Direkt beim Bauern: „The Food Assembly“ kommt nach München

Mit The Food Assembly kommt ein Konzept nach München, was sich an Ideen wie die Ökokiste oder den Bauernmärkten anschließt. Trotzdem bietet das französische Modell, das einen direkten Kontakt zwischen den lokal produzierenden Landwirten und bewusst einkaufenden Städter herstellt, ein paar Besonderheiten.  Im Interview mit Grün&Gloria beantworteten Laure und Charlotte unsere Fragen und erzählten uns, inwiefern es bei der Food Assembly um mehr geht, als nur Nahrungsmittel zu kaufen.

M: Wie ist das Projekt The Food Assembly entstanden?

L: Charlotte ist hier in München die Gastgeberin, das heißt die lokale Ansprechperson. Ich bin Teil von dem deutschen Team, das das deutsche Netzwerk bundesweit entwickelt. Wir sind zu dritt in Berlin. Das Konzept ist in Frankreich 2010 entstanden und zwar von zwei Männern, Guilhem und Marc-David, die einfach Lust gehabt haben, eine einfache und coole Idee umzusetzen, und zwar, den Verbrauchern und kleinen Erzeugern dank des Internets neue Möglichkeiten zu bieten. Die erste Assembly ist 2011 in Frankreich eröffnet worden. Und es hat sich gut entwickelt.

M: Wo war die erste Assembly?

L: Sie war in der Nähe von Toulouse, in Südfrankreich in einem kleinen Dorf. Also nicht in einer großen Stadt. Dann ist es allmählich gewachsen und heute gibt es mittlerweile fast 800 Assemblies in Frankreich. Seit Februar bzw. März 2014 versuchen wir auch hier in Deutschland das Konzept umzusetzen und zu entwickeln. Dies manchmal mit anderen Werten, also Sachen die anders sind, aber das Konzept bleibt gleich.

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M: Wie würdest du die Idee in einem Satz beschreiben?

L: Food Assembly ist ein Netzwerk von kleinen lokalen Verbrauchererzeugergemeinschaften, die es erlauben, gute regionale Produkte direkt beim Erzeuger zu kaufen. Diese Erzeuger sind kleinbäuerliche Erzeuger, die gut arbeiten und die über die Food Assembly ein System finden, wo sie direkt vermarkten können – mit einem vermindertem Risiko.

M: Aber es gibt in München ja auch andere Netzwerke, die diese Direktvermarktung von Erzeugern voranbringen wollen. Da gibt es sicher welche, die dann sagen: Das machen wir doch auch, und jetzt kommt Food Assembly. Worin liegt denn jetzt das neue?

L: Also als erstes läuft alles Online was den Verkauf angeht, aber die wichtige Sache bei Food Assembly ist die Tatsache, dass man die Erzeuger jede Woche direkt trifft. Sie bleiben zwei Stunden bei der Verteilung. Die Leute kommen, um die Produkte, die sie bereits auf der Plattform bestellt und bezahlt haben, abzuholen. Auf diese Weise entsteht dieses soziales Element, das uns so wichtig ist: der Austausch mit dem Erzeuger für zwei Stunden oder zwei Minuten –je nachdem wie lang man bleiben möchte. Dieses soziale Element entsteht auch zwischen den Mitgliedern – die Leute die bei einer Food Assembly kaufen, kommen aus der Nachbarschaft. Sie kommen meistens zu Fuß mit einer Tüte und nehmen die Produkte mit. Dabei lernen sie auch die Leute kennen, die in ihrer Nähe wohnen.

M: Also im Grunde ist das dann ja auch nicht anders als ein Wochenmarkt – da ist München ja auch ganz weit vorne mit regionalen Anbietern bzw. als Treff in den Stadtteilen. Ihr geht aber noch einen Schritt weiter als der Wochenmarkt…

L: Es sieht erstmal wie ein Wochenmarkt aus. Aber wenn ich auf einem Wochenmarkt kaufe, weiß ich nie, woher die Produkte kommen. Entweder gibt es Händler oder es gibt regionale Erzeuger, die aber sehr oft Produkte verkaufen, die von einem anderen Hof kommen oder sogar aus dem Ausland.

