Artenschutz: München will Hauptstadt sein

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Wildtiere wie dieser Biber scheinen in der Großstadt keinen Platz zu haben. Von wegen: Der Baumnager hat seinen Bau direkt am Deutschen Museum. Münchens Artenvielfalt ist reichhaltiger als man denkt. Den Titel der Radlhauptstadt hat man sich ja bereits selbst verliehen. Bei der Bezeichnung „Bundeshauptstadt für Biodiversität“ – erfunden im zum Jahr der Biodiversität der Vereinten Nationen – ist das nicht so einfach. Hier entscheidet eine Jury, ob Münchens Bewerbung Erfolg hat.

Der von der Deutschen Umwelthilfe unter der Schirmherrschaft von Umweltminister Norbert Röttgen erstmals ausgerufene Wettbewerb richtet sich an Städte und Gemeinden jeder Größe. Diese sind eingeladen, ihre Projekte und Strategien zum Schutz der Artenvielfalt zu präsentieren.Gerade im Vergleich mit anderen Großstädten ist München dank seiner geografischen Lage enorm artenreich, gleichsam ein „Hot-spot“ der Biodiversität:

Neben Isartal und Würmaue prägen auf den Schotterfluren Magerrasen (Grashaiden) und im Münchner Westen, Nordwesten sowie Nordosten die Reste der ehemals großflächigen Niedermoore die Landschaft im Stadtgebiet. Doch nicht nur dieser günstigen Lage, auch der Sicherung solcher Kulturlandschaftsrelikte, der von der Landeshauptstadt unterstützten Biotop- und Landschaftspflege und damit auch Projekten etwa des Landesbundes für Vogelschutz und des Bundes Naturschutz, ist diese biologische Vielfalt zuzuschreiben. So konnte beispielsweise auf einer Feuchtwiese im Münchner Westen der Bestand der bis vor kurzem in München noch als verschollen geltenden Mehlprimel wieder stabilisiert werden. Für die gut getarnte und seltene Blauflügelige Ödlandschrecke ist die Landeshauptstadt mit ihren Bahnbiotopen in ganz Südbayern ein entscheidender Lebensraum. Im Riemer Park und den Magerrasen des Riemer Waldes, einer einst intensiv genutzten landwirtschaftlichen Fläche, ist ein naturnahes und artenreiches Areal entstanden, das der Wechselkröte Lebensraum bietet und wo Pflanzen wie Salbei oder die Karthäusernelke blühen. 2010 hat die Landeshauptstadt rund 125.000 Euro allein in die Biotoppflege investiert.

821 wildwachsende Farn- und Blütenpflanzen, 114 brütende Vogelarten, 62 Arten von Tagfaltern, 32 Heuschrecken-Arten und knapp 200 Bienenarten sind in der Landeshauptstadt heimisch. „München muss den Vergleich mit ländlichen Regionen keineswegs scheuen“, urteilt denn auch Joachim Lorenz, Referent für Gesundheit und Umwelt. Dennoch: „Die Vereinten Nationen registrieren aktuell das weltweit größte Artensterben seit 65 Millionen Jahren. Deshalb müssen wir noch mehr in die Pflege investieren und noch aktiver werden.“ Die Teilnahme an dem Wettbewerb solle Bürgerinnen und Bürgern das reichhaltige Naturerbe Münchens näher bringen und auch ermutigen, sich für Münchens bedeutende Lebensräume wie etwa die Allacher und Fröttmaninger Haide zu engagieren. „Egal wie wir bei dem Wettbewerb abschneiden, es geht darum, uns der Herausforderung zu stellen, unsere Natur zu bewahren und Münchnerinnen und Münchner für den Umweltschutz vor der eigenen Haustüre zu sensibilisieren.“

Doch auch der Blick über den eigenen Tellerrand ist entscheidend, um das weltweite Artensterben einzudämmen. So unterhält die Landeshauptstadt München eine Partnerschaft mit den Asháninkas – ein inidigenes Volk aus Peru – und hilft beispielsweise bei der Wiederaufforstung des Regenwaldes. Auch beim Bauen wird möglichst Rücksicht genommen: Die Landeshauptstadt verzichtet vollständig auf Tropenhölzer, entwickelt im Zuge der Bauleitplanung artenreiche Ausgleichsflächen, etwa um die Langwieder Haide, und hat in den vergangenen zehn Jahren die Anzahl der Bäume an Straßen deutlich gesteigert. Zusätzlich ist München auch in der Umweltbildung aktiv, etwa bei Projekten in Kindergärten und Schulen oder mit dem Ökologischen Bildungszentrum, und fördert Flyer des Bundes Naturschutz, die den Bürgerinnen und Bürgern die Münchner Artenvielfalt näher bringen. Aktuell soll die Rostbinde, eine in ganz Südbayern vom Aussterben bedrohte Tagfalterart, die vor etwa 20 Jahren noch auf der Panzerwiese nachgewiesen werden konnte, durch die Biotoppflege wieder gezielt dort angesiedelt werden. Die letzten Exemplare der Rostbinde in Südbayern leben noch auf der benachbarten Fröttmaninger Haide.

„Wir haben bereits viel getan, die Bestände seltener Arten wie etwa des Fransenenzians, der Taubigen Graslilie oder des Sumpfwiesen-Perlmuttfalters wieder vergrößern zu können – und auch das Bewusstsein für den Schutz der Artenvielfalt hat sich positiv verändert, genauso wie die Anzahl der Projekte deutlich gesteigert werden konnte“, so Lorenz. Aber es gibt auch traurige Beispiele: So kam trotz des 1996 vom Stadtrat aufgestellten Arten- und Biotopschutzprogramms beispielsweise jede Hilfe für die Glocken-Sandbiene am Südrand der Aubinger Lohe zu spät – die letzten bekannte Brutkolonie war bereits verwaist.

Eine von rund 200 nur historisch aus München belegten, heute aber ausgestorbenen Pflanzenarten ist das Helmkraut, ein Eiszeitrelikt, das bis in die 1980er Jahre hinein noch in der Moosschwaige wuchs. „Der Münchner Umweltschutz ist in vielen Bereichen für eine Großstadt sicher schon vorbildlich. Für unsere Zukunft müssen wir noch mehr leisten und die letzte Refugien mancher Arten sichern“, urteilt Lorenz.

Bild: (c) Alexander Franke / www.jugendfotos.de

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