„Das IOC kommt mit dem großen Schopflöffel“

olympia baumeister

Olympia 2018: Der Bund Naturschutz und die Gesellschaft für ökologische Forschung (GöF) haben die Auswirkungen auf München genauer unter die Lupe genommen: Das Medienecho war mau. Ein Interview mit dem Landesvorstand des Bund Naturschutz in Bayern, Christian Hierneis.

Sehr geehrter Herr Hierneis, nach Ihrer Ankündigung, „Olympia schadet München“, hatten wohl viele Menschen schlimmeres befürchtet als ein paar gefällte Bäume und ein Wohnhaus in der Hedwig-Dransfeld-Allee, das abgerissen werden soll, aber ein paar Meter weiter wieder aufgebaut wird. Das Presseecho war entsprechend unaufgeregt. Haben Sie womöglich übertrieben und Ihre Glaubwürdigkeit bei den Medien verspielt?

OlympiahausSDC10341

Christian Hierneis: 60 Hektar neu zu überbauende Fläche, 2.000 Bäume, denen die Säge droht sind und die zu 80 Prozent der Baumschutzverordnung unterliegen, vier Biotope, die zum Teil überbaut werden, der Ausfall der Nutzung der ZHS für zwei bis vier Jahre: Das ist schon nicht wenig. Und ein Plan für die Neuerrichtung des abzureißenden Wohnhauses mit 80 Parteien ist nicht bekannt. Die Mieter wissen bis heute nicht, wie es bei ihnen weitergehen soll. Dazu kommen noch die immensen finanziellen Lasten, deren Ausmaß sich heute noch nicht absehen lässt. Die Stadt München übernimmt alleine die Garantien für alles, was an Zahlungen im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen anfällt. Von den Reisekosten der Athleten und Olympia-Funktionäre über den Neubau eines Bundeswehr-Gebäudes im dreistelligen Millionenbetrag bis hin zu eventuellen Finanzlasten der anderen Ausrichterorte. Kurz gefasst: Finanzgarantien und Rechtegarantien. Dazu noch die Steuerfreiheit für die IOC-Mitglieder. Und noch einiges mehr. Die Glaubwürdigkeit verspielen nicht wir, sondern die Bewerber.

Die Olympiabewerbung kostet wohl 33 Millionen Euro. Glauben Sie das ist realistisch?

Das können wir nicht beurteilen. Aber man muss sehen: Es handelt sich nur um die Bewerbung. Das hat noch nichts mit der Durchführung der Spiele zu tun. Die kostet dann Milliarden. Wo dieses Geld herkommen soll, weiß kein Mensch. Im Übrigen sind 20 Prozent der Bewerbungskosten reine Personalkosten.

Wie groß sehen Sie die Einwirkungsmöglichkeiten der Umweltschützer bei der Bewerbung, die mit Boris Schwartz, einem Stadtrat der Grünen, ja schließlich sogar personell einen eigenen Vertreter vorweisen kann?

Der Stadtrat der Grünen ist kein Vertreter der Umweltschützer, sondern bezahlter Angestellter der Bewerbungsgesellschaft. Unser Ziel ist es, die Bevölkerung über die Maßnahmen und Folgen der Bewerbung aufzuklären, was die Bewerbungsgesellschaft oder auch die Stadt München bisher unterlassen haben. Warum auch immer.

Immer lauter wird die Frage, wie die Vertragspolitik und das Gebaren des IOC zu bewerten ist. Welche Rolle spielt bei Ihrem Protest die Politik des IOC? Haben Sie Kritik am IOC?

Das IOC verlangt alles vom Ausrichter, gibt aber kaum etwas zurück. Letztendlich kann man das so sehen: Sie haben eine Suppenterrine, aus der das IOC mit einem großen Schöpflöffel Suppe rausholt und einen Teelöffel voll zurückgibt. Vom IOC kommt keine finanzielle Unterstützung, die auch nur annähernd die Kosten für den Veranstalter wieder reinbringt. Das IOC verlangt Garantien, die teilweise deutschem Recht widersprechen. Nicht umsonst haben Salzburger Juristen bei deren Bewerbung von „sittenwidrigen Verträgen“ gesprochen.

Bei dem Treffen der Olympiavertreter in Shanghai am 20.8. spielte der Widerstand in München laut dem Olympia-Experten Jens Weinreich keine Rolle. Wie wollen Sie das künftig ändern?

Der Widerstand spielt beim IOC eine größere Rolle, als man uns das Glauben machen will. Die IOC-Mitglieder mögen keinen Widerstand, sie wollen im Gastgeberland umjubelt und hofiert werden. Wir werden unsere Aufklärungsarbeit fortsetzen, egal welche Rolle das für wen spielt.

Wie geht es weiter mit dem Protest im Oberland?

Auch dort wird die Aufklärungsarbeit fortgesetzt.

Wo sehen Sie mögliche Chancen und positive Entwicklungsmöglichkeiten für München durch die Olympiabewerbung?

Leider keine. Was man an Nachhaltigkeit und ökologischen Entwicklungen auf den Weg bringen könnte, geht alles auch ohne Olympia. Das Umweltkonzept der Bewerber ist jedoch so halbherzig, dass derzeit alle paar Wochen umgeplant werden muss, weil man feststellt, dass irgendetwas nicht funktioniert. Und das, was drinsteht, ist ein Sammelsurium von Selbstverständlichkeiten und bloßen Absichtserklärungen. Und es ist nicht geklärt, wer das bezahlen soll.