Der zweite große Unterschied besteht darin, dass das System für die Erzeuger sehr vorteilhaft ist. Die meisten können keinen Wochenmarktstand zahlen. Auf einem Markt weiß ein Erzeuger nie, ob er genug verkaufen wird oder nicht. Bei einer Assembly bleiben sie zwei Stunden vor Ort und nicht acht Stunden. Sie wissen genau, welche Menge sie liefern werden. Sie bringen nur die Produkte, die auch geliefert werden müssen und fahren nach der Verteilung zurück nach Hause mit leeren Kisten: so wird auch vermieden, dass Nahrungsmittel verschwendet wird. Sie haben außerdem die Sicherheit, einen Mindestbestellwert anzugeben und zu entscheiden, dass sie unter einem Umsatz von z.B 100 Euro nicht liefern werden, wenn es sich für sie nicht lohnt. So macht man das Risiko für die Erzeuger viel kleiner. Hier haben sie die Sicherheit: Wenn ich liefere, dann lohnt es sich.

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M: Und dann erinnert es mich wiederum an die Ökokiste. Da haben sich ja auch regionale Bauern zusammengeschlossen, die dann sogar nach Hause liefern. Warum sollten die Leute Food Assembly nutzen, wenn sie es auch nach Hause geliefert bekommen können?

C: Weil der Kontakt mit dem Erzeuger fehlt. Also die Kiste kommt ja einfach morgens oder wann auch immer am Tag vor die Tür. Da trifft man vielleicht den Lieferanten, der es ausfährt, aber letztendlich nicht den Bauen. Man kann dem Bauern auch nicht direkt Feedback geben, ob man jetzt die Karottensorte super gut findet oder die andere besser war.

L: Oder wie man das kochen könnte, oder warum es diese Woche keine gelben Tomaten gibt …

M: Und auch das Zusammenkommen – auf der Website wird ja sehr hervorgehoben, dass die Leute oder Nachbarn sich vor Ort treffen, ein sozialer Treff. Wird das auch irgendwie unterstützt, indem ihr da irgendwelche Formate entwickelt wie Talks oder Spiele. Gibt es da was?

L: Ja, also Ziel ist es, dass jede Assembly ein persönliches Projekt ist. In diesem Fall zum Beispiel: Die Assembly von Charlotte ist etwas ganz Besonderes. Und sie unterscheidet sich von anderen. Jeder Gastgeber entscheidet für sich, was er/sie im Rahmen dieser Assembly machen möchte. Ziel ist es, dass während der Verteilung andere Events angeboten werden können: eine Veranstaltung, ein Vortrag, ein Theaterstück, eine Gastgeberin hatte in Berlin eine tolle Suppe mit regionalem Gemüse zubereitet. Das bringt die Leute dazu, dass sie bei der Assembly länger bleiben und sich austauschen. Ziel ist es nicht, dass es nur eine Abholstation ist, sondern dass auch etwas Soziales entsteht.

M: Und diese Gastgeber wechseln durch, oder…?

C: Nein. Man ist immer Gastgeber und baut eine Assembly auf, also einen Verteilungsort und der Gastgeber bleibt gleich.

M: Aber es kann theoretisch in München zum Schluss 50 Assembly-Orte geben?

C: Ja

M: Und wo ist der erste?


C: Die erste Assembly bauen wir jetzt gerade in Moosach auf.

M: In Moosach?

C: Genau! Ganz genau in der Gube 20.

M: Wie kam das?

C: Wir sind drauf gestoßen und haben Orte gesucht. Wir haben nicht explizit in Moosach gesucht, aber da wurde uns der Raum angeboten.

M: Und wie reagieren denn dann derzeit schon bestehende Initiativen wie zB. ReWiG, die Ökokiste oder das Kartoffelkombinat? Was kriegt ihr da für ein Feedback? Haben die nicht ein Konkurrenzproblem?


