Gesicht des Freihamer Wohngebiets

Gestaltungswettbewerb: am 21. September verkündet die Jury ihr Urteil

Über 120 Aubinger Bürger erfuhren auf einem Informationsgespräch des Planungsreferats am 2. Mai 2011, moderiert vom Münchner Forum: Freiham wird eine richtige Stadt am Rande der Großstadt – mit seiner künftigen Einwohnerschaft von 20.000 Personen halb so groß wie Dachau oder Fürstenfeldbruck, aber größer als Bad Tölz. Freiham bekommt Schulzentrum und Bibliothek, Marktplatz und Kirchen, und all das nicht wie in der Messestadt Riem irgendwohin an den Rand weggedrückt, sondern mittendrin. Für den ersten Bauabschnitt mit 3.500 Wohnungen für 7.000 Bewohner und den ersten Bauabschnitt des Freihamer Zentrums läuft über den Sommer der europaweit ausgeschriebene Gestaltungswettbewerb. Zum Herbstbeginn soll dann feststehen, wie Freiham dort künftig aussehen wird. Nächstes Jahr wird der Rahmenplan fertig, im Jahr darauf die Bebauungsplanung, und ab 2014 soll dann tatsächlich gebaut werden. Die Erwartungen sind hoch. Sind sie es zu Recht?

In Freiham soll ein schwieriger Kunstgriff gelingen: Das neue Stadtquartier soll zwar städtisch sein und urbane Qualitäten aufweisen, was eine relativ dichte Bebauung verlangt, aber auch Vorzüge ausspielen, die der Stadtrand bietet: Landschaftsverbundenheit, also viel Grün und Kontakt mit der Natur. Die Stadt will die Natur vor allem mit dem 70 Hektar groß werdenden Landschaftspark entlang der Autobahn erlebbar machen. Zum Vergleich: der Westpark hat 60 ha. Auch zwischen dem bestehenden Stadtteil Neuaubing und dem künftigen Wohngebiet Freiham wird ein schmaler Grünzug geschaffen. Trotzdem sollen alt und neu eng verzahnt werden; beispielweise wird ein neues Geothermie- Kraftwerk beide Stadtteile und z.T. auch das Fernwärmenetz versorgen, erklärte der Stuttgarter Erdwärme-Professor Dr. Detlef Kurth.

Das Wohngebiet Freiham wird keine Häuslebauersiedlung; für derartige Dichten ist städtischer Grund zu kostbar, erläuterte Stadtbaurätin Prof. Elisabeth Merk. Im verdichteten Eigenheimbau (das läuft auf sogenannte Stadthäuser und ähnlich kompakte Bauformen hinaus) ist eine GFZ von 1,1 vorgesehen, im Geschosswohnungsbau 1,2. Das sind Dichten wie in Neuperlach (zum Vergleich: Gründerzeitviertel wie rund um den Gärtnerplatz oder in Schwabing- West weisen 3,0 und mehr auf, Eigenheimsiedlungen mit Hausgärten oft nur 0,2). Wie eine relativ dichte Bebauung bei zugleich viel Anspruch auf Grün zu gewährleisten ist, soll der Wettbewerb zeigen, der bereits europaweit ausgeschrieben ist (eine wirklich gute Ausschreibung sei das, sagte Jurymitglied Ina Laux; das sei keineswegs immer und überall so).

Drei Schwerpunkte hat das jetzt zu verwirklichende Freihamer Programm: Auf bisherigen Feldern wird erstens die Stadt weitergebaut. Zweitens ist eine energieeffiziente Entwicklung geplant – als Modellprojekt, das deshalb auch von der Bundesregierung unterstützt wird. Drittens ist dieses Nachhaltigkeitsprojekt urban zu interpretieren. Darin liegt die eigentliche Aufgabe. Denn Passivhäuser zu bauen, ist keine grundlegende Schwierigkeit mehr. Zu untersuchen ist auch noch, wie sich die Energieersparnis durch aneinander zu rückende Stadthäuser mit massiver Wärmedämmung und die Energiegewinnung in einer aufgelockerten Bebauung mit großzügigeren Hausabständen zur optimalen Besonnung der Südfronten und von Solardächern zueinander verhalten. Nicht zu vernachlässigende Posten in der Energiebilanz sind auch „graue Energien“ zur Herstellung des Baumaterials und die Energien für die Mobilität der Bewohner. Je aufgelockerter und naturnäher die Bauweise, desto länger dürften nämlich die Wege werden und desto eher könnte
das Auto aus der Garage geholt werden. Kompakte Stadtviertel sind dagegen fußgängerfreundlich und insofern auch ein Beitrag zur Energieeffizienz.