Fotos:
Sammlung Gesellschaft für ökologische Forschung / Oswald Baumeister (oben)
Christian Hierneis (unten)

5 Kommentare zu “„Das IOC kommt mit dem großen Schopflöffel“”

  1. Ralf Schmid sagt:

    SZ: Renoviert für den Abriss

    „Das war wohl keine gute Investition: Die Bundeswehr hat in den vergangenen sieben Jahren 8,75 Millionen Euro in ihr Verwaltungszentrum an der Dachauer Straße gesteckt – also in Bauten, von denen die meisten für das geplante neue Olympiadorf abgerissen werden müssten.
    […]
    Bisweilen werde so getan, als seien die Winterspiele 2018 für den Steuerzahler fast gratis zu haben. Dabei würden, wie die Millioneninvestition der Bundeswehr zeige, auch bestehende Werte vernichtet.“

    http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen/olympia-renoviert-fuer-den-abriss-1.994512

  2. Ralf Schmid sagt:

    Als Außenstehender könnte man tatsächlich auf die Idee kommen, daß das „Umsetzen“ eines Wohnhauses samt Bewohnern im Rahmen eines Großprojektes toleriert werden könnte. Schlimm in diesem Fall ist jedoch,

    – daß die Bewerbungsgesellschaft bebautes Gelände überplant, ohne die betroffenen Anwohner zu informieren, so daß diese den drohenden Abriß ihres Wohnhauses aus der Zeitung erfahren müssen.

    – daß die Bewerbungsgesellschaft die Kosten für Abriß und Neubau des Gebäudes, die der Steuerzahler zu tragen hat, nicht offenlegt.

    – daß hier völlig sinnlose Kosten für den Steuerzahler anfallen, die ohne die Olympischen Spiele nicht notwendig wären, da das Gebäude alles andere als ein Sanierungsfall ist.

    – daß sich die betroffenen Anwohner womöglich die Mieten im Ersatzbau nicht mehr leisten können.

    Angesichts weitaus größerer Probleme sind die Eingriffe in den Olympiapark aber dann wohl doch nur „Peanuts“. Klimawandel, Überschuldung von Bund, Land und Kommunen, der völlige Verlust olympischer Ideale im modernen Hochleistungssport sowie das Geschäftsgebaren des IOC sind sicher weitaus stärkere Gründe gegen die Bewerbung Münchens. „18 Gründe gegen Olympia“ sind nachzulesen unter
    http://www.nolympia.de/

  3. ClaudiaMohr sagt:

    Ein paar gefällte Bäume, ein einziges Haus ??
    Hier geht es um ein Vorfeld, um den Eingang zum Olympiapark von der Dachauer Strasse aus, einem Park der „absolut erhaltenswert“ ist !!
    Hier ist eine Grünoase entstanden, die viele Münchner nutzen.
    Zum radln, joggen, walken, Fußball spielen, mit dem Hund Gassi gehen, oder einfach nur um sich auf einer Wiese auszuruhen und zu entspannen.

    Lange Zeit ist dieser Teil des Olympiaparks eingewachsen. Viele Tiere haben sich hier niedergelassen und dies ist wunderschön anzusehen, „mitten“ in der Stadt. Viele Tiere haben ihr Winterquartier hier. Vor ein paar Jahren noch gab es Fasane auf dem Gelände Ackermannstrasse, wo mittlerweile viele Häuser gebaut wurden, die in meinem Augen Betonsiedlungen sind. Die Fasane sind abgewandert und haben hier einen neuen Ort gefunden. Sollen sie jetzt auch hier vertrieben werden? Ist so etwas nichts mehr wert in der Stadt München ??
    Ich glaube, wenn der Englische Garten nicht der Englische Garten wäre, würde hier wahrscheinlich auch alles zugebaut.

    Das Wohnhaus das hier steht und beim Zuschlag für die Olympischen Winterspiele abgerissen werden soll, ist kaum 20 Jahre alt, passt vom Stil hierher und hat wenigstens sogar noch ein Dach. Für ganze „2“ Wochen Olympische Winterspiele soll es weichen, mit seinen Bewohnern, die sich hier wohlfühlen und den Platz und die Natur wertschätzen.
    Es soll hier gebaut werden…., d.h. es wird dann bald ähnlich der Ackermannstrasse ausschauen. Die „sogenannte“ Mittelschicht wird sich diese Wohnungen kaum mehr leisten können.

    Hallo Münchner, geht mal wieder auf den Olympiaberg und schaut Euch von oben Eure Stadt an….
    seht Ihr nicht, wie Sie sich schon verändert hat ?? Überall dort wo gebaut wird, wird nicht mehr „mit Gefühl“ gebaut, sondern nur noch „zweckmäßig“.
    Ein Beispiel dafür ist auch das Cafe/Restaurant an der Olympiahalle, wer lässt so etwas zu ?
    Es fällt schwer, dies mit anzusehen.

  4. Ralf Schmid sagt:

    Hier kann jeder selbst nachlesen, daß es um mehr geht „als ein paar gefällte Bäume und ein Wohnhaus“:
    BN/GÖF: Schaden für die Stadt und die Menschen
    http://www.bn-muenchen.de/uploads/tx_akpdfarchiv/20100820_PM_Olypark_fertig.pdf

    Und wer die Sorgen der Olympiagegner teilt, kann dies hier mit seiner Unterschrift bekräftigen:
    http://nolympia2018.ludwighartmann.de/unterstuetzen/

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