City Maut: alternativlos oder mittelalterlich?

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Ist die Innenstadtmaut ein Konzept, das für München geeignet ist? Ob München als erste deutsche Stadt Gebühren für die Nutzung der Straßen erheben soll, wird seit Kurzem heiß diskutiert.

Rollende Autos = Rollender Rubel?

Wenn Münchner an Verkehr denken, geht es immer um Geld. Schon Heinrich der Löwe dachte vor allem an das eine, als er 1158 eine Brücke über die Isar bauen ließ – er wollte Zölle auf den Salzhandel in Richtung Augsburg erheben. Auch wenn jetzt eine City Maut, die moderne Form des Straßenzolls, von den Münchner Grünen ins Gespräch gebracht wird, sind die leeren Kassen im Hinterkopf der Politik: „Leider wird es ohne eine Steigerung der Einnahmen nicht möglich sein, einen ordungsgemäßen Haushalt aufzustellen“, sagt Hanna Sammüller, Vorsitzende der Münchner Grünen.

In erster Linie geht es aber um weniger Mittelalterliches als Straßenzoll – es geht um Nachhaltigkeit. Neben der Funktion als Einnahmequelle sieht Hanna Sammüller vor allem zwei Vorteile der Innenstadtmaut: „Erstens stellt sie eine Möglichkeit zur Erreichung der gesetzlich vorgeschriebenen der Luftschadstoff-Werte und der Reduzierung des CO2-Ausstoßes dar. Zweitens wird die Innenstadt durch eine City-Maut und so ein sinnvolleres Verkehrskonzept wesentlich attraktiver.“

Die City Maut soll in Zeiten zunehmender Urbanisierung den motorisierten Individualverkehr regulieren. Das Problem ist deutlich am Horizont (und in nuce jeden Tag auf den Straßen) zu sehen: Nach München werden in den nächsten zehn Jahren zusätzlich mindestens 70.000 Menschen ziehen. Noch mal so viele sollen im ländlichen „Speckgürtel“ hinzukommen. Die Folgen werden mehr Autos, mehr Staus und mehr Smog sein. Einige Experten sehen nun in der Innenstadtmaut eine der besten Lösungen, um das aufkommende Problem in den Griff zu bekommen. Thomas Reiner von der Münchner CSU hingegen glaubt nicht an den Vorschlag: „Ist eine Innenstadt-Maut der Königsweg, diese Entwicklung zu verhindern oder einzudämmen? Wir meinen: Nein.“

Erfahrungen in anderen Städten

Die Diskussion um die City Maut haben die Münchner Grünen bei einer Anhörung im Rathaus Ende Mai wieder angestoßen. „Die City-Maut ist nicht eine Erfindung der Münchner Grünen“, sagte die grüne Stadträtin Sabine Krieger dort. „In Oslo gehört die Maut seit Jahren zum Alltag, die Zustimmung in London wächst ständig und Stockholm wird demnächst eine Maut für die Innenstadt einführen.“ Seit das norwegische Bergen 1985 erstmals eine Gebühr 25 Kronen für das Befahren der Straßen erhob, hat das Konzept sich – in verschiedenen Formen – über ganz Europa verbreitet: Trondheim (Norwegen), Durham (England), Edinburgh (Schottland), Rom, Bolgna und Mailand (Italien), Wien (Österreich), Prag (Tschechien) und Budapest (Ungarn) zogen nach. In Deutschland gibt es allerdings – auch weil die rechtlichen Grundlagen auf Bundesebene für die City Maut noch nicht gegeben sind – noch keine Stadt mit Innenstadtmaut.

Der bekannteste – und wohl erfolgreichste – Fall ist London. Dort gibt es seit 2003 eine sogenannte Congestion Charge („Staugebühr“), die ein Gebiet umfasst, das sich von Notting Hill bis Southwark über ein Gebiet von nur 21 Quadratkilometern, 1,3 Prozent des Stadtgebiets, erstreckt. Umgerechnet zahlt jeder PKW-Besitzer der unter der Woche tagsüber in diese Zone fahren möchte sieben Euro. Die Maßnahme war sehr erfolgreich: Nach einem Jahr wurden 18 Prozent weniger Autos in der Gebührenzone gemessen. Das Ziel – in London: die Stauverminderung – wurde damit erreicht.

München ist nicht London

Aber München ist nicht London. „Nach München kommen viele Touristen mit dem eigenen Fahrzeug, anders als nach London, Stockholm oder Oslo“, sagt Thomas Reiner, CSU. Die Probleme, mit denen die Stadt im Falle der Einführung einer City Maut umzugehen hätte, wären deshalb ganz andere: „In der Praxis wäre es schwer, ausländische Fahrzeuglenker zur Maut heranzuziehen. Wenn diese nicht zahlen, wäre eine Verfolgung in ihrem Heimatland problematisch.“

Auch die Wirtschaft der Münchner Innenstadt steht der Straßennutzungsgebühr ablehnend gegenüber. Sie befürchtet Einnahmeeinbußen. „Für das Überleben eines lebendigen städtischen Zentrums als traditioneller Einzelhandelsstandort ist es daher unverzichtbar, gut erreichbar zu sein“, sagt Rolf Pangels, ehemaliger Hauptgeschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels.