Freiham soll also das theoretisch Unmögliche leisten, gleichermaßen rural (ländlich) und urban (städtisch) zu sein, wofür die Landschaftsarchitektin Maria Auböck, ebenfalls Jurymitglied, das Kunstwort rurban in die Debatte warf. Gesucht wird diese Antwort seit langem. Als in den 1970er Jahren Neuperlach entstand, hieß die Antwort Hochhäuser in parkartiger Stadtlandschaft mit von den Häusern abgewandten Straßen und von den Straßen abgewandten Fußgängerwegen. „Die Sehnsucht urban plus grün wurde selten eingelöst“, urteilte die Architektin Ina Laux; sie sei daher froh, setzte sie hinzu, dass Freiham so lange liegen geblieben sei. Jetzt gelte es, die „Ressource Raum“ gut zu nutzen, also vielleicht nicht hoch, aber auf jeden Fall relativ dicht zu bauen, auch um kurze Versorgungswege sicherzustellen.

Ein offenes Einkaufszentrum nicht als hermetische Mall, sondern als ergänzbares Viertel von Einzelhandelsgeschäften, ein zentraler Platz mit hoher Aufenthaltsqualität (kein zugiger Unort wie der Willy-Brandt-Platz in der Messestadt), das Schulzentrum mitten im Stadtteil, vielleicht sogar ein „Campus Freiham“, wie aus dem Publikum gefordert – all das soll in Freiham Urbanität erzeugen. „Man muss sich fassen und greifen können“, sagte Laux. Erschlossen wird der Stadtteil zunächst durch Busse, dann durch eine Tram, deren Trasse sich auch für eine Stadt-Umland-Bahn oder für eine U-Bahn eignen könnte. Mit dieser Trassenfestlegung werde auf jeden Fall nichts verbaut, erläuterte der Stadtrat und BA-Vorsitzende Dr. Josef Assal. Eine U-Bahn brauche Freiham nicht; mit sechs S-Bahnhöfen sei sein Stadtbezirk ohnehin sehr gut versorgt. Die neuen Infrastruktureinrichtungen nutzen auch den Neuaubingern.

Auch Stadtbaurätin Elisabeth Merk will, dass Freiham dicht bebaut werden wird, weist aber darauf hin, dass Dichte allein kein Garant für Urbanität ist. Sie plädiert grundsätzlich dafür, kein Einzelargument wichtiger als andere zu nehmen, weder die „verkehrsgerechte Stadt“ wie in der Vergangenheit noch lediglich Dichte noch lediglich Nachhaltigkeit. Grundsätzlich plant sie für Freiham eine „kleinteiligere Typologie“ als ihre Amtsvorgängerin Christiane Thalgott in der Messestadt. Zwar besteht ein Gesamtkonzept, das im Freihamer Süden, auf dem Gewerbegebiet, schon teilweise umgesetzt ist. Aber realisiert wird stückweise. Dabei spielt auch die Zeit eine wichtige Rolle. Nicht alles soll von Anfang an festgelegt werden. Erfahrungen sollen einfließen können. Auch wer später kommt, soll noch mitreden können. Freiham soll entstehen wie ein Patchwork: nach einem übergreifenden Muster, aber aus vielen einzeln gestaltbaren Teilen.

Das gilt auch für die Grüngestaltung, die Merk zufolge zwar nach einem Masterplan, aber „in den Zwischenräumen flexibel“ angedacht ist. Der Landschaftspark an der Autobahn sei eine große Vorleistung; die Ausgestaltung des Grüns in den Quartieren sei hingegen differenziert anzugehen. Ein solches Planungsprinzip nahe an den Einzelquartieren hält Merk ohnehin für nötig; Riesenentwürfe könnten gar nicht detailgenau sein. Sehr bewusst habe sich ihr Referat deshalb entschieden, im jetzt laufenden Wettbewerb nur zwei Teilflächen zu überplanen: den östlichen Wohnbereich direkt an der Grenze zu Neuaubing und das Stadtteilzentrum mit Schul- und Sportzentrum.

Baugemeinschaften sollen in Freiham „an den richtigen Stellen privilegiert“ zum Zuge kommen, erläuterte Merk. Im übrigen ist die „Münchner Mischung“ aus Sozialwohnungen, frei finanzierten Miet- und Eigentumswohnungen geplant. Für eine Durchmischung plädierte auch Assal. Auf Kinderspielplätzen würden Eltern sich kennenlernen. Schon jetzt gebe es rundum ein reichhaltiges Vereinsleben. Soziale Kontakte und ein lebendiges Viertel ergäben sich so fast von allein.

Ein Beitrag unseres Medienpartners Münchner Forum

2 Kommentare zu “Gesicht des Freihamer Wohngebiets”

  1. Veronika Heuwieser sagt:

    Vielen Dank für das Komplimet!

  2. Sabine Z. sagt:

    Tolle Seite! Habe Euch heute auf dem Streetlife entdeckt und freue mich total, dass sich endlich jemande diesen wichtigen Themen in München annimmt. Ich hoffe sehr, dass München in Freiham mehr Mut beweist.

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