L: Nein. Also es ist schon passiert dass Leute gesagt haben wir sind Konkurrenz. Aber die meisten sagen wir sind Freunde und nicht Feinde, dh. wir gehen alle in dieselbe Richtung: Wir wollen Erzeuger unterstützen, es ermöglichen, dass Konsumente regionale Produkte kaufen können usw. Da es noch so viel in diesem Bereich zu tun gibt, glaube ich, dass es umso besser ist, wenn viele Akteure daran arbeiten. Damit auch verschiedenes angeboten wird, je nach Bedürfnisse von jeder Person. Es heißt, manche Leute haben lieber die Ökokisten vor der Tür, weil es praktischer ist. Sie arbeiten spät oder haben keine Lust zur Verteilung zu gehen. Andere haben Lust auf diese Verteilungen. Dann gibt es mehrere Möglichkeiten. Natürlich kann man auch beides machen. Es gibt auch die SoLaWi (Solidarische Landwirtschaft). Es handelt sich um ein ähnliches System, in dem Leute sich zusammentun, um zusammen einen gesamten landwirtschaftlichen Betrieb zu finanzieren. Es wird gemeinschaftlich entschieden, wie und was produziert werden soll. Bei diesem System gibt es ein bisschen mehr direkte Unterstützung. Mit SoLaWi-Höfen arbeiten wir auch zusammen. Die Erzeuger können ihren Überschuss an eine Assembly liefern.

M: Und wie ist die Assembly organisiert, rein rechtlich. Ist es eine GmbH oder ein Verein?

L: Also die Firma Food Assembly ist eine deutsche GmbH und jeder Assembly-Gastgeber muss ein Unternehmen anmelden, da sie mit dieser Nebentätigkeit Geld verdienen. Die meisten machen das als Kleinunternehmen.

M: Wie verdient man bei der Food Assembly Geld?

C: Von dem Umsatz den der Bauer macht gehen 16,7 Prozent weg. Davon gehen 8,35% an mich und 8,35% an das Team in Berlin.

L: Das heißt 83,3 Prozent bleiben beim Erzeuger.

M: Und die Franzosen- die kriegen auch noch was?

L: Also von den französischen Assemblies bekommen sie 8,35 Prozent vom Umsatz. Von den deutschen Assemblies bekommen sie aber nichts.

M: Aber eigentlich ist das ja ein klassisches Franchise System. Das heißt, es kann Konflikte geben, weil man nicht so viel eigene Identität entwickeln kann, weil man ja auch viel vorgeschrieben bekommt. Ihr müsst auch einen Teil der Erlöse abzwicken. Was ist denn jetzt für dich so interessant daran, es nicht einfach selber zu machen, sondern dich an ein Franchise-Modell anzudocken?

C: Weil die ganze Internetgeschichte abgedeckt ist. Ich muss mich nicht darum kümmern, dass ich online ein Portal erstelle, die finanzielle Seite ist abgedeckt, weil das alles über das Internet läuft. Ich kann mich ganz auf die Erzeuger und die Verbraucher konzentrieren und darauf, sie zusammen zu bringen.

L: Ich glaube, dass es eine wichtige Änderung in unserer Gesellschaft ist, dass die Leute sich jetzt wieder treffen wollen und nicht nur im Supermarkt anonym einkaufen möchten.

M: Warum ist das so?

L: Also ich fühle es so. Bei mir, bei den Freunden mit denen ich arbeite: Es gibt ja jetzt diese Ökonomie des Teilens – Sachen ändern sich. Die Leute wollen gerne die Dinge selbst in die Hand nehmen und wieder Akteure von ihrer Ernährung sein. Ich fühle es sehr stark, indem ich diese Food Assembly entwickle, dass die Leute sich wirklich darüber freuen.

M: Warum haben die Menschen dieses starke Bedürfnis, sich zu treffen?

C: Weil man sehr digitalisiert ist und sehr viel macht und sehr viele Möglichkeiten hat und dabei eben auch ein bisschen den Kontakt verliert. Ich bin überhaupt kein Mensch, der im Internet recherchiert. Ich treffe lieber Leute und tausche mich direkt aus, weil man dann eben viel tiefer und schneller in ein Thema eingeht und an viel interessantere Informationen kommt, wenn man einfach etwas erzählt bekommt -man kann direkt nachfragen. Der Austausch ist einfach schön. Die Leute treffen und mit Essen verbunden die Leute zu treffen – das ist für mich eigentlich das Beste! Für mich ist es einfach das schönste, wenn man mit Freunden kocht und Essen teilt und dabei in Gespräche vertieft wird.

M: War das Kochen bei dir schon immer ein wichtiger Bestandteil, auch im Privaten?

C: Ja, ich koche super gern und Lebensmittel sind mir sehr wichtig!

