Der lange Schatten aus Landshut

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München war schon immer gern ganz vorn dabei. Die Stadt verfügt über die geringste Kriminalitätsrate aller Großstädte, die führenden Universitäten des Landes und kann den erfolgreichsten Fußballclub in Deutschland vorweisen. Da passt es ins Bild, dass die Stadtwerke in fünf Jahren alle Münchner Privathaushalte mit Öko-Strom aus eigenen Anlagen versorgen wollen. 2025 sollen Industrie und öffentliche Einrichtungen folgen. In Sachen alternativer Energien stünde München damit europaweit an der Spitze. Allerdings hat die grüne Zukunftsvision einen Haken:

Die Wende wird zu einem Teil mit Erlösen aus dem Atomkraftwerk Isar II finanziert. Noch immer sind die Stadtwerke zu 25 Prozent daran beteiligt. Das Paket würden sie nach eigenen Angaben gern loswerden, jedoch findet sich kein Käufer.

1982 investierten die Stadtwerke München in den Reaktorblock bei Landshut. Heute hält EO.N die übrigen 75 Prozent. Für beide Betreiber ist das Kraftwerk äußerst lukrativ: Bereits acht Mal lieferte es den meisten Bruttostrom aller 440 Atomkraftwerke weltweit, die Spitzenleistung liegt bei 12,5Milliarden Kilowatt. Laut des Öko-Instituts erlöst Isar II bis zu 550 Millionen Euro im Jahr und liegt damit in Deutschland an der Spitze. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke, nannte das Kraftwerk im Dezember 2005 eine „wirkliche Gewinnmaschine“. Aufgrund der Millionen aus der Kernkraft stehen die Stadtwerke blendend da.

Als alleiniger Gesellschafter erhält die Stadt von den Stadtwerken München (SWM) im Jahr 250 Millionen Euro. Dennoch bleiben der Tochter noch bis zu 300 Millionen Euro, die sie jährlich für den Ausbau der erneuerbaren Energieträger aufbringt. Trotz der guten ökonomischen Argumente für Isar II hat die rot-grüne Mehrheit im Stadtrat Ende der 90er Jahre beschlossen, ihren Anteil zu verkaufen. Dass dies bislang nicht gelang, liegt laut Kritikern auch am fehlenden Willen der Stadtwerke.

Klaus Buchner, Vorsitzender der ÖDP, wirft der Gesellschaft vor, nicht direkt mit Stromgiganten verhandelt zu haben. Der Vorsitzende der Grünen im Stadtrat, Siegfried Benker, hält dagegen: Es habe mehrere Verhandlungen mit E.ON gegeben. Sie seien letztlich am Beschluss der rotgrünen Bundesregierung gescheitert, aus der Atomkraft auszusteigen. „Damit sind wir den Anteil nicht mehr losgeworden“, sagt Benker. Endgültig lässt sich der Streit nicht auflösen, da die Stadtwerke die Namen der Verhandlungspartner auf Anfrage nicht nennen. Sprecher Christian Miehling spricht jedenfalls von „anhaltenden Bemühungen“. Vor etwa zehn Jahren hätten die Stadtwerke Anzeigen in der international erscheinenden Financial Times geschaltet. Die Unsicherheit bei der Laufzeit von Isar II hätte Interessenten abgeschreckt. Nach jetzigem Stand dürfte das Werk bis 2020 Strom liefern. Problematisch ist Isar II aus Sicht der Kritiker auch aufgrund seines Nachbarn:
Isar I. Das Werk ging 1977 ans Netz. In puncto Sicherheit ist es weit entfernt vom heutigen Standard. Eine terroristische Attacke mit einem vollgetankten Flugzeug kann zu einer Kernschmelze führen. Doch gerade diesen gefährlichen Nachbarn würde die CSU gern länger am Netz sehen.

Geplant war, den Meiler 2011 abzuschalten, der Parteivorstand setzt sich für eine längere Laufzeit ein. Kurt Mühlhäuser, Vorsitzender der Stadtwerke, hat sich gegen die Verlängerung der Laufzeiten ausgesprochen. 2020, wenn Isar II vom Netz gehen soll, wollen die Stadtwerke schließlich längst am alternativen Strommarkt etabliert sein. Etwas erstaunlich ist, dass nun gerade Mühlhäuser mit enormen Investitionen in alternative Energien Aufsehen erregt. Noch 2007 hatte er ganz andere Pläne, der rot-grüne Stadtrat wischte sie vom Tisch: Mühlhäuser wollte im großen Stil in Kohle investieren, um für die Zeit nach 2020 vorzusorgen.

Fabian Mader / Der Beitrag entstand im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit der Abschlusszeitung an der Deutschen Journalistenschule
Foto: Dominik B. (jugendfotos.de)

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