BROT

Herr Prof. Dr. Markus Vogt, Sie sind Theologe der Universität München und Experte für christliche Sozialethik. Nahrungsmittel sind in unserer globalisierten Welt zu großen Spekulationsobjekten mutiert, werden wie Aktien zu Höchstpreisen verkauft. Dabei leidet knapp eine Milliarde Menschen auf der Erde an Hunger. Wie passt das zusammen?

Das passt gar nicht zusammen. Denn Nahrung besitzt nicht nur einen ökonomischen Wert, sondern ist gerade im christlichen Glauben sehr stark mit Kultur, Tradition und sozialen Entwicklungen verbunden. Besonders Brot hat dabei eine sehr wichtige Bedeutung, ist ein Grundsymbol des Lebens, das eines besonderen Schutzes bedarf.

Ein Grundsymbol des christlichen Glaubens.

Jesus hat gemeinsam mit seinen Jüngern beim letzten Abendmahl das Brot gebrochen und geteilt. Dazu haben sie Wein getrunken. Das Brot steht dabei für das Lebensnotwendige, für Nahrung. Der Wein für Lebensfreude und Genuss. Und das hat bis heute eine tiefe Bedeutung, auch in der modernen, globalisierten Gesellschaft. Denn das Brot brechen und teilen ist auch ein Zeichen für Gemeinschaft, Zusammenleben und ein soziales Miteinander. Und es stellt eine starke Verbindung von Mensch und Natur her.

Doch der christliche Glauben erhebt den Menschen zu einem Geschöpf Gottes. Er sieht sich als Krone der Schöpfung, will sich die Erde untertan machen. Hat der Christ dadurch nicht die Bindung zur Natur völlig verloren?

Der biblische Schöpfungsauftrag besteht eben nicht nur darin, sich die Erde untertan zu machen, bebauen und bewahren gehören zusammen. Wenn der Mensch sich zur Krone der Schöpfung macht, wird er zu ihrer Dornenkrone. Der Mensch bleibt ein Geschöpf, das seine kreatürlichen Grenzen anerkennen muss. Und so hat es auch keinen Zweck, wenn die Industriestaaten weiterhin nur auf Wirtschaftswachstum achten und Lebensmittel im Überfluss produzieren. Denn die Lebensmittel kommen nicht an. Und es bringt auch nichts, wenn wir die Hungernden wie Tiere füttern. Die Kleinbauern in der Dritten Welt brauchen unsere Hilfe, in dem wir sie darin unterstützen, dass sie ihr Land wieder eigenständig bewirtschaften, sich selbst versorgen können und dadurch eine Lebensgrundlage aufbauen und eine eigene Kultur schaffen. In ganz einfachen Schritten.

Klingt sehr gut und einfach, ist aber doch sehr schwer.

Natürlich kann das nicht von jetzt auf gleich passieren. Aber das Problem und die Folgen der Hungersnöte sind seit langer Zeit bekannt, werden von Jahr zu Jahr komplizierter und weitreichender. Land Grabbing und der Klimawandel erschweren das Ganze zusätzlich. Und wenn die Industriestaaten so weitermachen wie bisher, wird sich nicht viel ändern.

In Deutschland hat Brot eine lange und große Tradition. Spielt der Glaube da immer noch eine tragende Rolle?

Auf jeden Fall. Das verdeutlicht ein aktuelles Beispiel: So stößt der Einsatz von Getreide als Brennstoff, um Energie zu gewinnen, bei vielen Bauern auf Protest. Gerade in Zeiten der steigenden Hungersnöte in der Welt. Das ist dann für viele Bauern moralisch, aber auch religiös nicht zu vereinbaren. Getreide steht für Brot. Und das wiederum steht für Tradition, Handwerk und Gesundheit – für ein hohes Kulturgut, das man achten sollte. Denn Brot ist und bleibt ein Grundsymbol des Lebens – und das nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt.

Markus Vogt ist Professor für Christliche Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er studierte Theologie und Philosophie in München, Jerusalem und Luzern

Ein Grundnahrungsmittel im Wandel der Zeit | Ein Symposium zum Thema „Brot“, das nicht nur Hunger stillt, sondern die Menschen auch kulturell bewegt – mit Experten aus der Theologie und Agrarwirtschaft am 12. Oktober in der Seidlvilla, Nikolaiplatz 1b von 16 Uhr bis 20 Uhr; Eintritt frei

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