Ein weiteres Problem sind die Bedenken von Datenschützern: Die Mautkontrolle birgt die Möglichkeit der Erstellung eines Bewegungsprofils. „Die so entstehenden Bewegungsprofile sind zwar erstmal anonym, lassen sich aber leicht durch Blitzer einem Kennzeichen zuordnen“, sagt Werner Hülsmann, Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz. Noch weiter geht Thomas Reiner, CSU: „Die Gerätschaften für die Innenstadtmaut würden es ermöglichen, jeden Bürger stets zu kontrollieren.“

Die Unionsfraktion im Münchner Stadtrat bleibt bei ihrer ablehnenden Haltung: „Zugbrücken und Burgmauern waren einmal sinnvoll – nahte der Feind, zog man die Brücke hoch und er blieb vor der Burgmauer“, sagt Thomas Reiner. Aber: „Wir sind nicht mehr im Mittelalter.“ Die Münchner Grünen geben sich dennoch zuversichtlich, dass offene Fragen hinsichtlich Datenschutz, Wirtschaftsverträglichkeit und rechtlicher Einschränkungen geklärt werden können. Sie fordern, eine Machbarkeitsstudie für München. Michael Fritsch, Mitbegründer des „Kernteams City-Maut München“ der Münchner Grünen, sagt zusammenfassend: „Die City-Maut ist ohne Alternative – bei unpolitischen Verkehrsexperten ist dies längst unumstritten.“

Text: Hannes Kerber / Foto: Tino Höfert (www.jugendfotos.de)

2 Kommentare zu “City Maut: alternativlos oder mittelalterlich?”

  1. Thomas B sagt:

    Als Bewohner der Münchner Altstadt lebe ich selbst seit fast acht Jahren ohne Auto. Die Bilanz: drei Taxifahrten und zwei mal einen Kombi gemietet. Alles andere ließ sich mit dem MVV wunderbar erledigen. Auch die tägliche Fahrt zur Arbeit raus in den so genannten „Speckgürtel“.

    Es gibt keinen vernünftigen Grund für den privaten Autoverkehr innerhalb des Altstadtrings, könnte man die Autoabgase einfärben, würde das jeder sofort verstehen. Zudem werden die Menschen leider zu gehetzten und wütenden Tieren, so bald sie in ihrem Wagen sitzen. Hier wird pro Stunde wohl ein paar hundert mal gehupt – und das hat nichts mit Gefahren zu tun, sondern nur mit dem „Weg da, jetzt komm ich!“-Lebensgefühl. Dass das Hupen innerhalb der geschlossenen Ortschaft gar nicht erlaubt ist, kümmert keinen. Es wird auch leider nicht geahndet. Dabei könnte die Stadt bei einem saftigen Bußgeld von beispielsweise 50 Euro pro Hupen jeden Tag genügend Geld einnehmen, um den Öffentlichen Nahverkehr noch attraktiver und preiswerter machen zu können.

    Hier ist die Stadt in der Pflicht, denn noch immer muss man sich als Radfahrer durchkämpfen zwischen den Autos, die selbstverständlich Radwege zuparken, als wären sie nicht da. Bestes Beispiel ist der Oberanger: Irgendwer parkt immer auf dem nur mit Farbe abgegrenzten Radweg.

    Angenommen, man würde auf der Sonnenstraße die Autos auf eine Fahrspur reduzieren und die anderen Spuren den Radfahrern vorbehalten, würde sich natürlich das Verhalten der Menschen ändern. Man würde öffentlich hinfahren oder eben mit dem Rad – oder beides. Aber vielleicht ist ein solches Denken ja tatsächlich noch nicht mehrheitsfähig. Eher schon der Führerschein mit 17 …

  2. Mario H. sagt:

    CSU: “Die Gerätschaften für die Innenstadtmaut würden es ermöglichen,
    jeden Bürger stets zu kontrollieren.”
    Die sind doch nur dann gegen solche Maßnahmen, wenn die eigenen Wähler
    betroffen sind bzw. es merken. Sonst haben die wesentlich weniger
    Skrupel, Überwachungsmaßnahmen abzunicken.
    Irgendwie scheint mir die Union weiterhin mittelalterlich: die haben
    auch gar keine Rezepte für die Probleme der Gegenwart oder Zukunft. Erst
    einmal negieren und dann später weitersehen…

    Um zum Thema zu kommen: die Aussage, die Gebühren seien im Ausland nicht
    eintreibbar ist vergleichbar mit „Morde werden häufig nicht aufgeklärt,
    also erlauben wir sie“. Nettes Stammtisch-Scheinargument, aber mehr
    nicht.
    Über unsere PKW-G-heit vergessen wir jedoch allzu häufig, dass eben
    diese Geräte die Umwelt verschmutzen, Platz wegnehmen und Erdöl
    verbrennen (das gerade in Massen auf die amerikanische Küste zutreibt).
    Dagegen sind Radl und Fußgänger weeesentlich (mit 3 „e“) sauberer,
    leiser und umweltfreundlicher. Müssen aber trotzdem dauernd auf ihre
    Rechte zugunsten von Autos verzichten. Gerade in unseren Innenstädten
    haben Autos kaum etwas verloren. Da wird diese Masse an
    Individualverkehr einfach nicht gebraucht.
    Im ländlichen Bereich sieht es ganz anders aus: wo ÖPNV sich nicht
    lohnen, werden Autos (Roller etc.) gebraucht.

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