn Söder ist für Weiger nur Handlanger, der eine „willkürliche und durch nichts begründete Zwei-Kilometer-Abstandsregelung durchsetzen“ soll.

Dabei seien Windräder oder Biogas- und Solarkraftwerke oft im Besitz von Genossenschaften, an denen sogar Gemeinden beteiligt seien, „die Geld für die Allgemeinheit generieren wollen“. Das CSU-regierte Wildpoldsried nennt Weiger hier beispielhaft. Genossenschaftsbeteiligungen seien ab 50 Euro möglich, „also keine Frage des Einkommens“. Doch wenn die Staatsregierung nach dem Motto verfahre, man wolle die Energiewende, „aber nicht bei uns“, komme es zu gewaltigem Vertrauensverlust, zur Blockade dezentraler Investitionen und wichtiger Wertschöpfung im ländlichen Raum.

Diese Fundamentteile in Langenzenn harren ihrer Anwendung: Gerade mal 27 Windräder gingen in Bayern im ersten Halbjahr 2013 neu ans Netz – so wenig wie in kaum einem anderen Bundesland. (Foto: Wraneschitz)

Diese Fundamentteile in Langenzenn harren ihrer Anwendung: Gerade mal 27 Windräder gingen in Bayern im ersten Halbjahr 2013 neu ans Netz – so wenig wie in kaum einem anderen Bundesland. (Foto: Wraneschitz)

Allein im Landkreis Neustadt/Aisch – direkt an den Kreis Fürth angrenzend – werden Weiger zufolge fast 90 Prozent des Stroms dezentral erzeugt. Die Wertschöpfung von „weit über 100 Millionen Euro bleibt dort, das ist wesentlich mehr als EU- und sonstige Zuschüsse“, rechnet der BN-Chef vor.

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