Schöner grüner Schein

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In München stimmt das Klima. Davon sind zumindest die 1,4 Millionen Einwohner überzeugt. Eine Studie der Europäischen Union fand heraus: Die Münchner halten ihre Stadt für sehr aktiv im Kampf gegen den Klimawandel. Stimmt das?

Noch zufriedener waren nur die Luxemburger. Tatsächlich gilt München mit seinen zahlreichen klimapolitischen Initiativen als ein urbanes Öko-Vorbild. Doch der grüne Schein trügt. Bis 2010 wollte die Stadt eigentlich ihre CO2-Emission halbiert haben. Dieses Ziel hat sie weit verfehlt.

Bereits im Jahr 1990 hat sich München eine ehrgeizige Selbstverpflichtung auferlegt. Zusammen mit anderen Kommunen ist die Stadt damals dem sogenannten Klimabündnis beigetreten. Damit hat sie sich verpflichtet, in Zukunft zum Schutz der Erdatmosphäre beizutragen und ihren Gesamtausstoß an CO2-Ausstoß bis 2010 um die Hälfte herunterzufahren. Die Bilanz nach 20 Jahren: Trotz zahlreicher gutgemeinter Energiesparkonzepte und Klimaschutzprogramme stieg der CO2-Ausstoß in München an, und zwar um über zehn Prozent. Weil das schon seit einigen Jahren abzusehen war, hat sich das Klimabündnis kurzerhand erneuert und sein Reduktionsvorhaben auf das Jahr 2030 vertagt.

Für 2010 gilt also: Halbzeit statt Abpfiff. Helmut Selinger von der Klimainitiative München ärgert sich über die verpatzten Ziele seiner Heimatstadt. „Auch zur Halbzeit darf es einfach keine Erhöhung der Emission geben“, klagt der Umwelt-Aktivist. „Wenn das so weiter geht, gehen wir einem Abgrund entgegen.“ Mit dem schlechten Abschneiden Münchens im CO2- Monitoring hat Selinger nicht gerechnet. Auch er hatte bisher das Gefühl, in einer vorbildlichen Ökostadt zu leben. „München startet sehr viele Initiativen und verkauft sie mit einer hervorragenden Öffentlichkeitsarbeit“, so Selinger. „Aber diese Maßnahmen haben offenbar eine zu geringe Wirkung.“

Die Ursachen dafür sieht Energieforscherin Maren Arnold von der TU München nicht im Versagen der Politik. Ihrer Meinung nach tragen die Bürger selbst die Verantwortung. Sie seien zu bequem, zu verschwenderisch und zu luxusorientiert. Den größten Anteil in Münchens CO2-Bilanz machen die privaten Haushalte aus. „Strom- und Wärmeverbrauch sind bei weitem die größten Probleme“, sagt Arnold. „Da ist jeder Einzelne gefragt. Politische Initiativen allein werden Klimaschutz nicht bewirken können.“

Ähnlich sieht es auch Matthias Sinn vom Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt. Er glaubt, dass der Münchner Klimaschutz dringend mehr Bürgerbeteiligung braucht. „Wir von der Stadtverwaltung haben Ideen, aber die klappen nur, wenn alle mitmachen“, meint Sinn. „Dann halte ich auch das 50 Prozent Ziel bis 2030 für durchaus machbar.“ Was den Klimaschutz betrifft, bleibt München also weiter optimistisch. Trotz der nüchternen Halbzeitbilanz des Klimabündnisses steckt sich die Stadt sogar schon eifrig neue Ziele und die sind immer noch ehrgeizig. Bis zu ihrem 900 Geburtstag im Jahr 2058 will die Stadt komplett Co2-frei werden.

Artikel von: Veronika Sigl
Fotos von: sogge, jugendfotos.de

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