Arche des Geschmacks – Die neue Gemüseküche von Meret Bissegger

„Meine Gemüseküche für Herbst und Winter“ von Meret Bissegger und Hans-Peter Siffert

Eine Besprechung von Ursula Liepelt

In Sachen Gemüse sind uns die Schweizer meist um eine Nasenlänge voraus. Etwa fünf Jahre, bevor es in Deutschland Rucola in allen Variationen gab, pflückten die Studenten in Basel ganz selbstverständlich Rauke „irgendwo“ im Garten der Wohngemeinschaft und ich staunte nicht schlecht über das aromatische neue Kraut. Deshalb wundert es mich jetzt gar nicht, dass mit der Neuerscheinung „Meine Gemüseküche für Herbst und Winter“ eine Schweizer Produktion auf meinem Tisch gelandet ist, die wirklich sehr erfreulich und überraschend ist. Die Autorin Meret Bissegger, eine bekannte Tessiner „Kräuterfrau“, erklärt mir endlich den Unterschied zwischen Puntarelle und Catalogna, eine Zichorienart, die ich auch nur wieder über meine „Basler Schwester“ kenne. Sie wirft das grüne löwenzahnartige „Gestrüpp“  ab und zu zur Pasta in die Pfanne und schwärmt mir davon vor. So habe ich mich auch auf die Suche gemacht und die „Bittere Wahrheit“ endlich letztes Jahr zum ersten Mal gefunden. Puntarelle sind die bittersüßen und knackigen Herzspitzen der Catalogna, die im Winter im Inneren der Pflanze nachwachsen. Man findet sie auf dem Markt oder bei guten Gemüsehändlern von Oktober bis Ende März.  Was ich allerdings noch nie gesehen habe sind Chayote, Chu Chu, Christofine?

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Chayote, Knollenziest und Kardy, so heißen einige der über 40 einheimischen Herbst- und Wintergemüse, die im Buch farbig und prägnant porträtiert werden. Neben Kürbis, Kohlsorten, Rote Bete, Blumenkohl, Bodenrüben Rettich finden sich alte und wenig bekannte Sorten. Sehr lesenswert ist auch das Kapitel über „Karotte, Rüebli, Möhre“.
Nach einer umfassenden Einleitung zum Thema Produzenten, Konsumenten und Produkte, deren Zusammenbringen der Autorin Meret Bissinger ein großes Anliegen ist, geht es nach 15 Seiten zur  Ökologische Landwirtschaft sowie Küchenpraxis, hinein in die konkrete Gemüsewelt.
Die Sorten kommen vorrangig aus der deutschen Schweiz und den nahen italienischen Regionen. Manche Spezialitäten müssen aus  Frankreich, manchmal ausnahmsweise aus Spanien importiert werden. Ihre erste Wahl sind aber immer die regionalen Produkte. Dies entspringt auch der Philosophie „ökologisch, nachhaltig, fair“ der Slow Food Bewegung, in der sich die  bekannte Köchin international engagiert. Jedes der reich bebilderten Gemüseporträts wird durch Küchentricks ergänzt und enthält Hinweise zur einfachen und schmackhaften Zubereitung, sowie besonders gut passende Kombinationen mit Gewürzen, Kräutern und anderen Zutaten. Über 150 einfache Rezepte, roh und gekocht, zeigen die Vielfalt an wunderbaren Gerichten für die kalte Jahreszeit.

Völlig zurecht wurde die Gemüseküche 2015 vom Buchpreis-Kuratorium der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. in die TOP 5 der besten Gartenbücher 2015 gewählt. Ein ungewöhnliches Gartenbuch „weit in die Kochbuchliteratur ausgreifend, interdisziplinär im Ansatz, ein wenig zwischen den Welten“ (DGG). Man möchte es besitzen oder an Gleichgesinnte verschenken. Fast jedes Rezept regt wegen der wenig bekannteren Gemüsesorten sofort zum Ausprobieren an. Oder aber, weil altbekannte Sorten völlig neu kombiniert werden, wie zum Beispiel beim  „Sauerkraut mit Mandelsauce“ auf Seite 129, Rezept weiter unten. Neben den hervorragend recherchierten Texten von Meret Bissegger lebt dieses Buch von den detail- und facettenreichen Fotografien von Hans-Peter Siffert. „Sinnlich  und trotzdem fundiert lässt dieses Buch eintauchen in eine  Gemüsevielfalt aus Garten und Laden, die uns über das Woher und das Wozu kaum Fragen offen lässt. “ (DGG)

Es soll ja Menschen  geben, die abends vor dem Einschlafen Kochbücher lesen. „Träum süß von sauren Gurken“ ist der Lieblingsspruch meiner Mutter. Die beruhigende Wirkung der Gemüseküche geht in diese Richtung. Danach sind ein fester Schlaf und gute Träume gewiss!

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Sauerkraut mit Mandelsauce (dem Buch auf Seite 129 entnommen)

Hier ist ein einfaches Rezept, das aber geschmacklich eine kleine Überraschung birgt

150 g Linsensprossen

40 g dunkles Mandelmus

150 g Sauerrahm

1 Prise Kräutermeersalz

200 g rohes Sauerkraut

Linsensprossen in Salzwasser eine Minute kochen, abgießen. Mus, Rahm und Salz mit einem Schwingbesen zu einer dickcremigen Konsistenz mischen; eventuell noch etwas Wasser hinzufügen. Kraut auseinanderzupfen und auf einen Teller flach auslegen; die Creme darübergeben und die Sprossen darüber verteilen.

 

Weiterer Blick ins Buch: http://www.meretbissegger.ch/

Meret Bissegger ist leidenschaftliche Köchin und Pflanzenfachfrau. Sie war 14 Jahre als Wirtin (unter anderem im Ristorante Ponte dei Cavalli) tätig. Heute gibt sie Kochkurse, verwöhnt in ihrer Casa Merogusto in Malvaglia (Tessin) Feinschmecker bei ihren Tavolata-Anlässen.

Hans-Peter Siffert Fotograf mit den Themenschwerpunkten Wein, Reisen und Gastronomie. Zahlreiche Reportagen in Zeitschriften in der Schweiz und Deutschland. Er fotografierte diverse Bücher für den AT Verlag.

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Meret Bissegger, Hans-Peter Siffert: „Meine Gemüseküche für Herbst und Winter“
AT Verlag , Oktober 2014, 384 Seiten, 300 Farbfotos, gebunden, Pappband, € 39,90
ISBN 978-3-03800-828-6

Fotocredit: Hans-Peter Siffert, weinweltfoto.ch

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