CSU „nimmt zustimmend zur Kenntnis“

Diese Fundamentteile in Langenzenn (Landkreis Fürth) harren ihrer Anwendung: Gerade mal 27 Windräder gingen in Bayern im ersten Halbjahr 2013 neu ans Netz – so wenig wie in kaum einem anderen Bundesland. (Foto: Wraneschitz)

Diese Fundamentteile in Langenzenn (Landkreis Fürth) harren ihrer Anwendung: Gerade mal 27 Windräder gingen in Bayern im ersten Halbjahr 2013 neu ans Netz – so wenig wie in kaum einem anderen Bundesland. (Foto: Wraneschitz)

Kabinettssitzung in München: Nachdem die Bayernhymne gesungen, „unsere Fluren“ als Juwel gepriesen und der ausufernden „Verspargelung“ der Kampf angesagt wurden, setzt die CSU im Nebensatz die Regionalpläne der Industrieregion Mittelfranken und der Region Landshut in Kraft. Dort können die gestoppten Windprojekte jetzt zu Ende gebaut werden.

Aus Nürnberg Heinz Wraneschitz

Neuer Sinneswandel bei Bayerns Staatspartei: „Wir wollen und brauchen die Energiewende“, erklärte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach der Sitzung des bayerischen Kabinetts am Montag. Im Wahlkampf hatte der Ministerpräsident noch versucht, mit schärferen Abstandsregeln für Windanlagen zu punkten, was Anfang Dezember in ein „Windkraft-Ausbau-Moratorium“ mündete. Die Folge: Bayerns Windenergie-Baustellen standen still.

Allerdings kann jetzt wieder gebaut werden. Zwar kommt zuerst die Bayernhymne, die „unsere Fluren“ als Juwel besingt, welche es bekanntlich vor ausufernder „Verspargelung“ zu behüten gilt. Dann aber teilt die Bayern-Obrigkeit im letzten Absatz lapidar mit: „Die Staatsregierung nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass das Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat die Regionalpläne der Industrieregion Mittelfranken IRM (15. und 17. Änderung) sowie der Region Landshut für verbindlich erklären will.“

„Nimmt zustimmend zur Kenntnis“ – seit Juni 2013 liegt die 17. Änderung des Regionalplans der Industrieregion Mittelfranken genehmigungsfähig vor. Der Plan sieht beispielsweise den Bau von von Windrädern mit 15 Megawatt Leistung im fränkischen Langenzenn vor. Nur die Unterschrift des Regierungspräsidenten Thomas Bauer fehlte noch. Der hatte klimaretter.info mitgeteilt: „Am 3. Dezember 2013 haben wir eine Bitte des Bayerischen Finanzministeriums bekommen, keine Entscheidung zu treffen. Das ist für mich ausschlaggebend. Denn ich bin an die Bitten der Staatsregierung gebunden.“

Laut bayerischer Verfassung ist die gesamte Landesverwaltung der Staatsregierung untergeordnet. Und „Bitten“ sind im Staatsjargon klare Anweisungen. Weshalb aus dem Bau der Windkraftanlagen bei Langenzenn auch nichts wurde: Das von Bürgern vor Ort finanzierte 24-Millionen-Euro-Projekt stand praktisch still.

Schadenersatzansprüche gegen den Freistaat als Motiv 

Nun erklärt das vom Mittelfranken Markus Söder geführte Ministerium auf Nachfrage: „Für Pläne, die vor dem 7. August 2013 genehmigungsreif waren, gilt Vertrauensschutz.“ Die Weisung des Ministers, diese Pläne für Mittelfranken und Landshut zu unterschreiben, hätten die beiden Regierungspräsidenten bereits erhalten.

Was Mittelfrankens Regierungspräsident Thomas Bauer gegenüber unserer Redaktion bestätigt und ergänzt: „Ich habe bereits unterschrieben. Es bedarf noch einer Auslegung des nun verbindlich erteilten Regionalplans. In einem Sonderamtsblatt wird am Dienstag darauf hingewiesen.“ Somit könne der Plan am 1. Februar in Kraft treten.

Mit seiner Entscheidung vom Montag versucht das bayerische Kabinett, Dampf aus dem Ärgertopf um ihre ständig wechselnde Politik bei erneuerbaren Energien im Freistaat abzulassen. Doch der Hinweis auf „Vertrauensschutz“ scheint nur vorgeschoben. Denn immerhin hat der für die Industrieregion Mittelfranken zuständige regierungsamtliche Regionalplaner „sich unseren Argumenten vollinhaltlich angeschlossen“, wie Windkraftplaner Erich Wust erklärte. Was bedeuten soll: Dessen Schadenersatzansprüche gegen den Freistaat wären wohl rechtens.

Wegen des bereits von Sachverständigen als „Rechtsbruch“ bezeichneten Zwangs-Stopps für die fünf Windräder bei Langenzenn hatte Wust kurz vor Weihnachten 2013 Klage gegen den Freistaat Bayern eingereicht. Dieser Klage wolle „die Stadt Langenzenn beitreten“, wie es auf unsere Nachfrage aus dem dortigen Rathaus hieß. Pikant: Der Bürgermeister ist CSU-Mitglied.

Dabei laufen in vielen bayerischen Planungsregionen seit Jahren Änderungsverfahren, mit denen mehr Windkraftvorrang- und -vorbehaltsflächen festgeschrieben werden sollen. In der Industrieregion Mittelfranken zum Beispiel wird bereits seit gut einem Jahr die 18. Änderung diskutiert. Doch weil die Staatsregierung verkündet hat, sie wolle eine „10-H-Abstandsregelung zur Wohnbebauung“ durchsetzen – bei 200 Meter hohen Windrädern also zwei Kilometer – stehen die Arbeiten auf tönernen Füßen.

Seit Längerem drängt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) darauf, schärfere Abstandsregeln für Windanlagen im Freistaat durchzusetzen. Zunächst scheiterte er im September mit dem Vorstoß im Bundesrat, den Abstand von Windrädern zu Wohnbebauungen auf mindestens das Zehnfache der Höhe des Windrades zu begrenzen. Während der Berliner Koalitionsverhandlungen mit der SPD sah Seehofer seine zweite Chance gekommen – und diesmal hatte er Erfolg. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist nun zu lesen: „Wir werden eine Länderöffnungsklausel in das Baugesetzbuch (BauGB) einfügen, die es ermöglicht, länderspezifische Regeln über Mindestabstände zur Wohnbebauung festzulegen.“ Mit anderen Worten: Jedes Land, also auch Bayern, kann selbst bestimmen, wo Windräder aufgebaut werden dürfen und wo nicht.

Lässts wieder drehen: Bayerns Heimatminister Markus Söder (natürlich CSU). (Foto: Wraneschitz)

Lässts wieder drehen: Bayerns Heimatminister Markus Söder (natürlich CSU). (Foto: Wraneschitz)

Deshalb beteiligen sich Windplaner Wust und Co trotz ihrer heutigen Siegeslaune auch an der Demo am Dienstag, den 14.1.  in Wildbad Kreuth: BUND Naturschutz und Bürgerenergiegenossenschaften haben aufgerufen, während der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion „gegen die rückwärtsgewandte Energiepolitik Bayerns zu demonstrieren und auf die fatalen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger hinzuweisen“.

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