M: Habt ihr auch ein klares Bekenntnis zum Thema Bio? Müssen alle Produkte ein Bio-Siegel haben?

C: Bio-Siegel müssen sie nicht unbedingt haben, aber sie müssen nachhaltig anbauen und auf Pestizide verzichten.

M: Weil ihr den kleinen Bauern auch die ganzen Kosten für Siegel ersparen wollt?

L: Genau, viele wollen das nicht oder können das finanziell nicht. Entweder ist das zu teuer oder sie finden, dass die Siegel nicht perfekt sind. Sie wissen, dass sie gut arbeiten und gute Produkte anbauen, sie bräuchten kein Siegel: Die Nachbarn wissen es und kaufen auf dem Hof.

M: Und habt ihr einen Kriterienkatalog?

L: Wir nennen das nicht Kriterien, weil wir keine Zertifizierungsstelle sind. Aber wir haben ein Dokument, das wir „Unsere Werte und Ziele“ nennen, und das erklärt, wofür wir uns einsetzen. Wir möchten noch 2-3 Sachen ändern bzw. umformulieren. Es gibt aber schon einen guten Eindruck davon, mit welchen Erzeugern wir arbeiten wollen und wie wir uns unsere Arbeit selbst darstellen.

M: Und das Thema Vegetarier und Fleischessen. Wie sieht’s da bei euch aus?

C: Also wir haben generell nichts gegen Fleisch in der Assembly. Woher das Fleisch kommt ist dann die Frage. Wenn es der Bauer im Kleinen hat und im Kleinen schlachtet und keine riesen Tierhaltung betreibt und mit den Tieren alles gut ist, dann haben wir das schon auch in der Assembly.

L: Ja und ich würde sagen, dass die Organisation der Assembly auch dazu führt, dass die Leute nicht drei Mal am Tag Fleisch essen. Also ich persönlich kaufe Fleisch ungefähr jede zweite Woche in der Assembly und das ist teurer und besser im Vergleich zum Supermarkt. Unsere Erzeuger sind meistens klein und schlachten zum Beispiel zwei Mal im Jahr oder einmal im Monat und dann kann man nicht jede Woche Fleisch kaufen.

M: Wie viele machen denn jetzt schon mit – wie viele Landwirte in München?

C: Also wir sind sehr am Anfang. Bisher haben wir einen gefunden: Die Billersberger Höfe. Wir wollten erst einen Raum finden, den wir erst seit einer Woche haben.

M: Was muss ich denn als Gastgeber bieten, damit ich Gastgeber werden kann?

C: Den Willen es aufzubauen, also diesen Raum zu finden und die Erzeuger zu kontaktieren.

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M: Was muss der Raum bieten?

C: Der Raum müsste idealerweise im Erdgeschoss sein, so um die 30 m² groß und kostenlos – was in München recht schwierig ist

L: Und wenn man sich als Gastgeber anmeldet, gibt es einen kleinen Fragebogen und da kannst du deine Motivation und Möglichkeiten aufschreiben. Dann rufe ich den Gastgeber an, um Food Assembly vorzustellen, über das Assembly Projekt zu sprechen und die nächsten Schritte zu erklären.

M: Machen da auch so kleine Urban Gardening Projekte mit?

L: Nicht direkt, also nicht als Lieferant. Aber unterstützend: es kann zum Beispiel ein Verteilungsraum sein. Eine Food Assembly wird im Himmelbett Garten in Berlin stattfinden. In Leipzig haben wir auch den Annalinda Garten kennengelernt, die als Verteilungsraum mitmachen wollen.

M: Also braucht ihr dringend Verteilerorte?

C: Ja also idealerweise noch einen zweiten zentraleren Ort in der Stadt und Erzeuger, wobei ich denke, dass wenn ein Erzeuger das mitbekommt, es per Mundpropaganda läuft und natürlich Gastgeber.

M: Ist das in Berlin anders?

L: Ja also einige haben natürlich auch lange gesucht, aber andere sind natürlich auch anspruchsvoll. Aber in München ist es anscheinend schwieriger.

 

Mitte April soll das erste Treffen in einer Münchner Assembly stattfinden, bei dem jeder eingeladen ist, vorbei zu kommen und das ganze einmal auszuprobieren. Über den genauen Termin werden wir euch auf dem Laufenden halten. Weitere Infos gibt es aber auch hier!

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